Heinzlmaier: Der postheroische Mann in der Politik
Interessant ist, dass vor allem das sogenannte starke Geschlecht immer häufiger die Kontrolle über seine Emotionen verliert. Politiker- und Managerinnen sind weitaus taffer, resilienter, durchsetzungsfähiger und sie sind Persönlichkeiten und keine Kunstfiguren. Angetrieben von Überzeugung und Gestaltungswillen, werfen sie auch nicht frühzeitig die Nerven weg, bleiben gefasst und gelassen, selbst wenn ihnen der Gegenwind scharf ins Gesicht bläst, beobachtet eXXpress-Kolumnist Bernhard Heinzlmaier.
Seit geraumer Zeit wird in der österreichischen Innenpolitik viel geweint. Das Original des tränenreichen Zusammenbruchs vor laufenden Kameras ist Stefan Petzner, der nach der tödlichen Promille-Amokfahrt seines Ziehvaters Jörg Haider ein Interview gab, bei dem er förmlich im eigenen Augenwasser ertrank.
In seine Fußstapfen trat Jahre später Heinz-Christian Strache, der, nachdem er mit Hilfe einer schändlichen Medienaktion auf Ibiza als Vizekanzler abgeschossen worden war, bei seiner Abschiedspressekonferenz die Emotionen nicht mehr kontrollieren konnte und in Tränen zerfloss. Dazu läuft übrigens noch immer ein parlamentarisches Kasperltheater, das sich „Ibiza-Untersuchungsausschuss“ nennt, aber eigentlich nur mehr dafür verwendet wird, um eine unschöne, vor allem aber völlig unpolitische Treibjagd gegen den Bundeskanzler und sein Umfeld zu veranstalten, bei der es nur mehr um die persönliche Diskreditierung eines überlegenen politischen Gegners geht. Politisch hat man den Türkisen offenbar nichts entgegenzusetzen.
Gewesslers Tränen waren berechtigt
„Beidl-Gate“, eine Aktion, von einem PR-Rambo kreiert, der in der Politikberater-Szene hinter vorgehaltener Hand als „der Mann fürs Grobe“ bezeichnet wird, war der vorläufige Höhepunkt der Geschmacklosigkeit eines politischen Treibens, bei dem vor allem die Ausschussmitglieder der Neos und der SPÖ nicht begriffen zu haben scheinen, dass das Wort Stil nicht den Holzgriff am Bartwisch bezeichnet, sondern zivilisiertes zwischenmenschliches Betragen meint.
Geweint hat auch Rudolf Anschober bei seiner Abschiedspressekonferenz als Gesundheitsminister. Hinter den Fassaden der Türkis-Grünen Regierung, so berichten Auguren, war er selbst einer der wenigen, die diesen Abgang betrauerten.
Interessant ist, dass vor allem das sogenannte starke Geschlecht immer häufiger die Kontrolle über seine Emotionen verliert. Die letzte Frau, der vor der Kamera die Tränen kamen, war Leonore Gewessler, aber bei ihr war der Anlass, die immer brutaler und zahlreicher werdenden Frauenmorde, tatsächlich zum Heulen.
Die Männer der Politik sind keine Helden mehr
Es stellt sich die Frage, warum heult der Mann, und zwar öffentlich? Warum hatte selbst ein mit allen Wassern gewaschener europäischer Spitzenmanager wie Christian Kern Tränen in den Augen, als er als SPÖ-Vorsitzender abging? Das große Werk, das er nicht mehr weiterführen konnte und der Verlust der Gemeinschaft der gleichgesonnenen Idealisten, kann es wohl nicht gewesen sein, denn weder existiert in der Gegenwartspolitik das epochale Werk, noch gibt es Gemeinschaftlichkeit in einer politischen Partei, im Gegenteil, dort wird eher die Kultur des Computerspiels „Assassins Creed“ gepflogen.
Der wahre Grund der Weinerlichkeit ist, dass die Männer der Politik keine Helden mehr sind, wie es vielleicht Bruno Kreisky, Olaf Palme, Helmut Kohl oder Hans-Dietrich Genscher waren, die ihr gesamtes authentisches Ich aus Überzeugung und der Sache wegen in die Waagschalen der Politik geworfen haben und dabei auch das kapitale Scheitern riskierten. Die heute agierenden Postheroen sind ganz anders gestrickt. Im Gegensatz zu den alten Haudegen sind sie keine Helden, sondern lediglich Heldendarsteller. Genauso wenig am Theater der Mime König Lear ist, sind die Manager und Politiker der Gegenwart echte Manager und Politiker. Sie sind Darsteller, die eine Rolle spielen und die narzisstisch gekränkt sind, wenn ihnen das Publikum nicht mehr applaudiert oder sie sogar auspfeift. Deswegen das pathetische heulende Elend beim Abgang. Es ist die letzte große Inszenierung eines narzisstischen Selbst, bevor es in der Versenkung verschwindet, das Selbstmitleid des gekränkten Operetten-Buffos, den das Publikum nicht mehr lustig und unterhaltsam findet.
