Daniela Holzinger: Was die Impfpflicht mit dem freien Mandat zu tun hat?
183 Abgeordnete stehen im Zentrum unserer Demokratie. Sie diskutieren, streiten, erarbeiten Gesetzesinitiativen, stellen der Regierung Fragen und stimmen am Ende so ab, wie es ihre Parteien verlangen. Für eXXpress-Kolumnistin Daniela Holzinger Grund zur Sorge.
Von Dingen, die es eigentlich gar nicht gibt.
„Sachen gibt’s, die gibt’s gar nicht“ so wie die Geißel des Parlamentarismus, den Klubzwang. Laut Verfassung (Art. 56) ist es nämlich so, dass die Abgeordneten an keinen Auftrag gebunden sind und demnach über ein freies Mandat verfügen.
Warum? Weil das sonst keine Demokratie ist, sondern ein Puppentheater. Ganz einfach.
Da Demokratie aber allen sehr wichtig ist, hat man sich darauf verständigt, den täglichen parteipolitisch organisierten Verfassungsbruch ins ansehnlichere Mäntelchen einer „Klubdisziplin“ zu kleiden und jedem „freiwillig“ umzuhängen der vor hat, im hiesigen Politikbetrieb Karriere zu machen.
Wer es jedoch wagt, sich dieser „Disziplin“ zu widersetzen, der wird schnell merken, wie real Dinge werden können, die es eigentlich gar nicht gibt.
Einfache Fragen verdienen einfache Antworten.
Als man uns beispielsweise die Frage stellte, ob das Kärntner Hypo-Alpe-Adria-Desaster politischer Aufklärung unterzogen werden sollte, war für mich die Antwort klar: JA.
Ja, weil es nicht sein kann, dass man dem Steuerzahler bis zu 19 Mrd. Euro Verlust umhängt und dann so tut, als wäre nichts gewesen.
Und ja, weil spätestens bei dieser Dimension politisch motivierter Misswirtschaft auch die Klärung der politischen Verantwortung von zentraler Bedeutung war – eine Aufgabe die Gerichte allein nicht wahrnehmen können.
Heute wird das auch kaum jemand bestreiten wollen, damals aber hat‘s ein wenig anders ausgesehen:
In der Rot-Schwarzen Koalition lehnte man den Untersuchungsausschuss ab, flüchtete sich in Ausreden. Mutmaßlich auf Druck der ÖVP, die über ihren Kärntner Ableger selbst tief im Hypo-Sumpf steckte.
Die SPÖ wiederum spielte brav mit. Kritische Stimmen wurden ignoriert, Mails nicht beantwortet, Wortmeldungen ohne Reaktion übergangen. Bis kurz vor der entscheidenden Plenarsitzung, als unser Klubobmann via Radio erklärte, dass man sich „nach langen inhaltlichen Diskussionen“ schließlich darauf geeinigt hätte den Ausschuss abzulehnen. Schweren Herzens und mit einer Träne im Knopfloch.
Da ich die Vorgeschichte kannte, hatte ich da kurz das Gefühl im falschen Film zu sein, de facto gab es keine Diskussion. Null. Kein Wort. Zumindest nicht bei den Sitzungen, an denen wir Abgeordnete teilnehmen konnten.
Der Druck steigt
Aber klar dachte ich mir, so machen sie das. So erhöhen sie den Druck, spielen dich gegen deine eigenen Leute aus. Denn jetzt haben’s alle gehört: Du hast sie schon verraten. Warum also noch kämpfen?
Darum! Weil sich endlich etwas ändern muss – sagte ich mir! Weil Demokratie dazu da ist den Bürgerinnen und Bürgern eine Stimme zu geben. Und weil diese Demokratie keine Zukunft hat, wenn sich kritische Stimmen einschüchtern oder den Hals mit Steuergeldern derartig vollstopfen lassen, dass man sie kaum noch hört.
Ich blieb standhaft, legte meine Position erneut dar und wurde wieder ignoriert – bis zum Tag der Abstimmung.
Dann waren sie plötzlich da, die großen Namen, einer nach dem Anderen. Ich solle bloß keinen „Fehler“ machen, warnten sie mich, dem Rest des Klubs nicht „in den Rücken fallen“, lieber meine Karriere im Auge behalten…
Das Parlament zur Seifenoper verkitscht, dachte ich mir. Ein 19 Mrd.-Skandal aufgewogen mit verletzten Gefühlen einiger hochbezahlter und hochprivilegierter Abgeordneter. Nein. Das war eindeutig zu spät. Einfache Fragen hatten einfache Antworten verdient.
