Was die Russen genau vorhaben, sei unklar, sagt der hochrangige ukrainische General: „Die russischen Pläne sind uns nicht bis ins Letzte bekannt. Wir kennen nur die russischen Daten und wissen, was sie vorhaben. Sie stellen eine Gruppe von mehr als 100.000 Soldaten auf die Beine.“ Mit ihnen könnte Moskau eine neue Offensive durchführen – oder auch die bisherigen Einheiten, die an Kampfkraft verlieren, aufstocken.

Fakt ist: Es besteht „die Möglichkeit, dass die Russen bis zum Frühsommer über bestimmte Kräfte verfügen, um entsprechende Offensivoperationen in einer der Richtungen durchzuführen. Das sind die bisher schlimmsten Prognosen“. Die Ukraine werde daher alles tun, „um dem Feind maximale Verluste zuzufügen“. Man bereits sich auf „unterschiedliche Entwicklungen“ vor. Zuvor hatte bereits die Financial Times berichtet, dass Russland für den Sommer 2024 eine große Frontaloffensive in der Ukraine planen könnte.

Russland will mit aller Kraft seinen Vorteil auf dem Schlachtfeld behalten

Oleksandr Pawljuk beklagte überdies: Die Ukraine habe zurzeit keinen Vorteil auf dem Schlachtfeld, weil die Russen mehr Ressourcen hätten, vor allem in der Luft. Dies erlaube dem Feind, massive Luftangriffe auf die Stellungen der ukrainischen Armee durchzuführen. Zurzeit fänden weiterhin Offensivoperationen an der Front statt, die russischen Truppen „bombardieren friedliche Städte“.

Zurzeit findet ein harter Stellungskrieg an der Front statt. Die ukrainischen Soldaten wehren immer mehr Offensiven der russischen Armee ab.Wolfgang Schwan/Anadolu via Getty Images

Daran würde sich zurzeit wohl auch nichts ändern: „Die Offensivaktionen gehen weiter, was zu erwarten ist. Die Russische Föderation kann es sich nicht erlauben, ihren Vorteil auf dem Schlachtfeld zu verlieren. Nur eine Verlangsamung ihrer Aktionen wird uns die Möglichkeit geben, die Initiative zurückzugewinnen. Daher tun sie alles Mögliche und Unmögliche, indem sie alle verfügbaren Ressourcen nutzen, um die Offensivaktionen in Richtung Liman und Bakhmut fortzusetzen und auch in Avdiivka nicht nachzulassen“.

Zurzeit finde ein Stellungskrieg statt, „und wir können uns keinen Vorteil verschaffen. Leider hat der Feind mehr Mittel, aber alles hat seine Zeit“, hielt Pawljuk fest.

Experte: Russische Rhetorik wird nach Terror-Anschlag schärfer

Möglicherweise könnte Wladimir Putin auch den jüngsten Terroranschlag bei Moskau zur Mobilisierung ausnützen. Die Attacke habe die „Schwäche des russischen Machtsystems“ offengelegt, meinte Militärexperte Nico Lange im ZDF-Interview. Diese Schwäche werde der Kreml nun „durch aggressive Rhetorik, durch besonders hartes Vorgehen“ versuchen zu überspielen: „Möglicherweise auch durch Propaganda, um das Ganze in Richtung Ukraine zu drehen“, meint Lange, der für die Zeitenwende-Initiative bei der Münchner Sicherheitskonferenz arbeitet.

Nico Lange (Bild) arbeitete früher für die Konrad-Adenauer-Stiftung.

Dass der Anschlag unmittelbare Auswirkungen auf das Kriegsgeschehen haben wird, bezweifelt Nico Lange aber: Russland versuche bereits alles, „was es kann“ und erreiche trotzdem nicht „seine militärischen Ziele“. Doch der Tonfall könnte an Schärfe gewinnen: „Putin wird, glaube ich, diesen Anschlag als Vorwand benutzen, um noch mal einen härteren Ton anzuschlagen, um möglicherweise noch aggressiver gegen die Ukraine vorzugehen.“