Walerij Saluschnyj, ehemaliger Oberbefehlshaber der ukrainischen Armee, bestätigt auf Facebook zentrale Punkte eines explosiven New York Times-Berichts – und macht damit geheime Militärabsprachen mit den USA publik. Kurz nach dem russischen Überfall kam es demnach zu geheimen Treffen hochrangiger ukrainischer Generäle mit US-Offizieren in Wiesbaden. Ziel: die Planung gemeinsamer Offensiven – ausgehend von der hessischen Landeshauptstadt.

Dass die USA so tief in die operative Kriegsführung eingebunden waren, war bislang nicht bekannt. Vor allem eine Frage sorgt für Zündstoff: Wurden sie damit zur Kriegspartei? Klar ist: Die US-Beteiligung war deutlich intensiver als bisher angenommen.

4. Februar 2022: Zweieinhalb Wochen vor Russlands Invasion treffen US-Soldaten des XVIII. Luftlandekorps in Wiesbaden ein. Wer hätte damals geahnt, dass diese deutsche Stadt noch eine so zentrale Rolle spielen würde?APA/AFP/US ARMY/ Stephen P. PEREZ

Wiesbaden war Kiews „Geheimwaffe“

In seinem Posting bezeichnet Saluschnyj Wiesbaden als „Geheimwaffe“ bei der Planung von Operationen und der Koordination militärischer „Bedürfnisse“ der Ukraine. Gemeint ist damit das Zentrum für militärische Hilfe, eingerichtet 2022 in der Clay Kaserne, dem Sitz des Europäischen Kommandos der US-Armee.

Später sei die Idee entstanden, mit den Partnern ein operatives Hauptquartier aufzubauen, „das die geplanten Operationen der Streitkräfte der Ukraine analysiert und gemäß den NATO-Standards den Bedarf dafür formuliert“, berichtet Saluschnyj. Man habe militärische Planspiele durchgeführt und konkrete Anforderungen an Washington und europäische Hauptstädte übermittelt.

Armeechef Walerij Saluschnyj (Bild) gilt bis heute als einer der beliebtesten Militärs der Ukraine – wegen seiner zentralen Rolle vor und nach der russischen Invasion.APA/AFP/UKRAINIAN PRESIDENTIAL PRESS SERVICE/Handout

Nur ein winziger Kreis wusste über die Partnerschaft

Saluschnyj nahm mit seinen Aussagen Bezug auf jüngste Recherchen der New York Times, auf die er auch in seinem Posting anspielte: „Über Wiesbaden sei in letzter Zeit viel gesprochen worden.“ Die US-Tageszeitung hatte zuvor über die geheime Kooperation zwischen Washington und Kiew berichtet: „Die Entwicklung und das innere Funktionieren dieser Partnerschaft war nur einem kleinen Kreis amerikanischer und verbündeter Entscheidungsträger bekannt.“

In einem improvisierten Lagezentrum planten US- und ukrainische Offiziere Seite an Seite die Gegenoffensiven Kyjiws. Die USA lieferten Zielkoordinaten, Aufklärung und Strategie.

300 Insider aus zehn Ländern wurden für die exklusive Enthüllungsstory der New York Times interviewt.New York Times/Screenshot

CIA gab grünes licht für Angriffe ins russische Kernland

Die höchste Geheimhaltungsstufe hatte einen guten Grund: „Die Partnerschaft operierte stets im Schatten einer tief verwurzelten geopolitischen Angst – dass Wladimir Putin sie als Überschreiten einer roten Linie der militärischen Einmischung betrachten und seine oft geäußerten Atomdrohungen wahr machen könnte.“

Besonders brisant: Sogar Angriffe in russisches Kernland sollen geplant worden sein.GETTYIMAGES/Oleg Palchyk/Global Images Ukraine

Die Eskalationsgefahr war real – und wurde bewusst in Kauf genommen: „Immer wieder genehmigte die Biden-Regierung verdeckte Operationen, die sie zuvor strikt untersagt hatte.“

Besonders brisant: „Schließlich erhielten zuerst das Militär, dann auch die CIA grünes Licht, präzise Angriffe tief im russischen Kernland zu ermöglichen.“

13. Juni 2024: Der damalige US-Außenminister Antony Blinken (r.) und der Nationale Sicherheitsberater der USA, Jake Sullivan (l.), verfolgen eine Pressekonferenz von US-Präsident Joe Biden und dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj beim G7-Gipfel in Apulien.APA/AFP/Mandel NGAN

US-Ziehilfe – Kriegsbeteiligung?

Die  New York Times spricht von „präzise Zielinformationen direkt an ukrainische Soldaten vor Ort“. Die US-Eingriffe reichten bis tief in die taktische Kriegsführung. Ein solches Vorgehen könnte völkerrechtlich als Kriegsbeteiligung gelten – ein Szenario, das international höchst umstritten ist.

Saluschnyj vermeidet dazu eine klare Aussage. Er spricht lediglich allgemein von gemeinsamer Planung.

