
Daniela Holzinger: Warum echte Frauenpolitik mehr als das Gendersternchen braucht
Die am Tisch liegenden Forderungen in der Frauenpolitik sind zwar wichtig, bleiben jedoch abstrakt. Wie fast eine halbe Million Menschen hat auch eXXpress-Kolumnistin Daniela Holzinger das Frauenvolksbegehren 2.0 unterschrieben und schreibt darüber, warum echte Frauenpolitik mehr als das Gendersternchen braucht.
Frauenpolitik ist wichtig – eh klar, drum macht‘s auch jeder. Die Parteien, die Volksbegehrer und sowieso alle, die gerne ein paar Wohlfühlpunkte abcashen wollen. Weil schaut man sich die am Tisch liegenden Forderungen an, so bleibt vieles abstrakt. Da geht’s um geschlechtersensible Ausbildung, die Durchsetzung der Frauenquote in Wirtschaft und Politik, eine kostenlose Bereitstellung von Verhütungsmitteln und vieles mehr. Alles wichtige Punkte, alles unterstützenswert und wie fast eine halbe Million Menschen hab‘s auch ich getan und das Frauenvolksbegehren 2.0 unterschrieben.
Begräbnis erster Klasse.
Selbst wenn das Ergebnis für gelernte Österreicher so vorhersehbar wie ernüchternd war: Nämlich nichts. „Keine einzige der Forderungen wurde bisher vom Parlament umgesetzt“, schreiben dazu die Initiatorinnen auf ihrer Website. KEINE EINZIGE. NULL. Immerhin gibt man sich kämpferisch und gelobt trotz dieses Begräbnisses erster Klasse „dranzubleiben“. Eh ok.
Was da aber noch kommen soll ist fraglich. Der einzige Pfeil im direkt-demokratischen Köcher des Souveräns wurde schon abgefeuert, traf auch mitten ins Ziel, war den „Volksvertretern“ aber leider trotzdem wurscht.
Denn, während unsere Verfassung die Mitbestimmung der BürgerInnen vorsieht, lässt das Konzept „Parteipolitik“ dafür wenig Platz – zumindest nicht dort wo‘s zählt, auf der Regierungsbank. Farbenspiel egal. Ob Blau oder Grün mitregieren, der Bürger, die Frau merkt da keinen Unterschied.
Ja und so ein Volksbegehren mit dem Ziel, endlich die Volksbegehren ernst zu nehmen, das wäre zwar lustig, aber geh bitte, wer soll sich für so eine No-Na-G‘schichte hergeben? Da könnte man gleich eines zu Antikorruption und Machtmissbrauch machen…
Frauenarmut per Gesetzbuch.
Aber egal, darum geht’s nicht. Darum geht’s nämlich wirklich nicht. Denn so nett auch all die ad acta gelegten Forderungen des Frauenvolksbegehrens sind und so gut ihre möglichst rasche Umsetzung wäre, gehen sie doch an struktureller, willkürlicher und politisch gewollter Frauendiskriminierung vorbei.
Und das hat auch einen Grund – hier geht’s nämlich ins Detail, wird kompliziert und wer‘s nicht versteht, den zieht der Finanzminister eben ratz-fatz über den Tisch. Binnen-I und Frauentag hin oder her.
Oder anders gesagt: Aktuell wird rd. 100.000 Müttern, 43 Millionen Euro pro Jahr (!) zu wenig an Pension ausbezahlt. Eine Zahl, die bis 2035, also dann, wenn die Pensionsreform voll greift, auf etwa 700.000 betroffene Frauen und die astronomische Summe von jährlich (!!) rd. 320 Mio. Euro ansteigen wird.
Geld, das den Frauen zusteht, ihnen aber per Gesetz vorenthalten wird. Geld, das die politisch vielbejammerte Altersarmut bei Frauen abfedern könnte, ihnen aber schlicht und ergreifend nicht ausbezahlt wird. Stellt sich die Frage wie denn das möglich ist?
Es ist kompliziert.
Das ist etwas kompliziert, aber eigentlich ganz einfach. Die Pensionsreform (Pensionsharmonisierungsgesetz 2004/05) legte fest, Müttern bis zu 48 Monate an Kindererziehungszeiten pro Kind zur Pension anzurechnen.
Was super ist, weil sich nachwuchsbedingte Unterbrechungen im Erwerbsleben natürlich negativ auf Karriere, Einkommen und damit auch auf die Pension auswirken. Klaro!