Auch Ludwig biss sich an Rendi-Wagner die Zähne aus
Den Willen zur Macht, den die Männer verloren haben, haben die Frauen gefunden. Politiker- und Managerinnen sind weitaus taffer, resilienter, durchsetzungsfähiger und sie sind Persönlichkeiten und keine Kunstfiguren. Angetrieben von Überzeugung und Gestaltungswillen, werfen sie auch nicht frühzeitig die Nerven weg, bleiben gefasst und gelassen, selbst wenn ihnen der Gegenwind scharf ins Gesicht bläst.
Bestes Beispiel dafür ist Angela Merkel. Sie hat alle ihre männlichen Kontrahenten taktisch über den Tisch gezogen und ausgesessen. Übrig geblieben ist eine Ansammlung von Hampelmännern, von denen nun einer, Armin Laschet, mit ihrer Erlaubnis ihr Nachfolger sein darf. Wieder ein falscher Mann mehr am falschen Platz. Oder Sarah Wagenknecht, wohl eine der letzten Intellektuellen in der Parteipolitik, die sich niemals öffentlich als heulendes Opferbündel präsentiert, selbst wenn sie gerade aus dem Burnout kommt. Und genau betrachtet, ist auch Pamela Rendi-Wagner eine der neuen starken Frauen. Sie hat den Angriff der West-Achse, den Zusammenschluss der Blinden unter den Einäugigen in der SPÖ und die Attacke des mächtigen niederösterreichischen Vorsitzenden Franz Schnabl überlebt, der einen seiner Nationalräte verkünden ließ, dass nun das Ende der ersten Frau an der Spitze der SPÖ gekommen wäre. Was dann folgte, war nichts. Rendi-Wagner stellte den Mann kalt, bevor dieser seinen Feldzug überhaupt richtig beginnen konnte. Und auch Michael Ludwig, der die überfallsartig angekündigte Mitgliederbefragung der Bundespartei nicht wollte, mit der sich die Parteichefin bis ans Ende aller Tage an der Parteispitze einzementierte, biss sich an ihr die Zähne aus. Er soll in seinem Büro im Rathaus getobt haben. Mehr aber auch nicht. Rendi-Wagner hat zweifellos den Willen zur Macht, ist nervenstark und nahezu schmerzbefreit. Könnte sie auch eine Partei führen und hätte sie politische Kompetenz, wäre sie eine Idealbesetzung.
Der Jugendforscher und eXXpress-Kolumnist Bernhard Heinzlmaier untersucht seit mehr als zwei Jahrzehnten die Lebenswelt der Jugend und ihr Freizeitverhalten. Er kennt die Trends, vom Ende der Ich-AG bis zum neuen Hedonismus und Körperkult, bis zu Zukunftsängsten im Schatten von Digitalisierung und Lockdown. Heinzlmaier ist Mitbegründer und ehrenamtlicher Vorsitzender des Instituts für Jugendkulturforschung. Hauptberuflich leitet er das Marktforschungsunternehmen tfactory in Hamburg.
Kommentare
Franz Josef Strauß lacht gerade über unsere “Politiker” und schmunzelt zustimmend und vergnüglich über den Kommentar von Herrn Heinzlmaier.
Kleine Off-topic-Bemerkung: Die im Artikel verwendete Bezeichnung “PR-Rambo” ist viel zu seriös. Ich würde diesen “Herrn” ganz anders charakterisieren. 🙂
Also was sich leider durchgesetzt hat in Europa ist diese Angst vor einer starken Führungsperson in der Politik.
Dabei währe mal für eine Periode so jemand gar nicht schlecht.
Speziell in der EU Führung hatten wir bisher nur skurrile Charaktere von Barosso, van Rompuy bis Juncker und jetzt weil es Zeit ist mal eine Frau weil sie in ihrer vorherigen Funktion fleißig Waffen exportierte wohin die USA es ihr befahl.
Richtige Persönlichkeiten mit Visionen die straff an Zielen arbeiten gibt es nirgends mehr.
Und Putin schaut halt auch nur auf sich wenn es stimmt dass er der geheime reichste Mann der Welt ist.
Ich war nie für einen starken Führer/Führerin. Aber derzeit läuft doch alles nach einem zentral ausgegebenen Kommando. Sowohl Klima als auch Corona und in der EU ungebremste Zuwanderung. Wieviel straffer könnte man das den noch machen?
“Alles, was wir brauchen ist die richtige, allumfassende Krise und die Nationen werden in die Neue Weltordnung einwilligen.” hat David Rockefeller gesagt. Der Teil mit der allumfassenden Krise dürfte schon bald erledigt sein.
Es ist nicht fair, denen zu unterstellen, zu lasch zu sein.
Das sehe ich weitestgehend nicht so. Starke Menschen – das sollen tendenziell Männer sein – unterscheiden sich von schwachen dadurch, dass sie in schwierigen, auch aussichtslosen Situationen nicht die Nerven verlieren, sondern – ganz im Gegenteil – immer stärker konzentriert daran arbeiten, die Situation zu lösen. Und eben nicht durch Herumjammern die Lösung durch andere suchen.
