Absurder ORF-Film mit Transfrau, Hass auf Ausländer und einer Corona-Toten
Eine Transfrau kehrt nach Jahrzehnten in ihr Heimatdorf zurück, um ihr Erbe anzutreten. Dort leben fast nur Klischee-Hinterwäldler mit allerlei Vorurteilen. Was will uns der ORF damit sagen, fragt sich Claudio Casula.
Puh. Das waren 89 lange Minuten. Sehr lange. Aber was tut man nicht alles, um das Schaffen des zeitgeistbeseelten öffentlich-rechtlichen Rundfunks zu dokumentieren. In diesem Fall das Drama “Ungeschminkt”: die Geschichte einer Transfrau, die nach 35 Jahren in ihr oberbayerisches Heimatdorf zurückkehrt, wo sie mit ihrer Vergangenheit konfrontiert wird. Gewissermaßen der Film zum Gesetz.
Als zwischenmenschliches Drama ohne das hochgejazzte Trans-Thema hätte die Geschichte ebenso funktioniert, mehr oder weniger, die Protagonisten werden jedenfalls differenziert gezeichnet. Aber dass die Botschaft von der immer wieder bemühten “Transfeindlichkeit” der Gesellschaft transportiert wird und dazu mit allerlei Klischees gearbeitet wird, macht das Unternehmen schon von vornherein verdächtig.
Erziehung im Stuhlkreis
Es beginnt damit, dass Josefa (Adele Neuhauser, als “Tatort”-Kommissarin Bibi Fellner bekannt und von eher herber Physiognomie), die mit ihrem leisen Mann Magnus in München lebt, zur Klinik radelt. Dort hockt ihre Freundin Antonia (spielt auch die Ermittlerin Transfrau Elena Barin im “Seeland”-Krimi) – offenbar von den allgegenwärtigen Transfeinden übel zugerichtet. Dann sehen wir Josefa in der Beratungsstelle “TRANSfair”, wo sie im Stuhlkreis sagt, was die Trans-Aktivisten eben so behaupten: “Die Gesellschaft beurteilt nach ihren Sehgewohnheiten, das Geschlecht jedoch wird nicht von Äußerlichkeiten bestimmt. Wer wir sind, entscheidet nicht die Gesellschaft, sondern jeder Mensch für sich.”
Daher: “Selbstbestimmungsgesetz.” Denn “das Geschlecht liegt nicht zwischen den Beinen, es sitzt zwischen den Ohren” – also da, wo man eigentlich das Hirn vermutet hätte. Aber wird wohl stimmen, schließlich hat man extra die Sensitivity-Beraterin Julia Monro ins Boot geholt, als man das Drehbuch schrieb. Und schließlich hat es auch der Queer-Beauftragte der Bundesregierung schon gesagt: “Welchem Geschlecht sich jemand zugehörig fühlt, das ist keine Entscheidung von Richtern, Medizinern und Psychologen.”
Wie auch immer. Josefa erhält ein Einschreiben an Herrn Josef Gschwendt (ihr, nun ja, Mädchenname), was beim Postboten für Verwirrung sorgt. Den Brief öffnet Freundin Antonia: Josefas Mutter Gertrud hat in der bayerischen Heimat das Zeitliche gesegnet. Es stellt sich heraus, dass Josefa damals mit ihrer Familie brach (und umgekehrt vielleicht auch, aber wir greifen vor) und seitdem keinen Kontakt mehr hatte. Trotzdem erfährt sie vom Nachlassverwalter, dass die Mutter sie als Alleinerbin des Hofes eingesetzt hat.
Den Hinterwäldlern Saures geben
Der befindet sich in der spießigen Provinz, in einem Dorf namens Distelfing. Der Ort ist fiktiv, aber von Bilderbuchbayern bevölkert, wie man sie sich am linken Stammtisch vorstellt: Sie lehnen jeden ab, der anders ist: transidente Menschen, Veganer und natürlich Asylbewerber. Für Josefa ist Distelfing “die Hölle”. Dennoch reist sie mit dem Überlandbus hin.
Auf dem Friedhof telefoniert sie mit Antonia, die in München eine Zahnarztpraxis betreibt. “Mein Vater ist schon seit über 10 Jahren tot.” – “Und sie haben Dich nicht informiert?” – “Nein, und das nur, weil ich nicht so war, wie sie wollten.” – “Die Zeiten haben sich Gott sei Dank geändert. Heut’ sind die Leut’ schon aufgeschlossener.” – “Findest du.”
Sind sie natürlich nicht, will man uns sagen. Aber nicht, welche Leut‘ welcher kulturellen Prägung ein besonderes Problem mit Homosexuellen und „transidenten Personen“ haben. Hüstel. Oder doch: die Oberbayern!
Beim Einchecken im rustikalen Hotel kommt sie der Wirtin Sabine bekannt vor. Als sie ihren Namen nennt, entgleisen Sabine die Gesichtszüge: “Witzig… Du schaust gar nicht aus wie so…” – Josefa: “Was?” Klar, dass Bine gleich petzt und Josefa im Gastraum von den Bilderbuchbayern angestarrt wird. Bine will ihr sogar den Katzentisch zuweisen, woraufhin sich wieder ein aggressiver Dialog entspinnt: “Jo mei, wir ham doch net alle Tog…” – “…einen Transvestiten?”, ergänzt Josefa schnippisch. “Trans wär’ übrigens der richtige Begriff. Vielleicht willst ja was dazulernen.” Dann bestellt sie demonstrativ “Schweinsbraten und ‘ne Halbe, ach lieber ‘ne Ganze.”