Das Problem dabei ist nur, dass man offensichtlich willkürlich auch festgelegt hat, überlappende Kindererziehungszeiten nur einmal anzurechnen. Und das (wichtig!) völlig unabhängig davon, ob die betroffene Mutter einer Erwerbstätigkeit nachgeht oder nicht und auch völlig unabhängig davon, wie lange die Mutter tatsächlich beim Kind zu Hause bleibt.
Scheinbar weil dem Gesetzgeber der Abstand nicht gefällt, in dem eine Frau ihre Kinder bekommen hat, werden Erziehungszeiten einfach gestrichen. Die volle Anrechnung gibt’s erst wenn zwischen den Geburten vier Jahre liegen. Eine Riesensauerei!
Christine kriegt 16.000€ weniger.
Konkret bekommt „Christine“ dadurch in 20 Pensionsjahren etwa 16.000€ weniger ausbezahlt als „Berta“ und das, obwohl beide 3 Kinder großgezogen haben. Auch waren beide 3 Jahre ihres Lebens in Karenz und haben 35 Jahre Vollzeit gearbeitet. Der einzige Unterschied: Berta hat ihre Kinder mit jeweils 4 Jahren Abstand bekommen, so wie es der Gesetzgeber wünscht (warum auch immer). Christine hingegen, wollte so wie viele Frauen in unserem Land nur zwei Jahre Abstand lassen. Pech für sie, denn das kostet. Völlig willkürlich, völlig irre, völlig frauenfeindlich, diskriminierend und alles. Aber gelebte Realität im Staate Österreich.
Da fällt einem das Gendersternchen aus der Krone.
Und weil das Ganze halt nicht so einfach zu verstehen ist, wie der Kampf ums Gendersternchen, Binnen-I oder die Doppelpunkt-Trennung und was es da noch alles an überschaubar sinnvollen Ideen gibt, kümmern die verlorenen Millionen niemanden.
Bis halt auf ein paar unermüdliche Frauenpolitikerinnen fast jeder Couleur. Ingrid Korosec (ÖVP), Anneliese Kitzmüller (FPÖ), Maria Buchmayer (Grüne) und Gabi Heinisch-Hosek (SPÖ) kämpfen dafür – aber leider auch innerhalb ihrer Parteien auf verlorenem Posten. Warum? Weil‘s die Leute nicht interessiert, weil politisch damit kein Stich zu machen ist. Wenn ihr mich fragt, wäre es an der Zeit das zu ändern, oder? Also: Her mit dem Zaster, her mit der Marie. Weil es den Müttern zusteht!
Mit nur 26 Jahren zieht Daniela Holzinger-Vogtenhuber erstmals in den Nationalrat ein. Bald als SPÖ-Rebellin bekannt, stellte sie sich mehrfach gegen den Klubzwang und trat letztlich erfolgreich für die Stärkung parlamentarischer Kontrollrechte ein. 2017 bricht sie endgültig mit ihrer ehemaligen Partei, kann ihr Mandat bei den vorgezogenen Neuwahlen jedoch behaupten. Diesmal parteiunabhängig über ein Ticket der Liste JETZT, wo sie zur „fleißigsten“ weiblichen Abgeordneten des Parlaments avancierte. Heute ist Holzinger-Vogtenhuber Seniorpartnerin einer Agentur für Politikberatung und leidenschaftliche eXXpress-Kolumnistin.
Kommentare
Danke für den Artikel!
Ich hätte so ein Frauenvolksbegehren nie unterschrieben!
Bei den niedrigeren Frauenpensionen ist zu berücksichtigen, dass diese im Schnitt ca. 10 Jahre länger bezogen werden als bei Männern – Frauen gehen früher in Pension und leben länger als Männer. In Wirklichkeit sind daher Männer diskriminiert, erst recht durch Frauenquoten und Wehrpflicht.
Nur scheinen Männer offenbar keine Lobby für deren Interessen zu haben und akzeptieren daher jede Art von Diskriminierung kommentarlos.
Wie der Name des Gesetzes sagt, ist es eine Abgeltung für Zeit, aber nicht eine Prämie für Produktion. Sonst müsste eine Mutter von Zwillingen den doppelten Betrag als die Mutter eines Kindes bekommen, obwohl beide Frauen gleich lange, nämlich vier Jahre zu Hause gewesen wären.
Beide Themen, Frauen-Volksbegehren und das Thema mit den Pensionen – werden provokant, aber sinnentstellt wiedergegeben.
