Ob Zypern, Russland, Weißrussland oder Nord-Mazedonien – einen Song Contest ohne Skandale gibt’s nicht. Diese vier Nationen machten dieses Jahr besonders von sich reden.

Zypern: Der zypriotische Beitrag löste Aufruhr unter den orthodoxen Christen im Land aus, da das Lied den Teufel besinge. 16.000 Menschen unterschrieben eine Petition gegen diesen Song als Beitrag Zyperns. Unbekannte drohten überhaupt damit, die Zentrale des zypriotischen Staatsfernsehens in Brand zu setzen. Im Zuge der Proteste wurde ein Mann verhaftet, dem es gelang die Zentrale des staatlichen Fernsehens zu stürmen. All das nützte jedoch nichts. Der zypriotische Präsident schaltete sich ein, erklärte der Beitrag werde nicht zurückgezogen und verwies dabei auf die künstlerische Freiheit.

Russland: Auch die Sängerin des russischen Beitrages sah sich enormer Kritik aus dem eigenen Land ausgesetzt. Nicht nur die tadschikische Herkunft der Sängerin wurde kritisiert, auch dass der Beitrag zu wenig „russisch“ sei. Zugleich wurde von anderer Seite wiederum bemängelt, die gesangliche Interpretation rein auf Russisch, schmälere die Chancen Russlands auf einen Sieg. Dazu muss man vielleicht wissen, dass Russland jährlich Unsummen in seinen Eurovisions-Beitrag investiert, der als nationale Angelegenheit gesehen wird. Denn was für viele neu und bisher unbekannt sein dürfte: Jeder Special-Effect, von Feuersalven über Glitzerregen bis hin zur berühmt-berüchtigten Windmaschine, muss vom jeweiligen Teilnehmerland eigens angefordert und selbst bezahlt werden! Nicht zuletzt war der Beitrag wegen dessen feministischer Botschaft heftigen Angriffen ausgesetzt. „Manziha“, so der Name der Interpretin, wird aber trotz Morddrohungen für Russland in Rotterdam an den Start gehen.

Weißrussland: Ein monatelanges Tauziehen zwischen der für den Song Contest zuständigen EBU und der politischen Führung Weissrusslands endete mit einer offiziellen Disqualifikation Weissrusslands. Hintergrund des Konfliktes: Weissrussland wollte partout nicht zur Kenntnis nehmen, dass politische Inhalte oder Botschaften bei einem Eurovisions-Beitrag nicht erlaubt sind.

Nord-Mazedonien: Das gedrehte Musikvideo in der nordmazedonischen Staatsgalerie sorgte für helle Aufregung, zeigt es doch ein Kunstwerk, das an die bulgarischen Landesfarben erinnert. Dies zusammen mit einem aufgetauchten Video des heurigen Interpreten „Vasil“, in dem er über seine bulgarischen Wurzeln sprach, reichte aus, um einen heftigen Shitstorm auszulösen. Das nordmazedonische Fernsehen überarbeitete auf Grund des öffentlichen Drucks das Musikvideo zum nordmazedonischen Beitrag und veröffentlichte es neu – diesmal ohne das umstrittene Kunstwerk zu zeigen. Der Forderung via Petitionen nach einem Rückziehen des Beitrages von „Vasil“ und heftige mediale Angriffe, wonach „Vasil“ bereits vom nordmazedonischen Staatsschutz wegen pro-bulgarischer Propaganda befragt worden sei, änderten an der Entscheidung der staatlichen TV-Anstalt Nord-Mazedoniens (MRT) nichts. „Vasil“ wird Nord-Mazedonien vertreten, mit dem ausgewählten Beitrag „Her i stand“.

Diese Beispiele führen uns vor Augen, der Eurovision Song Contest ist als größte, erfolgreichste und älteste TV-Musik-Show der Welt mit rund 300 Millionen Zusehern, nicht nur irgendeine musikalische Unterhaltungsshow, sondern in vielerlei Hinsicht auch eine verdammt ernste, mitunter politische Angelegenheit. Denn vergessen wir nicht, der Eurovision Song Contest wurde aus politischen Motiven heraus ins Leben gerufen. Nur 11 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges und nur ein Jahr, nachdem Österreich seinen Staatsvertrag erhalten hatte (1955), fand der erste Eurovision Song Contest im Jahr 1956 in der – nun wird auch klar warum – neutralen Schweiz statt. Das politische Motiv dahinter: Das durch den Zweiten Weltkrieg geteilte, zerbombte und verfeindete Europa wenigstens einen Abend lang in Frieden und Freude zu vereinen. Durch die Kraft der Musik. Durch den Eurovision Song Contest. Dass er ein derartiger Erfolg wird, dieses Jahr bereits zum 65. Male stattfindet und live im TV in ganz Europa und darüber hinaus ausgestrahlt wird, damit haben selbst seine Erfinder nie gerechnet. Aus Sicht von heute durchaus damit zu rechnen war, dass Österreich gleich bei seinem ersten Antreten (Titel unseres Beitrages damals, nein, kein Scherz: „Wohin, kleines Pony?) am letzten Platz landen sollte. Letzter Platz und Eurovision Song Contest gehören für Österreich seitdem schon fast so fest zusammen wie ein Paar Sacherwürstel. Von „Anita“ („Einfach weg“, 1984), über „Wilfried“ („Lisa, Mona Lisa“, 1988) bis Thomas Forstner („Venedig im Regen“, 1991). Da wundert es selbst nicht, dass sogar einer wie Udo Jürgens ganze drei Anläufe hintereinander brauchte, um einmal den Eurovision Song Contest zu gewinnen. (1964, „Warum nur, warum?“; 1965, „Sag ihr, ich lass sie grüßen“ und 1966, „Merci Cherie“). Wo Vincent Bueno sich wohl in der Liste der österreichischen Song Contest-Teilnahmen einreihen wird? Man darf gespannt sein. Amen.

Unser Song Contest-Experte Stefan Petzner (40) war Pressesprecher Jörg Haiders, Generalsekretär und stellvertretender sowie geschäftsführender Bundesobmann des BZÖ. Von 2008 bis 2013 vertrat er seine Partei als Abgeordneter und stellvertretender Klubobmann im Nationalrat. Danach machte sich Petzner als Kommunikations- und PR-Berater selbstständig. Petzner gilt als Kenner und Experte des Eurovision Song Contest und veröffentlicht dazu regelmäßig Berichte, die eine Vorschau auf den kommenden Song Contest bieten und vor allem auch eine Liste der Favoriten auf Basis Petzners Expertise beinhalten. 2021 ist es der eXXpress, in dem Petzner seine Vorschau auf den Eurovision Song Contest 2021 veröffentlicht und eine Vorstellung der Favoriten für den Sieg vornimmt.