Sie ist Muslimin, trägt Hidschab, ist Mittelschullehrerin in Wien-Favoriten und tritt als Spitzenkandidatin der Kleinpartei SÖZ für die Wiener Gemeinderatswahlen an: Die Rede ist von Sali Attia, deren Profil auf den Wahlplakaten der SÖZ („Soziales Österreich der Zukunft”) abgebildet ist. Darüber steht das Motto: „Die neue Wiener Bürger Meisterin”. Der Untertitel lautet: „5 rassismusfreie Jahre“. Attia trat bereits bei den vergangenen Nationalratswahlen an – allerdings nicht für SÖZ, sondern für die 2024 gegründete „Liste GAZA – Stimmen gegen den Völkermord“. Die antizionistische Partei kam im September auf gerade einmal 0,4 Prozent der Stimmen.

„Liste GAZA“ versucht offensichtlich mit Attia einen Fuß ins Wiener Rathaus zu bekommen – und das, ohne bei der Wahl am 27. April direkt anzutreten. Es herrscht scheinbar ein reger Austausch zwischen SÖZ und „Liste GAZA”, die sich beide gezielt für islamische Österreicher mit Migrationshintergrund einsetzen.

SÖZ: Ramadan soll offizieller Feiertag werden

Die 2019 von Hakan Gördü, einem Sohn türkischer Gastarbeiter, gegründete Partei SÖZ trat bisher nur in der Bundeshauptstadt an, wo sie bei der Wahl 2020 1,20 Prozent der Wählerstimmen für sich gewinnen konnte und den Einzug in immerhin sechs Bezirksvertretungen schaffte.

Für die Nationalratswahl im September gab SÖZ eine Wahlempfehlung für die „Liste GAZA“ ab. „Eine Liste, die beim blutigen Genozid in Gaza nicht wegschaut!“, schrieb die Partei, die für islamische Anliegen eintritt. Dann rief sie dazu auf, für „jeden unschuldigen Menschen, der in Palästina ermordet wurde“, die „Liste GAZA“ zu wählen. Von dem blutigen Massaker an unschuldigen israelischen Zivilisten durch die radikal-islamistische Hamas am 7. Oktober 2023 ist keine Rede in der Wahlempfehlung.

Eine Anfrage von exxpress, wie die Zusammenarbeit der beiden Parteien genau geregelt ist und wie die Partei zum Existenzrecht Israels steht, blieb bis zu dem Zeitpunkt der Veröffentlichung dieses Artikels von SÖZ unbeantwortet.

SÖZ gab eine Wahlempfehlung für die „Liste GAZA" zu den Nationalratswahlen 2024 ab.Screenshot / Facebook / SÖZ

Fördergelder „auch für Muslim:innen“

SÖZ setzt sich vor allem für Moslems ein. Im laufenden Wahlkampf macht sie sich stark für einen offiziellen, bundesweiten Feiertag zum Ramadan-Ende (Eid al-Fitr) und fordert ein jährliches, öffentliches Eid-Fest „auf einem zentralen Platz, beispielsweise dem Rathausplatz” (der exxpress berichtete). Auch tritt sie für Ramadan-Lichterketten auf den Straßen von Wien-Favoriten ein, wie es beispielsweise schon in Frankfurt oder München der Fall ist.

In ihren Presseaussendungen geht es aber auch oft um Israelkritik, Gaza und die Palästinenser. Am 20. Oktober 2023, nur wenige Wochen nach dem Terrorangriff der Terrororganisation Hamas auf Israel, forderte die Partei einen Millionenbeitrag an Fördergeldern „auch für Muslim:innen“. Der Hintergrund dafür war die Entscheidung der Bundesregierung, der Israelitischen Kultusgemeinde in Österreich Förderungen in Höhe von jährlich 7 Millionen zukommen zu lassen. Das ist Teil ihrer Nationalen Strategie gegen Antisemitismus. In der Presseaussendung wirft SÖZ der israelischen Regierung vor, Kriegsverbrechen gegen Palästinenser zu begehen.