Der Klub-Terror
Doch was dann folgte war alles andere als einfach. In aller Eile wurde eine „Klubstehung“ einberufen, also eine Sitzung im Stehen, weil nur ganz schnell halt. Ich in der Mitte, etwa 50 Menschen rundherum und dann ging‘s auch schon los: „Du kotzt uns an!“, „Egoistin, willst dich nur profilieren“, „Drängst dich in den Vordergrund“, „So eine wie dich brauchen wird nicht…“ prasselte es von allen Seiten auf mich ein. Besonders jene die bei politischen Diskussionen meist durch Schweigen oder gar Abwesenheit glänzten, liefen da zur Hochform auf. Aber auch jetzt wollten sie nicht diskutieren, sie wollten nur schreien, schimpfen, mich fertig machen, mich d i s z i p l i n i e r e n.
Tatsächlich aber war das kein Klub-Zwang, das war Klub-Terror. Und für mich persönlich, das Ende der Sozialdemokratie als historische Bewegung.
Der Muchitsch hat‘s getan
Ich war deshalb einigermaßen überrascht, dass jetzt sogar ein rotes Schwergewicht ausschert. Gewerkschafter Josef Muchitsch blieb als Einziger sitzen, als der Rest des Roten Klubs für die Impfpflicht aufstand. Bei einem Gesetz, das noch vor 6 Monaten absolut richtig gewesen, jetzt aber ganz einfach too little, too late war und ohne jemals Wirkung entfaltet zu haben, als nutzlos wieder ausgesetzt wird.
Muchitsch hat demnach also absolut richtig gehandelt und diese, seine bisher „schwierigste politische Entscheidung“ wie er schreibt, außerordentlich gut begründet. Genauso übrigens wie NEOS-Gesundheitssprecher Gerald Loacker und einige weitere Oppositionspolitiker.
Man stelle sich jetzt mal kurz vor, wo unser Land stünde, wenn das Parlament voll mit solchen Menschen wäre. Abgeordnete, die in der Lage sind ihr Handeln zu begründen und für Überzeugungen einstehen – anstatt sich hinter ihren Parteien zu verstecken….
Mit nur 26 Jahren zieht Daniela Holzinger-Vogtenhuber erstmals in den Nationalrat ein. Bald als SPÖ-Rebellin bekannt, stellte sie sich mehrfach gegen den Klubzwang und trat letztlich erfolgreich für die Stärkung parlamentarischer Kontrollrechte ein. 2017 bricht sie endgültig mit ihrer ehemaligen Partei, kann ihr Mandat bei den vorgezogenen Neuwahlen jedoch behaupten. Diesmal parteiunabhängig über ein Ticket der Liste JETZT, wo sie zur „fleißigsten“ weiblichen Abgeordneten des Parlaments avancierte. Heute ist Holzinger-Vogtenhuber Seniorpartnerin einer Agentur für Politikberatung und leidenschaftliche eXXpress-Kolumnistin.
Kommentare
ungern lobe ich linke Politiker, aber da muß ich vor Muchitsch, Loacker und all denen, die hier nach ihrem Gewissen und nicht nach vorgegebenen (falschen) Linien abgstimmt haben den Hut ziehen!
Schande über alle die sich wissentlich diesem Wahnsinn angeschlossen haben und hörig Verrat am österreichischen Volk begangen haben!
Ich sehe das absolut gleich: sich einen Fehler einzugestehen zeugt von sehr starkem Charakter, und ich wäre absolut dafür dass Loacker Parteiobmann der NEOS werden sollte, auch wenn ich diese Partei so oder so nicht wählen würde.
“…und einige weitere Oppositionspolitiker” Dass die gesamte FPÖ gegen die Impfpflicht kämpft, bringt die Sozialistin nicht über ihre Tasten. Sagt sehr viel über den Charakter und auch über ihre Qualität als Koluminstin aus.
Zustimmung, bis auf einen Satz: “Bei einem Gesetz, das noch vor 6 Monaten absolut richtig gewesen…”
NEIN, dieser Impfzwang ist niemals richtig gewesen und er wird es auch niemals richtig sein! Es ist eine Mißachtung der Grund- und Freiheitsrechte, völlig sinnlos, faktenfrei und nicht argumentierbar!
