Daniela Holzinger: Lesehilfe für Empörte
Als ich letzte Woche meine Kolumne „Bildersturm im Naziland“ an die Herausgeberin schickte, da wusste ich: Das kann nicht gutgehen. Ich hatte „Nazi“ gesagt – Kontext egal – wie eigentlich immer in unserer provinziellen politischen Debattenkultur. Wobei: Jetzt bin ich unfair zur Provinz.
Am Land wird hier manchmal noch besser differenziert. Da ist das eigene Echo nicht so laut, die denkbefreiten Wohlfühlblasen nicht so knapp bemessen und der Druck in die Top-Bubble aufzusteigen nicht gar so groß.
Ja, ich liebe das Landleben. Den freien Blick auf die Dinge, die frische Luft.
Jedenfalls gab‘s gespaltene Reaktionen. Viele Menschen haben mir geschrieben, in Kommentaren und – sehr überraschend – in fast einhundert Mails. Darunter auch Wissenschafterinnen und Wissenschafter sowie Dozentinnen und Dozenten, die man durchaus dem linken Milieu zuordnen könnte – ja, die sich selbst sogar dort verorten. Ihnen allen war es ein Bedürfnis mir zum Beitrag zu gratulieren und zum Mut, auch auszusprechen, was die ebenso stringenten wie eindimensionalen Sprachregelungen der identitätspolitischen, pseudo-Linken nicht erlauben. Niemals erlauben. Nämlich sich die Dinge, abseits ideologischer Scheuklappen, Reizwörter und Schnappreflexe, etwas genauer anzusehen, zu hinterfragen und abzuwägen.
Auf der anderen Seite aber, ebenso bösartig wie erwartbar, empörtes getwitter. Wer Porsche, Karajan und sowieso jeden, der sich zwischen 1933 und ‘45 nicht freiwillig auf‘s Schafott legte, als irgendetwas anderes sehen wollte als eine Bestie, ja der gehört da selbst dazu. Genau! Knüppel drüber und aus. Haben‘s eh schon immer gewusst!
Gut und Böse
Dabei wäre das alles (auch bei einer Schwäche im sinnerfassenden Lesen) gar nicht so kompliziert. In einer Welt nämlich, in der das Böse regiert, in der die Faschisten diktieren, greifen unsere heutigen Wert- und Moralvorstellungen ganz einfach nicht. Ebenso wenig wie in einer Gesellschaft, die ihren Wohlstand auf dem Handel mit Menschen (Sklaverei) begründet. Das gesamte Spektrum von Gut und Böse ist da verschoben, und zwar gewaltig. Der Rahmen, in dem sich die (Un-)Zeitgenossen bewegten, also ein fundamental anderer und letztlich ja nur dieser relevant, um ihr Lebenswerk zu beurteilen. Denn wo immer menschliche Entwicklung stattfindet, wird die Vergangenheit an den Normen der Gegenwart scheitern müssen.
Auch Oskar Schindler lernte, wie wir alle lernen dürfen
Was nebenbei gesagt, ja eh unstrittig und sogar von Links-Linken im Selbstdarstellungswahn anerkannt wird – zumindest, wenn’s um die Helden geht: Oskar Schindler beispielsweise war zunächst fanatischer Nationalsozialist, spionierte sogar für Hitler und profitierte als Unternehmer von Krieg und Zwangsarbeit. Erst mit der Zeit wuchs die Ablehnung gegen das Regime und die systematische Vernichtung von Menschen. Erst mit der Zeit wurde Schindler zum Helden, der unter Einsatz seines Lebens mehr als 1200 Zwangsarbeiterinnen un Zwangsarbeiter, Jüdinnen und Juden vor dem sicheren Tod bewahrte.
Erst mit der Zeit – die uns lernen, sehen, verstehen lässt. Den einen früher, den anderen später.
Heute wissen wir, kriegen es beigebracht. Heute ist es einfach. So wie jeder die Lottozahlen des Vortages nachlesen kann – das ist keine Hexerei, das schaffen die kleinsten Geister.
Beim Niederreißen, Beschmieren, Verzieren und Demontieren, also bitte auch die Umstände würdigen und sowas wie das Lebenswerk gegen einige Jahre des feigen, möglicherweise gierigen Mitläufertums abwägen. Soweit mein Argument – als kleine Lesehilfe für Empörte.
Eines noch
Sollte unter dem Druck eifriger Pseudo-Links-Twitterer dann aber doch der Entschluss fallen, beispielsweise Porsches Namen von rund 200 Metern Salzburger Asphalt zu nehmen, um der Gerechtigkeit Genüge zu tun – dann bitte aber auch gleich ein Fahrverbot für die Nazi-Autos. Weil, wo kämen wir da hin.
Gut, als Kompromiss könnte man noch anbieten, die paar hundert Millionen Schriftzüge abzukratzen und vielleicht durch dekorative Aufkleber mit dem Wörtchen „Schande“ zu ersetzen. Ich bin sicher, der Thomas Drozda zeigt‘s bei seinem 911er Targa gerne vor, weil ein ehemaliger SP-Kulturminister im Nazi-Wagen, das geht sich nicht aus. Oder doch? Twitter, fertig und los!
Mit nur 26 Jahren zieht Daniela Holzinger-Vogtenhuber erstmals in den Nationalrat ein. Bald als SPÖ-Rebellin bekannt, stellte sie sich mehrfach gegen den Klubzwang und trat letztlich erfolgreich für die Stärkung parlamentarischer Kontrollrechte ein. 2017 bricht sie endgültig mit ihrer ehemaligen Partei, kann ihr Mandat bei den vorgezogenen Neuwahlen jedoch behaupten. Diesmal parteiunabhängig über ein Ticket der Liste JETZT, wo sie zur „fleißigsten“ weiblichen Abgeordneten des Parlaments avancierte. Heute ist Holzinger-Vogtenhuber Seniorpartnerin einer Agentur für Politikberatung und leidenschaftliche eXXpress-Kolumnistin.