Zum Frauenvolksbegehren: Das Volksbegehren mögen 500.000 Personen unterschrieben haben. Bei einer österreichischen Bevölkerung von rund 8 Mio., davon wahlberechtigt irgendwo um 6 Mio. herum bedeutet das, dass 5,5 Mio. wahlberechtigte Osterreicher(innen) bzw. – sollte kein einziger Mann unterschrieben haben – 2.5 Mio. ÖsterreicherINNEN (Endsilbe nicht gegendert) das Volksbegehren NICHT mit ihrer Unterschrift unterstützt haben.
Ich (ein alter weis(s)er Mann) habe mit meiner Frau den Text des Frauenvolksbegehrens gelesen und wir haben beide bewusst nicht unterschrieben.
Aus 500.000 Unterstützungserklärungen eine Anweisung ans Parlament zur zeitnahen Umsetzung der ideologisch verbohrten Forderungen zu konstruieren, ist schlicht abwegig.
Ein Volksbegehren kann lediglich die Behandlung (Diskussion) der Themen im Parlament verlangen, kann aber unabhängig vom Thema keine Umsetzung erzwingen.
Zu den Frauenpensionen: die 4 Jahre Anrechnung von Pensionsversicherungszeiten sind keine pauschalisierte Bezahlung fürs Kinderkriegen. Die pensionsrechtliche Abgeltung von Kindererziehungszeiten ist genau das, was der Name sagt, nämlich eine Abgeltung von Kindererziehungszeiten. Wenn eine Frau im Abstand von 2 Jahren zwei Kinder bekommt, dann werden insgesamt 6 Jahre angerechnet, wohl weil spätestens ab 4 Jahren die Kinder im Kindergarten sein müssen. Damit wird einer Frau, die Kinder in eben diesen Abstand bekommen hat und bis zum 4. Lebensjahr betreut hat, nichts weggenommen. Sie hat diese Zeit für die Kinderbetreuung aufgewendet, und bekommt daher diese abgegolten. Und wenn sie vor dem Ablauf der 4 Jahre arbeiten geht, dann eben die Zeit bis zum Wiedereinstieg in den Beruf.
PS: es soll auch schon Papas gegeben haben, die sich neben dem Beruf um Kinder kümmern. Und die auch nicht motzen, dass Ihnen dafür irgendwelche Sozialleistungen zustehen.
vollste Zustimmung!
Schlimmer ist bei Selbsständigen. Diese hatten früher keinen Anspruch auf Karrenz und die Kinderbetreuungszeit die angerechnet wird ist an den Bezug von Karrenzgeld gebunden. Somit erhält Frau nur 2 Jahre. Kaum ein Mann ist bereit auf “seine” 2 Jahre zu verzichten.
Erklären Sie mir bitte nochmal, warum es „völlig irre“ ist, überlappende Erziehungszeiten nicht doppelt anzurechnen? Frau kann ja zur gleichen Zeit nicht mehrfach wegen Kindern zu Hause bleiben.
Genau das habe ich mir auch gedacht!
Sehen Sie, genau das ist der Knackpunkt. Weil es so logisch klingt, wird dieser Anschlag gegen die Frauen einfach nicht verstanden.
Die Pensionszuschläge für Kindererziehungszeiten haben nämlich NICHTS DAMIT ZU TUN, WIE LANGE DIE FRAU BEIM KIND ZU HAUSE IST.
Beispiel: eine Frau die zwei Kinder im Abstand von zwei Jahren bekommt und sich in Summe 4 Jahre ausschließlich den Kindern widmet (Karenz), bekommt WENIGER KINDERERZIEHUNGSZEITEN ZUR PENSION ANGERECHNET (bei sonst gleichen Bedingungen) als eine Frau die ebenfalls zwei Kinder bekommt, jeweils aber nur 1 Jahr in Karenz geht, zwischen den Geburten aber 4 Jahre vergehen lässt.
ALSO: eine Frau die 2 Jahre in Karenz geht, bekommt MEHR Kindererziehungszeiten angerechnet, als eine Frau die 4 Jahre in Karenz ist.
Aber machen Sie sich keinen Vorwurf. Das kapiert niemand beim ersten Mal. Deshalb fällt es ja so leicht den Frauen dieses Geld vorzuenthalten. MfG NRAbg. a.D. Daniela Holzinger
Danke für die Erklärung. Ich habe aber nach wie vor Probleme mit der Logik. Die Frage ist wohl, ob man die Anrechnungszeiten als Prämie für die Kindererziehung (oder das Kinderkriegen) versteht oder als Ersatz für entgangene Arbeitsjahre. Wenn es letzteres ist, dann ist die derzeitige Regelung logisch. Das ist dann die gleiche Logik, wie wenn ein Selbstständiger eine Dienstreise unternimmt, bei der er für zwei Auftraggeber Arbeiten durchführt. Da kann er auch nur einmal das Taggeld steuerlich geltend machen.