Waren die USA sogar Kriegspartei? Nach den jüngsten Enthüllungen ist das nicht ausgeschlossen.GETTYIMAGES/Michael M. Santiago/btgbtg

Washingtons Hilfe zeigte Wirkung – für Russland war sie tödlich

Die enge Kooperation zeigte beachtliche Wirkung, wie die New York Times ebenfalls berichtet: „Mit Hilfe amerikanischer Aufklärung und Zielkoordinaten feuerten die Ukrainer einen Raketenhagel auf das Hauptquartier der 58. Armee in der Region Cherson – Generäle und Stabsoffiziere wurden dabei getötet.“

Auch der Hafen von Sewastopol wurde getroffen: „Eine Schwarmflotte maritimer Drohnen griff… den Hafen an, beschädigte mehrere Kriegsschiffe und veranlasste die Russen, ihre Flotte zurückzuziehen.“

Aus dem Hafen von Sewastopol musste sich die russische Flotte schließlich zurückziehen.GETTYIMAGES/Spencer Platt

Vom Erfolgsmodell zum Machtkampf

Doch das Bündnis bekam Risse. „Die Ukrainer empfanden die Amerikaner bisweilen als bevormundend… Die Amerikaner wiederum verstanden oft nicht, warum die Ukrainer ihren ‚guten Rat‘ nicht einfach annahmen.“ Während Washington auf Kontrolle und Machbarkeit setzte, strebte Selenskyj den vollständigen Sieg an – koste es, was es wolle.

Biden mit Selenskyj: Zwischen Washington und Kiew war nicht immer alles eitle Wonne.APA/AFP/Ludovic MARIN

Totalausfall bei der Gegenoffensive

Der politische Showdown folgte Mitte 2023. Selenskyj geriet in offenen Konflikt mit Generalstabschef Saluschnyj, der aufgrund seiner hohen Beliebtheit in der Ukraine auch ein möglicher Konkurrent bei einer künftigen Wahl wäre. Saluschnyj seinerseits wiederum geriet in einen weiteren Konflikt gegen einen eigensinnigen unterstellten Befehlshaber. „Als Selenskyj sich auf die Seite des untergebenen Befehlshabers stellte, warfen die Ukrainer riesige Mengen an Soldaten und Ressourcen in eine letztlich vergebliche Offensive zur Rückeroberung der verwüsteten Stadt Bachmut.“

Das Resultat: „Nur wenige Monate später scheiterte die gesamte Gegenoffensive – und endete im Stillstand.“

Ex-Generalstabschef Saluschnyj (r.) ist heute Botschafter in London. Im Bild mit König Charles III.APA/AFP/POOL/Yui Mok

Ex-NATO-General: Bei Eingriff in die Zielplanung ist man Kriegspartei

Waren die USA also damit Kriegspartei? Erhard Bühler, Ex-NATO-General, relativiert: „Ausbildung und Rat sind immer in Ordnung“, erklärte er im MDR-Podcast „Was tun, Herr General?“. Das allein mache keinen Staat zur Kriegspartei. Zwar glaube er nicht an direkte US-Beteiligung bei Zielauswahl, betont aber: „Wer aktiv in die Zielbekämpfung eingreife, werde zur Kriegspartei.“

Ende 2024 ist die NATO für die USA eingesprungen. Seither koordiniert sie von Wiesbaden aus Waffenlieferungen und Ausbildung für die Ukraine – und hat damit eine zentrale Rolle übernommen, die zuvor die Vereinigten Staaten innehatten.

Unter Biden war die Zusammenarbeit zwischen der Ukraine und den USA sehr eng. Das könnte sich nun ändern.APA/AFP/ANDREW CABALLERO-REYNOLDS
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Kommentare

  • hellipirelli sagt:

    Zu dem im Artikel Berichteteten kommen noch die Tatsachen, dass viele US-Amerikaner in der Ukraine – nicht nur nach der Niederlage in Mariupol! – in russische Kriegsgefangenschaft gerieten und dass im Zuge der russischen Angriffe zumindest zweimal US-Militärangehörige fluchtartig aus der Ukraine ausgeflogen werden mussten.

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  • Putinversteher sagt:

    Die Ukraine und die gesamte EU können nur froh sein, dass Russland noch keinen Angriff gegen Buntland (auf US-Stützpunkte) gestartet hat. Oder glauben die USA wirklich, dass Russland nicht weiß, dass die NATO hinter den gezielten Angriffen steht?

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  • MeinungsFreiheit sagt:

    Wer wissen möchte wer am Krieg bestens verdient ( u.a. die EU samt Politikern), lese den Artikel im Medium Libratus!!
    Sehr aufschlußreich…

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  • Nix neues sagt:

    Solche “Erkenntnisse” finden immer dann statt, wenn man den nächsten Trot.tel sucht der das alles bezahlen soll. Und in Brüs.sel hat man bereits aufgezeigt.

