Mutter des Terroristen von Wien: "Glaube, dass Kujtim jemand geholfen hat"
Im Prozess gegen sechs Angeklagte, die im Zusammenhang mit dem Terror-Anschlag in Wien vom 2. November 2020 den Attentäter Kujtim F. im Vorfeld unterstützt haben sollen, hat die Mutter des Attentäters als Zeugin ausgesagt. Sie glaubt nicht, dass ihr Sohn alleine gehandelt hat: “Ich glaube schon, dass da jemand mitgeholfen hat.”
Konkretere Angaben konnte die Frau dazu nicht machen. “Beweisen kann ich es nicht. Glauben schon”, erwiderte sie auf eine entsprechende Nachfrage eines Verteidigers. Und weiter: “Das ist meine Meinung, dass er einen Freund hatte, dass ihm vielleicht jemand geholfen hätte.”
Bei zwei Angeklagten – 22 und 24 Jahre alt – handelte es sich ihrer Wahrnehmung zufolge um die engsten, nach ihrem Dafürhalten sogar um die einzigen langjährigen Freunde ihres Sohnes Kujtim. Sie habe sich nach dem Attentat “gewundert, dass der Freundeskreis so groß war”, wovon sie erst “aus den Medien” erfahren habe, sagte die Frau. Denn ihr Sohn habe stets “nur die zwei Namen genannt”, bezog sie sich auf den Zweit- und den Drittangeklagten.
In Mödling geboren - in Mödling radikalisiert
Die Staatsanwaltschaft wirft diesen beiden Männern vor, den Attentäter bei der Auswahl des Anschlag-Ziels unterstützt und ihm unmittelbar vor dem Anschlag bei Tatvorbereitungen behilflich gewesen zu sein. Sie sollen diesen wenige Stunden vor den Schüssen in der Innenstadt in dessen Wohnung in der Wagramer Straße aufgesucht haben. Von dort war der Attentäter am Abend des 2. November 2020 in Verfolgung seiner terroristisch-mörderischen Absichten Richtung Innenstadt aufgebrochen. Die beiden Männer bestreiten – wie auch die restlichen Angeklagten – eine direkte Verwicklung in den Anschlag und dessen Planung.
Sie habe zuletzt “ein sehr gutes Verhältnis” zu ihrem Sohn gehabt, hielt die Mutter fest. Im Dezember 2019 war dieser aus dem Gefängnis entlassen worden, wo er wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Organisation und in einer terroristischen Vereinigung 22 Monate verbüßt hatte. Der im Juni 2000 in Mödling geborene Mann mit nordmazedonischen Wurzeln hatte gemeinsam mit dem Drittangeklagten nach Syrien reisen wollen, um sich der radikal-islamistischen Terror-Miliz “Islamischer Staat” (IS) anzuschließen. Die zwei wurden in der Türkei festgenommen, nach Österreich abgeschoben und im April 2019 am Wiener Landesgericht abgeurteilt.
Kujtim bezeichnete seine Mutter als "Ungläubige"
Entgegen der Darstellung des Drittangeklagten bekräftigte die Zeugin, ihr Sohn habe nach der Haftentlassung zu diesem weiterhin eine “durchgehende Freundschaft” unterhalten. Wenn etwas anderes behaupte werde, “stimmt das nicht”. Auf die Frage, ob sie bei ihrem Sohn anhaltende radikale Ansichten bemerkte habe, entgegnete die Frau: “Im Nachhinein schon. Vorher nicht.” Äußerlich habe man ihm nichts in diese Richtung angesehen.
Das Verhältnis zu ihrem Sohn sei unmittelbar nach dessen Inhaftierung zunächst schwierig gewesen. Sie sei von ihm als “Ungläubige” bezeichnet worden, es habe Konflikte um Glaubensfragen gegeben. Religion dürfte für die Mutter grundsätzlich keine wesentliche Rolle gespielt haben bzw. spielen – schon rein äußerlich machte sie bei ihrem Zeugenauftritt nicht den Eindruck, als hätte sich daran etwas geändert. Die Beziehung zu ihrem Sohn habe sich dann gebessert, weil man nicht mehr über Glaubensthemen gesprochen habe: “Die letzten Monate war er viel netter als sonst. Viel zuvorkommender.”
Obwohl der Sohn eine eigene Wohnung hatte, war er regelmäßig bei den Eltern (“Ich war froh, wenn er da war”) und übernachtete auch dort: “Ich glaube, weil die Freunde in der Nähe gewohnt haben.” Die Mutter besorgte ihm die Wäsche, er bediente sich aus dem elterlichen Kühlschrank. Außerdem habe sie gewusst, dass er seit August 2020 seine Wohnung vorübergehend einem Bekannten zur Verfügung stellte, weil dieser Probleme mit seiner Ehefrau hatte. Dabei handelte es sich um den Viertangeklagten, einen 28-Jährigen afghanischer Abstammung. Sie selbst sei nur zwei Mal in der Bleibe ihres Sohnes gewesen: “Da war ein Sofa, eine kleine Küche, eine Kommode. Mehr war nicht.” Die Küche habe ihr Mann montiert, sie habe einmal den Boden aufgewischt. Was seine Freizeitgestaltung angehe, habe ihr Sohn “viel trainiert” und “viel geschlafen”.
Das letzte Mal sah die Mutter den jungen Mann einen Tag vor dem Terror-Anschlag. Nach einem Verwandtenbesuch, zu dem dieser die Eltern nicht begleitet hatte, habe sie ihn noch in ihrer Wohnung angetroffen: “Er hat gefragt, warum wir so lange weg waren.” Dann habe er ihr erklärt, dass er beim Drittangeklagten übernachten werde: “Er hat ein Sackerl genommen und ist gegangen.”
Emotional wurde es, als ein Geschworener der Zeugin, die bis dahin sehr selbstsicher und souverän wirkte, sein “aufrichtiges Bedauern” kundtat: “Ich weiß, was ich sage, weil ich auch schon einen Sohn verloren habe.” Darauf hin verlor die Mutter des von der Polizei erschossenen Attentäters ihre Fassung, musste inne halten und kämpfte gegen Tränen an. Von der Geschworenenbank bekam sie ein Taschentuch gereicht. “Genau das wollte ich nicht”, hielt sie fest. Ihre Befragung wurde schließlich für zehn Minuten unterbrochen.
Danach bekräftigte die Zeugin, sie habe sich von ihrem Sohn dessen Glaubenansichten nie aufzwingen lassen: “Er kann mir nicht sagen, was ich mache. Das ist meine Entscheidung.” Man habe daher “nicht gemeinsam gebetet”.
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