Es ist tatsächlich soetwas wie eine Prämie für’s Kinderkriegen.
Pro Kind gibt’s = 48 Monate x 1.864,78 Eur (2019) als fiktiven Beitrag zur Pension. Das Geld wird Ihnen nicht ausbezahlt, aber es zählt für die Pension als hätten sie 48 Monate lang diesen Betrag verdient = pensionsbegründend und -erhöhend.
Diese 48 Monate bekommen Sie bei jedem Kind, egal ob sie arbeiten gehen und auch egal, wie lange sie beim Kind zu Hause sind.
MIT NUR EINER AUSNAHME:
Wenn der Abstand zum nächsten Kind geringer ist als 48 Monate, dann wird ganz einfach die “Prämie” für’s vorhergehende Kind gekürzt.
Vergehen 48 Monate zwischen den Geburten, dann nicht.
Das ist nicht nur ungerecht, sondern setzt auch falsche Anreize. Denn wer sozusagen die Kinderplanung relativ kompakt abschließt, kann auch früher Vollzeit in den Beruf zurück – weil die Kids dann nicht mehr ganz klein sind. Eigentlich ja was man haben möchte, die Politik bestraft aber genau das.
Mein Verdacht:
Weil man genau weiß, dass viele Familien sich dafür entscheiden weniger als vier Jahre zwischen den Kindern vergehen zu lassen, kann sich der Staat hier besagte Millionen ganz einfach sparen.
Ich glaube, man muss in die Beurteilung auch den Unterschied „anrechenbar auf den Anspruch (auf Pension)“ und „wirkt sich pensionserhöhend aus“ einbeziehen. Denn die Kindererziehungszeiten wirken bei denen, die in dieser Zeit nicht arbeiten, als Ersatz für Beitragszeiten. Damit wäre mE die „Pflicht“ im Sinne der Sicherung des Pensionsanspruches erfüllt. Als „Kür“ gibt’s für diejenigen, die in dieser Zeit erwerbstätig sind, eine Pensionserhöhung.
Welche Maßnahme wie als Anreiz wirkt, ist mE wieder eine andere Frage, die man natürlich auch diskutieren kann. Da ist mir als fehlgeleiteter Anreiz aber immer sauer aufgestoßen, dass eine Rückkehr in den Beruf in Teilzeit einen jahrelangen Kündigungsschutz auslöst, während der Kündigungsschutz bei Rückkehr in Vollzeit nur sehr kurz dauert! Wer da Vollzeit zurück kommt, begibt sich also eines riesen Vorteils (ich hab’s trotzdem gemacht, hätte mir als Alleinerzieherin Teilzeit nicht leisten können).
Ich versuche von Feministisch-Deutsch auf Österreichisch-Deitsch zu übersetzen:
Eine Unterschreibende des Frauenvolksbegehren 2.0 will für 24 Stunden Arbeitszeit (“Erziehungszeit”) 48 Stunden bezahlt haben.
Ich hoff, ich habs einigermaßen verständlich hinbekommen 😉
Haha…super, eine “Unterschreibende”… 🙂
S.g. Herr H.Rieser, nein, leider, Sie haben es NICHT verstanden. Aber Sie haben erneut die Chance nachzulesen. Ich habe es oberhalb in den Kommentaren erneut erläutert. MfG
Das Schöne an Intelligenz: Sie ermöglicht dir, Ironie zu verstehen. Das Blöde an Intelligenz: Du merkst, wie viele das nicht tun.
Der Logik von Fr. Holzinger folgend müsste es ja bei Zwillingen das Doppelte geben – wäre sonst ja wieder ungerecht.
Es ist und es war nie als Prämie pro Kind gedacht sondern soll den Verdienstentgang, der durch Kinderbetreuung entsteht in der Pension mindern.
Es gibt bei Mehrfachgeburten ja auch nicht mehrfaches Kinderbetreuungsgeld.
Gerecht wäre, Leuten die ihre Kinder nicht selbst betreuen und voll erwerbstätig sind, diese Kindererziehungszeiten nicht anzurechnen.
Der Sinn ist ja nicht zusätzliches Einkommen sondern Abgeltung des Einkommensverlustes!