Am Land wird hier manchmal noch besser differenziert. Da ist das eigene Echo nicht so laut, die denkbefreiten Wohlfühlblasen nicht so knapp bemessen und der Druck in die Top-Bubble aufzusteigen nicht gar so groß.

Ja, ich liebe das Landleben. Den freien Blick auf die Dinge, die frische Luft.

Jedenfalls gab‘s gespaltene Reaktionen. Viele Menschen haben mir geschrieben, in Kommentaren und – sehr überraschend – in fast einhundert Mails. Darunter auch Wissenschafterinnen und Wissenschafter sowie Dozentinnen und Dozenten, die man durchaus dem linken Milieu zuordnen könnte – ja, die sich selbst sogar dort verorten. Ihnen allen war es ein Bedürfnis mir zum Beitrag zu gratulieren und zum Mut, auch auszusprechen, was die ebenso stringenten wie eindimensionalen Sprachregelungen der identitätspolitischen, pseudo-Linken nicht erlauben. Niemals erlauben. Nämlich sich die Dinge, abseits ideologischer Scheuklappen, Reizwörter und Schnappreflexe, etwas genauer anzusehen, zu hinterfragen und abzuwägen.

Auf der anderen Seite aber, ebenso bösartig wie erwartbar, empörtes getwitter. Wer Porsche, Karajan und sowieso jeden, der sich zwischen 1933 und ‘45 nicht freiwillig auf‘s Schafott legte, als irgendetwas anderes sehen wollte als eine Bestie, ja der gehört da selbst dazu. Genau! Knüppel drüber und aus. Haben‘s eh schon immer gewusst!

Gut und Böse

Dabei wäre das alles (auch bei einer Schwäche im sinnerfassenden Lesen) gar nicht so kompliziert. In einer Welt nämlich, in der das Böse regiert, in der die Faschisten diktieren, greifen unsere heutigen Wert- und Moralvorstellungen ganz einfach nicht. Ebenso wenig wie in einer Gesellschaft, die ihren Wohlstand auf dem Handel mit Menschen (Sklaverei) begründet. Das gesamte Spektrum von Gut und Böse ist da verschoben, und zwar gewaltig. Der Rahmen, in dem sich die (Un-)Zeitgenossen bewegten, also ein fundamental anderer und letztlich ja nur dieser relevant, um ihr Lebenswerk zu beurteilen. Denn wo immer menschliche Entwicklung stattfindet, wird die Vergangenheit an den Normen der Gegenwart scheitern müssen.

Auch Oskar Schindler lernte, wie wir alle lernen dürfen

Was nebenbei gesagt, ja eh unstrittig und sogar von Links-Linken im Selbstdarstellungswahn anerkannt wird – zumindest, wenn’s um die Helden geht: Oskar Schindler beispielsweise war zunächst fanatischer Nationalsozialist, spionierte sogar für Hitler und profitierte als Unternehmer von Krieg und Zwangsarbeit. Erst mit der Zeit wuchs die Ablehnung gegen das Regime und die systematische Vernichtung von Menschen. Erst mit der Zeit wurde Schindler zum Helden, der unter Einsatz seines Lebens mehr als 1200 Zwangsarbeiterinnen un Zwangsarbeiter, Jüdinnen und Juden vor dem sicheren Tod bewahrte.

Erst mit der Zeit – die uns lernen, sehen, verstehen lässt. Den einen früher, den anderen später.
Heute wissen wir, kriegen es beigebracht. Heute ist es einfach. So wie jeder die Lottozahlen des Vortages nachlesen kann – das ist keine Hexerei, das schaffen die kleinsten Geister.
Beim Niederreißen, Beschmieren, Verzieren und Demontieren, also bitte auch die Umstände würdigen und sowas wie das Lebenswerk gegen einige Jahre des feigen, möglicherweise gierigen Mitläufertums abwägen. Soweit mein Argument – als kleine Lesehilfe für Empörte.

Eines noch

Sollte unter dem Druck eifriger Pseudo-Links-Twitterer dann aber doch der Entschluss fallen, beispielsweise Porsches Namen von rund 200 Metern Salzburger Asphalt zu nehmen, um der Gerechtigkeit Genüge zu tun – dann bitte aber auch gleich ein Fahrverbot für die Nazi-Autos. Weil, wo kämen wir da hin.

Gut, als Kompromiss könnte man noch anbieten, die paar hundert Millionen Schriftzüge abzukratzen und vielleicht durch dekorative Aufkleber mit dem Wörtchen „Schande“ zu ersetzen. Ich bin sicher, der Thomas Drozda zeigt‘s bei seinem 911er Targa gerne vor, weil ein ehemaliger SP-Kulturminister im Nazi-Wagen, das geht sich nicht aus. Oder doch? Twitter, fertig und los!

Mit nur 26 Jahren zieht Daniela Holzinger-Vogtenhuber erstmals in den Nationalrat ein. Bald als SPÖ-Rebellin bekannt, stellte sie sich mehrfach gegen den Klubzwang und trat letztlich erfolgreich für die Stärkung parlamentarischer Kontrollrechte ein. 2017 bricht sie endgültig mit ihrer ehemaligen Partei, kann ihr Mandat bei den vorgezogenen Neuwahlen jedoch behaupten. Diesmal parteiunabhängig über ein Ticket der Liste JETZT, wo sie zur „fleißigsten“ weiblichen Abgeordneten des Parlaments avancierte. Heute ist Holzinger-Vogtenhuber Seniorpartnerin einer Agentur für Politikberatung und leidenschaftliche eXXpress-Kolumnistin.