Der Wiener PR-Unternehmer, Politclown und Möchtegern-SPÖ-Chef Rudi Fussi brachte es am Sonntagabend nach dem Scheitern der Koalitionsverhandlungen seiner Partei mit der ÖVP knackig auf den Punkt. „Der Stalinist ermöglicht den Volkskanzler. Auch ein Treppenwitz der Geschichte“, postete er auf „X“, und fügte hinzu: „Was vom Babler politisch bleibt: Kein einziges Wahlversprechen gehalten. Und statt Kickl verhindern: Kickl ermöglichen.“

Gut, das ist vielleicht ein wenig stark zugespitzt – aber im Kern ist da schon etwas dran. Denn Herbert Kickl ist seit dem Wochenende dem Kanzleramt so nahe wie noch nie. Egal, ob er es schon in den kommenden Wochen schafft, oder erst nach eher unwahrscheinlichen allfälligen Neuwahlen – der Anspruch auf die Übernahme der Regierungsverantwortung wird ihm auf Grund der enormen Stärke der FPÖ kaum noch zu nehmen sein, auch wenn da oder dort, der Jahreszeit angemessen, ein antifaschistischer Karneval inszeniert werden wird, um das noch irgendwie zu verhindern. Und dass die dogmatische Haltung der Babler-SPÖ in Steuerfragen eine Alternative dazu – nämlich SPÖ/ÖVP – verhindert hat, darf als gesichert angenommen werden.

Deshalb stellen sich nun drei zentrale Fragen: wie konnte das eigentlich geschehen? Was ist das Learning daraus für die Politik insgesamt, aber auch für die Medien? Und, last not least: Was bedeutet ein Kanzler Kickl für das Land?

Die Stärke der FPÖ

Warum es so weit kommen konnte ist weitgehend geklärt. Die Stärke der FPÖ ist weitgehend dem politischen Versagen der anderen Parteien (mit teilweiser Ausnahme der Neos) geschuldet, vor allem im Bereich der illegalen Migration und deren üblen Folgen für das Land in allen Bereichen.

Dazu kommt aber vor allem auch, dass die mögliche Übernahme des Kanzleramtes durch die FPÖ dem jahrzehntelangen Ausgrenzen, Diskreditieren und Dämonisieren nicht nur der FPÖ und deren Spitzen, sondern auch derer Wähler geschuldet ist.

Es ist dies ein Prozess, der bereits in den 1980er-Jahren begann und seither eigentlich nie aufhörte. Anstatt die FPÖ politisch mit den besseren Argumenten und vor allem einer guten Politik, vor allem in der Migrationsfrage, zu bekämpfen, wurde ihr systematisch ein Platz auf Augenhöhe im Spektrum der demokratischen Parteien verweigert.

Eine besonders ungute Rolle kommt in diesem Kontext vielen sogenannten Qualitätsmedien und deren Journalisten zu, die den Kampf gegen die FPÖ zu ihrer offiziösen Agenda gemacht haben und damit Teil des Problems und nicht der Lösung geworden sind.

Wir haben es da gewissermaßen mit einer Mischung aus griechischer Tragödie und Provinzposse zu tun: Indem die beiden ehemaligen Großparteien SPÖ und ÖVP sowie die Grünen den „Volkskanzler“ Kickl um nahezu jeden Preis verhindern wollten, haben sie seine Chancen, tatsächlich Kanzler zu werden, massiv erhöht.

Nicht zuletzt deshalb, weil dieses letzte Gefecht von ÖVP und SPÖ offenlegte, dass es „kein Regierungsprogramm, sein kann, Kickl zu verhindern“, wie das Neos-Chefin Beate Meinl Reisinger ganz richtig anmerkte.

Learning aus Debakel

Das Learning aus diesem Debakel für ÖVP und SPÖ, aber auch den Medienbetrieb kann, rationales Verhalten aller Beteiligten vorausgesetzt, nur sei, mit der albernen und törichten, vor allem aber völlig kontraproduktiven Dämonisierung der FPÖ und ihres Vorsitzenden endlich aufzuhören und die zu behandeln, zu kritisieren oder zu beurteilen wie alle anderen demokratisch legitimierten Parteien auch.

Geschieht das nicht, werden wir nämlich noch erleben, dass die FPÖ irgendwann eine Alleinregierung wird bilden können.

Bleibt drittens die Frage, wie eine allfällige Kanzlerschaft von Herrn Kickl zu beurteilen ist.

Evident ist, dass der Mann einige Seiten hat, die ihn nicht eben als Kanzler qualifizieren. Inhaltlich gehört da etwa seine zu indifferente Haltung zu manchen Rechtsextremen dazu, sein odioses Verhältnis zur Russland, sein gelegentliches Kokettieren mit einem Austritt aus der EU oder gelegentlichen Probleme mit der Wissenschaft dazu.

Formale Aspekte seines Auftretens

Dazu kommen formale Aspekte seines Auftretens, die ihn nicht wirklich als Kanzlermaterial erscheinen lassen: sein ewige Outrieren und Übertreiben, das Kreischende und völlig übersteuerte seiner Auftritte und sein permanenter Betriebszustand des Beleidigens, Bedrohens und Beißens.

All das spricht erheblich gegen Ihn – Ausschließungsgrund vom Kanzleramt jedoch ist das alles keiner.

Genauso wenig wie im Falle seiner Kanzlerschaft ein Umbau des Landes in ein autoritäres Konstrukt droht, wie das manche seiner Kritiker und Gegner geschüttelt von einer Angstlust prophezeien. Dies wird schon allein deshalb nicht möglich sein, als die FPÖ ja von einer parlamentarischen Mehrheit weit entfernt ist, von einer für solche Maßnahmen notwendigen Verfassungsmehrheit ganz zu schweigen.

Auf der Habenseite eines Kabinetts Kickl wäre vermutlich zu verbuchen, dass die FPÖ ein recht solides Wirtschaftsprogramm hat, das mit Hilfe der ÖVP wahrscheinlich rasch umsetzbar wäre – also genau das, was Österreich jetzt sehr, sehr dringend braucht anstatt irgendwelcher neuer Steuern.

Dazu kommt, dass unter Kickl und in dieser Konstellation vermutlich eine Migrationspolitik machbar wäre, die dem entspricht, was sich die große Mehrheit im Lande wünscht.

Wie man diese Vor- und Nachteile gewichtet und bewertet, ist natürlich eine Frage der individuellen Präferenzen jedes Einzelnen.

Ein Popanz freilich gehört, nicht zuletzt angesichts der jüngsten politischen Ereignisse, möglichst umgehend entsorgt: die Annahme, eine Kanzlerschaft Kickls sei so etwas wie der Untergang Österreichs als demokratischer Rechtsstaat. Man kann Kickl aus anderen Gründen ablehnen; dieser Grund taugt nicht.