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  • joe sagt:

    Apropos “kleiner Kreis”: jeder, der sich mit dem Ukrainekrieg auseinandergesetzt hat, hat’s gewusst, und die Russen haben es von Anfang an gesagt: das ist ein von den Amis lange vorbereiteter Stellvertreterkrieg zwischen den USA und Russland, in dem die Ukrainer “dank” ihres Helden Zelenskij Menschenopfer darbringen müssen und Europa sich freiwillig auf den Opferaltar legt. Die Zukunft gehört den BRICS-Staaten, Europa schafft sich ab.

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    1. fred müller sagt:

      …und trotzdem werden wir immer noch auf die widerlichste Art und Weise, von Seiten der Regierung und Mainstreams, belogen !
      Und warum ? Weil sich nur Wenige wirklich die Mühe mache, selbst etwas zu recherchieren, oder auch nur darüber nachzudenken ob die West-Propaganda nicht div. Logiklücken haben könnte

  • Floki sagt:

    Na so eine große Überraschung oder großes Geheimnis ist das jetzt auch nicht..
    Aber mal ehrlich was haben die den zusammen gebracht ??
    1-2 Schiffchen dort, ein russisches HQ hier (angeblich), eine Brücke hier drüben, ein Energy oder Öl Depot irgendwo und mal hin und wieder ein Versorgung Lager..
    Da fragt man sich weshalb haben die mit ihren ach so tollen teuren Aufklärungs Spielzeug nach 3 Jahren nicht mehr auf die Reihe bekommen..
    Ja sogar diese Brücke auf der Krim dessen komplette Zerstörung alle paar Monate großspurig angekündigt wird steht immer noch..
    Also.. Für mich hört sich das irgendwie an wie ” auch ein blindes Huhn findet mal ein korn” für mehr reicht es auch nicht..
    Russland frisst sich langsam aber konsequent Richtung westlich Ukraine das Geheule aus Kiew und den westlichen Ländern wird täglich lauter da ihnen keine gegen Lösung dafür einfällt trotz der Milliarden schwerer militärischer Unterstützung Unmengen an Steuergeldern oder der zur Verfügung Stellung von Aufklärungs Daten..
    Und ja natürlich ist man ein Kriegs beteiligter wen man all das einer Konflikt Partei zur Verfügung stellt erst recht wen es kostenlos geschieht.. Egal in was unsere politischen Eliten das ganze nett verpacken zu versuchen um es uns zu verkaufen..
    Aber schon ok jeder hat seine Vorteile daraus gezogen..
    Die USA hat die EU als wirtschaftliche Konkurrenz in den Boden gestampft und wird ihr überteuertes Spielzeug los, Brüssel und co. Können von ihren internen Probleme ablenken und die Aktionäre der ihrer kleinen möchte gern militärische Industrie mit auf Schulden basierenden Aufrüstungs bla bla bla zufrieden stellen usw.. Moskau hat dank der freundlichen Unterstützung von den westlichen Landern gelernt das sie auch ohne sie ganz gut zurecht kommen, die restlichen Welt das, das ganze endzauberte westliche Higtech NATO Spielzeug gegen einen ebenbürtigen Gegner genau so brennt und man keine Angst davor zu haben braucht..
    Und die Ukraine… Nun die haben nix daraus gelernt die sterben immer noch für Gebiete die sie erst mit Bürgerkrieg überzogen haben und die so oder so nach allen den Irrsinn nicht mehr zurück wollen auch nicht wen sich Russland morgen zurückziehen würde..
    Es wird echt langsam Zeit das man die Diplomaten zurück aus dem Zwangs Urlaub holt und der Realität und Auge sieht..
    Man hat hoch gepokert und verloren sowohl militärische, wirtschaftliche wie auch politisch.. Egal wie man es dreht und wendet..

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  • andersgesehen sagt:

    Die US Waffenindustrie und das Militär wollten doch nur Ihre “Game changer” ausprobieren um mögliche Schwachpunkte zu entdecken.
    Solange Deutschland besetzt ist wird es keinen dauerhaften Frieden geben, da die Regierung immer den US Vorgaben folge leisten muß.

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  • olifant sagt:

    Dort wurde sicher auch die Sprengung von Nordstream geplant. Das Schlachtfeld Europa ist immer noch ein feuchter Traum der Ami-Politik. Wie schon geschrieben ist Deutschland eine militärisch besetzte Ami-Kolonie und schaut zu.

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  • Sofie Engelbogen sagt:

    Die US Hochfinanz war seit 1900 immer die Quelle aller Konflikte und aller Übel und hat fast immer davon profitiert.

    Die USA war demnach nie unser Freund.

    Die Ukraine wurde mit CIA und Mi6 und Azow zum Stellvertreter des Angriffs auf _Russlands Sicherheit gemacht.

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    1. Wertender sagt:

      @Sofie : kurz, präzise, alles richtig !! Danke 🙂

  • ampel...ade ...ole ! sagt:

    Union und SPD einigen sich auf Koalition , wie die övp brunner`sche ampel kreaturen…
    riina`s politik eu weit auf den vormarsch …?
    nicht gekaufte richter wie falcone stoppen diese banden !!!

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