Kommentare
Frau Holzinger!
Dieses ständige Auspacken der Nazikeule bei jeder sich bietenden Gelegenheit, so als wäre es ein unschlagbares Universalargument gegen alles und jeden, der etwas sagt, tut oder denkt was auch nur marginal nicht zum eigenen Denken passt, wird von der SPÖ und ihren Anhängern seit Jahrzehnten praktiziert. Genau dieses Verhalten kommt allerdings einer maßlosen Verharmlosung der Verbrechen des Dritten Reichs gleich. Mit welcher Auffassung über den Nationalsozialismus soll ein Kind dessen Eltern andere schon für belanglose Meinungsverschiedenheiten als Nazi beschimpfen denn bitte aufwachsen?
Die Früchte dieser gedankenlosen Praxis sind Menschen, die in dem Glauben aufgewachsen sind, sie hätten ein moralisches Veto gegen Andersdenkende.
Ihr Artikel “Bildersturm im Naziland” schreit geradezu danach als “orwellianisch” bezeichnet zu werden. Geradezu selbstverständlich verlangen Sie hier das Auslöschen historischer Persönlichkeiten. Das “Ministery of Truth” lässt grüßen!
Nur eigenartig, dass sich unter den scheinbar verbannenswerten Namen kein einziger Sozialist befindet, wo doch die SPÖ nicht nur mit dem BSA, dem Bund sozialistischer Akademiker, systematisch ehemalige höherrangige Nazis angeworben hat, sondern NSDAP-Mitglieder im Allgemeinen. Wie rechtfertigen Sie das Andenken an Karl Renner, der öffentlich für den Anschluss gestimmt hat und Österreich-Ungarn als “Fehler” bezeichnet hat? Warum ist ein Julius Tandler, SPÖ Geminderat, es wert in Erinnerung zu bleiben, hat er doch die Euthanasie salonfähig gemacht? Mit den Beispielen könnte man ein ganzes Buch füllen, stattdessen hier ein paar Denkanstöße:
http://www.dokumentationsarchiv.at/SPOE/1938_Renner_NAZI.htm
http://www.dokumentationsarchiv.at/SPOE/1949_Gewissensfrage.htm
http://www.dokumentationsarchiv.at/SPOE/Braune_Flecken_SPOE.htm
Wann beginnt die SPÖ endlich mit der Aufarbeitung dieser Schandtaten und hört mit den feigen Versuchen auf, die Geschichte umschreiben zu wollen?
George Orwell hätte mit dieser Farce wohl große Freude, weil er am Ende recht behielt, oder gerade deswegen immense Frustration, da sich die Menschheit in ihrem politischen Denken und Handeln am Ende, wohl leider doch in das einfache Muster einer Parabel einfügt.
Wäre es nicht an der Zeit, dass Linke sich endlich ans Werk machen, um die eigene Geschichte des Sozialismus aufzuarbeiten? Wie kann es sein, dass im Wiener Donaupark eine Büste des kommunistischen Massenmörders, Gewaltneurotikers und Psychopathen Guevara Ernesto steht? Wie kann es sein, dass Linke eine Statue in Wien für den kommunistischen Massenmörder Ho Chi Minh forderten? Wie sieht es denn mit einem Denkmaö für die Millionen Opfern des Holodomors aus? Und wie sieht es generell für eine Denkmal für alle Opfer der sozialistischen Experimente aus? Der Sozialismus, egal welcher Ausprägung und Erscheinungsform, hat über 120 Millionen Todesopfer gefordert – und noch viel mehr Unterdrückte, Versklavte und Vertriebene. Wer in den sozialistischen Experimenten eine “progressive Gesinnung” erkennen will, der leugnet, relativiert und verharmlost die unfassbarsten, abscheulichsten und grausamsten Verbrechen in der Geschichte der Menschheit. Es ist an der Zeit, den Menschen reinen Wein einzuschenken und die Menschen darüber zu informieren, welche unaussprechlichen Gräuel der Sozialismus zu verantworten hat. Dann hört sich das reflexartige Nachplärren und die kritik- wie gedankenlose Mitläuferei unter dem Konterfei von Honecker, Uljanow, Dschugaschwili, Mao, Kaganowitsch, Bronstein und allen anderen sozialistischen Massenmördern und Psychopathen schlagartig auf.
Wirklich sehr gut formuliert, trifft den Nagel auf den Kopf!
Man könnte auch noch die autobahn Salzburg – München in einen Ochsenkarrenweg umwandeln; da hätte man sogar auch noch die Grünen auf seiner Seite.
Die Karajangasse in Salzburg ist nicht nach dem Dirigenten benannt, sondern nach dessen Vater, berühmter Arzt.
hws
Die politische Frage ist ja immer: Was wollen wir damit erreichen und ist dieses Ziel damit erreichbar?
Wenn wir unsere Strassen und Plätze von den Widersprüchen gesäubert haben und unsere Sprache bereinigt haben, sind wir dann besser geschützt vor einer abschüssigen Strasse?
Muß den ehrenwerten Herrn Drozda schwer in Schutz nehmen, hat er doch diesen günstigen Unterklassewagen nur dm Andenken an den Terroranschlag vom 9.11. zu seinem Fahrzeug gewählt. Normalerweise fährt er ein Fixi….