Die Ausübung “Freier Mandate” würde jede Partei, jedes Parlament sofort ins Chaos stürzen, wäre der Demokratie, dem Parlamentarismus sogar abträglich. Klubzwang sicher nur die Durchsetzung programmatischer Linien, die im Parteiprogramm zu finden sind. Abgeordnete sollten sich dieser Linie anschließen ODER die Partei wechseln, od. eine Neue gründen !
Was in AUT schief läuft : die finanz.Unabhängigkeit der Abgeordneten ist leider KEINE unabdingbare Voraussetzung (wie früher) . Die Bildung ist wichtig, aber eher nachrangig. Wichtig sind echte, ehrliche Beziehungen zum Wahlvolk, zur Region, die vertreten wird. Die Anzahl der Abgeordneten ist radikal zu kürzen . Die Bünde und Sub-Organisationen detto !! Ebenso ist das Einkommen,die Diäten,die Pensionsansprüche, die sonst.Vergünstigungen vom Rechnungshof NEU zu erarbeiten !
Der Steuerzahler muss wieder das Gefühl haben, wirklich vertreten zu werden, und das mit Herz und Verstand !! 🙂
Die Parlamentarier die den Mum hatten, gegen dieses unselige Gesetz zur Impfpflicht zu stimmen, haben meine Hochachtung.
Es ist noch nicht so lange her, da mussten die (neugewählten) NR abgeordneten eine blanko-Mandatverzichtserklärung unterschreiben, die je nach Anlass zur Disziplinierung verwendet wurde. Und zwar bei allen Parlamentsparteien . (so wie die “Parteisteuer” von allen Abgeordneten – in unterschiedlicher Höhe – eingefordert wird. Und dies gilt auch für Funktionen, die durch Parteientschluss besetzte werden. Nur in Vorarlberg gab es einen “Widersacher” aus der SPÖ , der sich weigerte die Parteisteuer abzuliefern: er sei wegen seiner Qualifikation und nicht wegen der SPÖ Zugehörigkeit bestellt worden. Er löste damit zumindest eine gehörigen Lacherfolg aus).
Das ist systembedingt. Wir wählen Listen und nicht einzelne Angeordnete in einzelnen Wahlkreisen. Darum erwarten die Wähler von xPÖ, dass alle xPÖler gleich abstimmen. Bonus des Listensystems ist, dass alle größeren Gruppen im Parlament sind, Malus die schwierigere Regierungsbildung. Hätten wir vor Jahrzehnten gewechselt, dann hätten wir ÖVP vs SPÖ, in manchen Bundesländern käme ein Roter nie in den Nationalrat, in Wien kaum ein Türkiser, und die Hälfte der Wähler würde sich nicht vertreten fühlen …
Die geübte Praxis des Klubzwangs widerspricht der Verfassung, aber wo kein Kläger da kein Richter. Letztlich würden all erklären, dass sie sich in der Ausübung des Freien Mandates freiwillig „zusammengeschlossen“ haben?
Für Rote äußerster Heldenmut, für Blaue ganz normal.
Loaker dagegen und Wiederkehr? Das sind die wahren Gesichter der NEOS, Hauptsache am Futtertrog sitzen.
➡️ Klubzwang bedeutet, wer herrschen will, muss gehorchen!
Dieser Artikel ist zwar gut gemeint, aber völlig absurd und daneben. Abgesehen davon, dass das Impfpflichtgesetz auch vor 6 Monaten nicht „absolut richtig“ gewesen wäre, sondern ein absoluter Schwachsinn, geht die Verfasserin überhaupt nicht auf die grundsätzliche Problematik ein, die ihre Kritik aufwirft: Ein „freies Mandat“ ohne „Klubzwang“ macht ein Land schlichtweg unregierbar. Wenn sich eine Regierung nicht einmal sicher sein kann, dass die eigenen Abgeordneten den Gesetzen und Beschlüssen zustimmen, herrscht ewiges Chaos. Ein Kubzwang ist daher – in der Regel – oberstes Gebot (in jedem Land der Welt!), sonst funktioniert das System nicht, und die Verfasserin der Artikels sollte das wissen, zumal sie auch keine Alternative zu nennen vermag, sondern nur Allgemeines in den Raum stellt. Frau Holzinger mag zwar mit sehr viel Idealismus und Euphorie in die Politik gegangen sein, aber letztlich hat sie nicht begriffen, worum es geht…
Ich widerspreche energisch! Wenn es den Klubzwang systembedingt braucht, warum leisten wir uns dann 183 teure Abgeordnete fürs Händchen heben? Da würde es doch völlig ausreichend sein, das Hohe Haus auf eine Versammlung der Klubobleute zu reduzieren….