„Liste GAZA“: Israel begehe Völkermord an Palästinensern

Im Februar vergangenen Jahres kritisierte die Partei die von der schwarz-grünen Bundesregierung beschlossene Aussetzung der Hilfszahlungen an die UNRWA, das UN-Palästinenserhilfswerk, nachdem Anschuldigungen laut wurden, wonach Mitarbeiter von UNRWA am Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober beteiligt waren.

Die „Liste GAZA“ ist in der Israelkritik noch um einiges radikaler als SÖZ. In ihrem Wahlprogramm schreiben sie, Israel begehe Völkermord an den Palästinensern und kritisieren, dass sich österreichische, im Parlament vertretene Parteien nicht dagegen ausgesprochen hatten. Außerdem habe die Republik mit dem Hissen der Israel-Fahne auf dem Bundeskanzleramt ihre Neutralität verletzt.

Sali Attia trat bei den vergangenen Nationalratswahlen für die „Liste GAZA" an.X

Israel: „Kolonialismus, Besatzung und Apartheid“

Dass bei dem grausamen Angriff der palästinensischen Hamas auf israelische Zivilisten 1.182 Menschen getötet und 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt worden sind, erwähnt „Liste GAZA“ mit keiner Silbe. Auch auf Israels Selbstverteidigungsrecht wird nicht eingegangen. Stattdessen ist von „Kolonialismus, Besatzung und Apartheid“ Israels als „tieferliegender Ursache des Konflikts“ die Rede. Die Partei vertritt das linksradikale Narrativ, dass in Israel ein „Apartheidregime“ herrsche. In Israel, aber auch bei „Unterstützer:innen der zionistischen Idee weltweit“, stehe „Rassismus gegen Palästinenser:innen auf der Tagesordnung“, lautet eine andere These in ihrem Wahlprogramm.

Zu sagen, der Angriff am 7. Oktober 2023 sei der größte Massenmord an Juden seit dem Holocaust, empfindet „Liste GAZA“ als eine „Verharmlosung des Naziterrors“.

Neue Antisemitismus-Studie

Antizionismus, wie ihn „Liste GAZA“ und SÖZ vertreten, ist bei Menschen mit türkischen und arabischen Wurzeln höher, wie die neue Antisemitismus-Studie des österreichischen Parlaments ergibt. Der Aussage „Der Überfall der Hamas auf Israel war ein verabscheuungswürdiger Terrorakt“ stimmen nur 39 Prozent der 1.080 Personen mit türkischen und arabischen Wurzeln „voll und ganz“ und „eher schon“ zu. Zum Vergleich: Die Gesamtbevölkerung stimmt der Aussage zu 72 Prozent „voll und ganz“ und „eher schon“ zu.

40 Prozent der Gruppe mit Menschen mit Migrationshintergrund stimmt hingegen der Aussage „eher nicht” und „überhaupt nicht” zu. In der Gesamtbevölkerung sind es nur 9 Prozent.

Kritik an sogenanntem „Anti-Islam-Kurs“

Darüber hinaus versteht sich die „Liste Gaza“ als Bollwerk gegen den von ihr beschriebenen angeblichen „Anti-Islam-Kurs“ der österreichischen Politik. Sie fordern die Auflösung der „Dokumentationsstelle Politischer Islam“, die 2020 von der damaligen schwarz-grünen Regierung unter Sebastian Kurz (ÖVP) ins Leben gerufen wurde, und der „Islam-Landkarte“. Dieses Projekt der Universität Wien bietet einen Überblick über muslimischen Einrichtungen in Österreich.

Immer mehr Muslime in Wien

Nicht nur heimische Parteien wie SPÖ und FPÖ werben also um Österreicher mit islamischen Migrationshintergrund. Es entstehen neue Parteien, die sich explizit für muslimische Anliegen einsetzen – was nicht verwundert, denn die Zahl der Menschen muslimischen Glaubens in Österreich nimmt zu. An Wiener Volksschulen machen Muslime mit rund einem Drittel (35 Prozent) mittlerweile die größte religiöse Gruppe aus.

Eine Studie aus dem Jahr 2017 vom Vienna Institute of Demography besagt, dass 2046 jeder Dritte Wiener ein Muslim sein könnte.

Es ist daher nicht abwegig zu behaupten, dass mit der sich verändernden Demografie Islam-Parteien wie SÖZ oder „Liste GAZA” in Zukunft an Zulauf gewinnen könnten.

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