Mann, der Hinterwäldlerin hat sie’s aber gegeben! Ist eben eine starke Frau, die Josefa, gell? Schnitt. Es ist Morgen, Josefa will sich ihr Fahrrad holen (sie fährt Rad statt des Klimakillers Auto, allerdings kein Lastenrad, das wäre denn doch zu klischeehaft. Und stellt fest, dass ihr jemand den Reifen zerstochen hat. Bine: “Das war bestimmt das Gesindel vom Asylantenheim. Die treiben sich am Abend immer da rum.” Josefa guckt böse.
Claudia starb an Corona, ganz am Anfang
Rassismus, Hass und Hetze, so ist das ja hier. Schlimm! Dann geht die eigentliche Geschichte los, ein zwischenmenschliches Drama mit eher ungewöhnlichem Beziehungsgeflecht. Da ist zum Beispiel Fahrradwerkstattbesitzer Norbert Blume (nur Blume genannt und gespielt von Ulrich Noethen), mit dem sie, wie Rückblenden zeigen, einst eng befreundet war und eine Art latentes homoerotisches Verhältnis hatte. Blume ist enttäuscht, weil Josefa nach ihrer Flucht aus dem Dorf auch den Kontakt zu ihm abgebrochen hatte.
Später hat Blume, der Josefa liebte, allerdings geheiratet, eine Claudia, nach der Josefa fragt. Blume, niedergeschlagen: “Corona. Gleich am Anfang, wo noch keiner gewusst hat, was das ist.”
Donnerwetter! Hat das der Karl ins Drehbuch gekritzelt? Oder war Claudia vielleicht 83 Jahre alt (das Durchschnittsalter der an oder mit Corona Verstorbenen)? Wir erfahren es nicht, aber schön, dass das auch noch untergebracht wurde. Nehmt das, Coronaleugner!
Und da ist noch Petra (dargestellt von Eva Matthes, die äußerlich inzwischen an eine Oberindianerin gemahnt – darf man das sagen?). Josefa war, noch als Josef, kurzzeitig mit Petra verheiratet. Sie hat sie damals bei ihrer Flucht aus Distelfing sitzengelassen – weil sie sich von ihr scheiden lassen musste (“Es gab ja keine gleichgeschlechtliche Ehe…”). Inzwischen hat Petra was mit Blume, so ein oberbayerisches Dorf ist ja klein, was will man machen.
Distelfing, das Guantanamo Oberbayerns
Immer wieder wird in Rückblenden Josefa als Josef gezeigt – vom grobschlächtigen Vater, einem typischen Vertreter toxischer freistaatlicher Männlichkeit, angeherrscht (“Sei wenigstens einmal ein Mann!”) und schlimm verdroschen (“Du bist nicht mein Bub!”). Wie sich später herausstellt, hat Josef ihn bei einer solchen Gelegenheit in Notwehr geschubst, der Vater stürzte die Treppe hinunter und saß danach im Rollstuhl. Die gute Mutter war es, die Josef(a) zur Flucht aus dem Dorf drängte, sich später über ihren Werdegang am Laufen hielt und sie aus Liebe zur Erbin machte.
Nach und nach entfaltet sich, meist bei Tisch, ein Seelenstriptease der Beteiligten, wobei wir ihnen minutenlang beim Rühreiessen und später beim Schweinsbratenverzehr zuschauen dürfen. Zwischendurch tauchen noch ein paar fiese Dörfler auf, ein Hubert (“Die meisten waren sich sicher, dass du schwul bist. Aber ‘ne Transe…”) und ein anderer Typ in rentnerbeiger Windjacke, der am Hofladen glotzt. “Transwatching. Ein bisschen wie im Zoo. Mit dem Unterschied, dass wir hier noch frei rumlaufen dürfen. Noch.” Noch. Wer weiß, wie sich das alles entwickelt in Distelfing, dem Guantanamo Oberbayerns.
Alle Protagonisten des Beziehungsdramas gestehen, damals überfordert gewesen zu sein, alte Wunden werden aufgerissen und wieder unter tränenreichen Umarmungen geheilt. Schließlich erfährt Josefa am Ende noch durch Zufall, dass sie einen Sohn hat, Jakob – den sie mit Petra vor der Trennung zeugte, von dem sie nichts weiß und er von ihr auch nicht. Und eine Enkelin, Billy. Sagt die Enkelin noch zum Schluss: “Wenn ich jetzt zwei Omas hab, dann hast du ja jetzt zwei Mamas.” Jakob: “Stimmt.” Eine schrecklich postmoderne Familie!
Am Ende heißt es dann doch: Piep, piep, piep, wir ham uns alle lieb. Macht dann 15,30 Euro.
Der Text ist ursprünglich auf unserem Partner-Portal NIUS erschienen.
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