Aber weil Sie auch nach der Alternative fragen, die liegt auf der Hand: Im Kreise jener, die es betrifft (dem Klub) ist insbesondere bei entscheidenden Weichenstellungen eine offene und umfassende Debatte zu führen, an deren Ende sehr wahrscheinlich eine gemeinsame und gut argumentierte Entscheidung stünde. Eine die dem Willen des Volkes wesentlich besser entspricht, als ein Regierungs- und oder Parteiendiktat…
Aber ich weiß, Demokratie ist für viele nach wie vor ein Schreckgespenst…
Sie finden es also absolut ok., wenn der Chef befiehlt, dass alle vom 10. Stock in die Tiefe zu springen haben? Sie würden also mitspringen. Sind sie ein echter Sozi?
Ich bin überzeugter Demokrat! Ebenso überzeugt bin ich, dass Systeme und Beschlüsse funktionieren müssen. Ein Gesetz ist wertlos, wenn es nicht umgesetzt werden kann, und ein Beschluss ist sinnlos, wenn er nicht befolgt wird. Ich verstehe, wenn Sie sagen, vor Entscheidungen soll eine umfassende Debatte geführt werden (ich ging davon aus, dass eher die Regel ist), aber letztlich treffen immer nur ein paar Wenige diese Entscheidung, und der Rest ist Klubzwang, ob man es nun so nennen möchte oder nicht Beim Exxpress und auch in diesem Forum wird sehr häufig die Meinung vertreten, dass ein Staat „wie ein Unternehmen zu führen sei“. Dazu gehört dann aber auch, dass Entscheidungen großteils der Führung vorbehalten sind, mit Gehorsam hat das nichts zu tun. Das viel größere Problem sehe ich darin, dass sich „schlechte Politiker“ keine Sorgen wegen ihrer „schlechten Politik“ machen müssen. Sanktioniert wird nur Fehlverhalten, aber nicht fatale Entscheidungen. Hier müsste man ansetzen, wenn man eine neue, bessere Politik möchte.
Klubzwang bedeutet Abkehr von der Demokratie! Müsste eigentlich jedem einleuchten.
Im Parlament und als Abgeordneter für das Volk arbeiten – wer ist denn so Navi das zu erwarten – es geht doch nur um die Partei. Gepackelt wird in den Ausschüssen, die Abgeordneten haben betr. Zustimmung auf geheiß des Clubobmannes die Hand zu heben, bzw. aufzustehen, oder als wider Abgeordneter in der letzten Reihe platz zu nehmen.
Verd… Automatik: wilder Abgeordneter!!!
Solange im Parlament weisungsgebundene Beamten sitzen (Klubzwang) , sollte man tunlichst vermeiden, in Österreich von einer Demokratie zu sprechen. 🤔
Unser nächster Bundespräsident;-) Gerald Grosz hat es gut beschrieben. Das Hirn wird beim Parlamentsportier abgegeben. Und die Leute, die im Parlament sitzen hätten am freien Markt keine – wirklich keine – Chance. Deren einzige Stärke ist die Intrige gegen alles was einen hindert, dass man weiterhin am Steuerzahler-Futtertrog weiter naschen kann. Und wenn das Volk daran glauben muss, ja sei’s drum!
Danke für ihren gewährten Einblick !
Danke für Ihren ehrlichen Beitrag.
Wie war das bei der Liste Jetzt. Bohrn Mena hat kürzlich in einem Duell auf oe24 (es ist schwer auszuhalten) gesagt, dass er über das Erlebte nicht sprechen darf vielleicht einmal in ein paar Jahren.
Es wäre interessant von Ihnen zu hören wie das mit der freien Meinungsäußerung unter P. Pilz war. P- Pilz, der sich als großer Aufdecker feiern lässt und dafür illegal erstandene Chats veröffentlicht. Was war der Preis? Wirklich nur ein hand shake – das glaubt doch keiner!!
Frau Holzinger besinnt sich auf Ihre Wurzeln 😉 wenn man nur SPÖ kann, kann man nur SPÖ!! Das die erfolgreiche
MITTELSCHICHT Bürgertum abgeschafft
wird ist die erfolgreiche Arbeit von
vielen Jahren SPÖ Regierung!! Der erfolgreiche (fleißige und nützliche verantwortungsvolle) Staatsbürger
der für Wohlstand und Sicherheit im
Staat gerade steht!! Soll durch den Multikuli Mulisex Besitzlosen Sozal Schmarotzer ersetzt werden!!