Um den Verlust eines geliebten Menschen zu weinen, oder weil es einem leid tut jemandem weh getan zu haben, den man liebt, ist keine Schwäche, das ist normal.
Rendi-Wagner erscheint mir eher als aufdringliche Person, die die Partei immer tiefer in den Abgrund reitet, ohne das wahrhaben zu wollen. Vielleicht gibt es aber niemand besseren als sie dort.
Die meisten Leute in der Politik machen auf mich keinen kompetenten und auch keinen authentischen Eindruck. Aber da eher hauptsächlich die Frauen.
Merkel hat ganz offensichtlich starke Gruppen hinter sich, die sie gewähren lassen. Sie richtet Deutschland zugrunde und das findet große Sympathien in Deutschland und weltweit sowieso.
Die heutigen Volksvertreter sind größtenteils charismalose und kompetentlose Figuren, austauschbar wie ein Gebrauchsgegenstand vom Baumarkt.
Kurz ist da nur eine Ausnahme ohne dem die ÖVP so zwischen 22 und 25% herumdümpeln würde. Deshalb muss Kurz auch weg …
Und was Frauen in der Politik anbelangt, niemand mag goscherte Frauen die alles was ihnen zu einer Respektsperson fehlt, mit ihrem Mundwerk kompensieren wollen.
Übrigens, im Gegensatz zu Charisma ist Rhetorik ist eine Kunst, die man durchaus auch erlernen kann …
Am besten man belegt einen Kurs bei Nehammer um die richtige Rhetorik zu erlernen. Wo ist Kurz die Ausnahme? Bei dem sehe ich auch keine Kompetenzen oder Charisma. Für mich ist er ein reiner Blender.
Ein interessanter Kommentar, der nur eine Kleinigkeit übergeht.
Sebastian Kurz ist wesentlich härter als alle seine Gegner zusammen, und das macht diese fast wahnsinnig. Sie missbrauchen einen Untersuchungsausschuss, um den Härtesten der Harten zu Fall zu bringen, aber sie können es nicht mangels intellektueller Substanz. Mehrere Medien, allen voran der längst grindig gewordene Staatssender, ein profilloses Politmagazin, das nur noch ein Schatten vergangener Größe ist und ein halblustiges und linkshinkendes Veranstaltungsblattl, das am Tropf der Wiener Sozis vulgo Steuerzahler hängt, sie alle werfen schmutzige Schneebälle und ranzige Torten auf den Bundeskanzler und kommen damit nicht vom Fleck, kommen sich aber irrsinnig gut vor bei diesem Schmierentheater. Mitleid mit dieser verhungerten Truppe? Net wirklich, Oida!
Ich schaue keine ORF-Nachrichten mehr, lese kein profil und keinen Falter, und bin deshalb bestens (weil objektiv) informiert.😁
Frauen in der Politik und im Management werden von den überwiegend rot-grünen Journalistinnen, wohl auch aus weiblicher Solidarität, viel zahmer behandelt als Männer und es wird den Frauen auch bereitwillig eine Plattform zur Selbstdarstellung geboten. Die Frauen in unserer Regierung haben mich aber bislang überwiegend nicht begeistert: Plagiatsrücktritt, Kaufhaus Österreich-Desaster und jede Menge Karenzzeiten, in denen andere Minister den Job tun mussten und Sachen sicher liegenblieben.
Die Tränen um einen Verunglückten Menschen sind ebenso zulässig wie jene die sie Gewessler zugestehen.
In diesem Punkt waren sie meiner Meinung nach zu sarkastisch.
Der U-Ausschuss nennt sich nicht Ibiza-Untersuchungsausschuss. Das ist nur der Beiname den er trägt. Der eigentliche Name ist
“Untersuchungsausschuss betreffend mutmaßliche Käuflichkeit der türkis-blauen Bundesregierung”
,worauf viel mehr Wert gelegt werden sollte. Würde ich vom Journalismus eigentlich voraussetzen diesen auch so zu nennen. Führt man sich das vor Augen, merkt man erst wie umfangreich das Thema wirklich ist.
Gibt es außer den persönlichen, privaten, genüsslich ausgebreiteten Bespitzelungsergebnissen auch substanzielle Beweise für Korruption?
Komisch das ich in diese Richtung überhaupt noch keine Pressemitteilung des UA gehört habe.
Ich meine wenn seit Monaten alle Datenträger ausgewertet wurden und der größte Aufreger sind anatomische Bilder aus einer privaten, persönlichen Datei dann frage ich mich wo sind die Korruptionsbeweise?
Privat & persönlich am Diensthandy?
Das Recht unterscheidet hier nicht. Es geht nicht um die Sichtung sondern um die Veröffentlichung.
Auch Sie haben auf Ihrer Arbeitsstelle das Recht auf Privates das niemand veröffentlich darf.
MAN(N) soll sich nichts vormachen. Es ist so! Leider!