Ein dramatischer Einschnitt, der in dem Papier (Stand: 24. März, 19 Uhr) steht: Union und SPD wollen Personen das passive Wahlrecht entziehen, wenn sie mindestens zweimal wegen Volksverhetzung verurteilt wurden. Sie könnten sich also nicht mehr zur Wahl stellen. „Im Rahmen der Resilienzstärkung unserer Demokratie regeln wir den Entzug des passiven Wahlrechts bei mehrfacher Verurteilung wegen Volksverhetzung“, heißt es in dem Dokument. In den vergangenen Jahren kam immer wieder Kritik auf, dass der Volksverhetzungsparagraf politisch missbraucht werde.

„Kampf gegen Rechts“ – auch mit Hilfe der EU

Gleichzeitig wollen Union und SPD auch die Cybersicherheit ausbauen und das Internet stärker regulieren. Dabei stützen sie sich auf die EU-Verordnung Digital Services Act (Gesetz über digitale Dienste) – kurz DSA: „Wir setzen uns in der EU dafür ein, radikalisierungsfördernde Algorithmen im DSA stärker zu regulieren.“ Gleichzeitig verspricht man den „Kampf gegen Rechts“ konsequent fortzusetzen: „Der Polarisierung und Destabilisierung unserer demokratischen Gesellschaft und Werteordnung durch Rechtspopulisten und -extremisten setzen wir eine Politik der Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts, der Vielfalt, Toleranz und Humanität entgegen.“

Die Union will dazu das Bundesprogramm „Demokratie leben!“ nicht etwa abschaffen, sondern aus dem Familienministerium herausziehen. „Wir siedeln das Bundesprogramm ‚Demokratie leben‘ im BMI an“, heißt es in blauer Schrift, was bedeutet, dass über diesen Punkt noch keine Einigung erzielt werden konnte.

Union will Messenger-Überwachung ausweiten und Gesichtserkennung einführen

Neben der Migrationthematik gibt es zahlreiche Punkte, über die in der Arbeitsgruppe 1 offenbar intensiv gestritten wird. So herrscht beispielsweise beim Kapitel „Leistungsfähige Sicherheitsbehörden“ noch Uneinigkeit. Die Union will die Überwachung der Kommunikation der Bevölkerung stärker ausweiten. Messengerdienste sollen dazu verpflichtet werden, den Sicherheitsbehörden unter bestimmten Umständen Inhalte preiszugeben. „Wir verpflichten zudem die Anbieter elektronischer Kommunikationsdienste im Einzelfall zur Entschlüsselung und Ausleitung von Kommunikationsinhalten an Strafverfolgungs- und Gefahrenabwehrbehörden“, will die CDU/CSU in das Koalitionspapier schreiben. Zudem soll „allen Sicherheitsbehörden die Quellen-Telekommunikationsüberwachung ab dem Zeitpunkt ihrer Anordnung“ ermöglicht werden.

Auch die Gesichtserkennung fordert nur die CDU/CSU. In blauer Farbe ist der Satz markiert: „An Bahnhöfen, Flughäfen und anderen Kriminalitäts-Hotspots führen wir die automatisierte Gesichtserkennung zur Identifizierung schwerer Straftäter ein.“ Streit gibt es auch beim Polizeibeauftragten des Deutschen Bundestages. Die Union will den Posten abschaffen. Die SPD hingegen will das Amt „weiter stärken“.

AfD-Mitgliedern die Waffen wegnehmen?

Einigkeit herrscht hingegen beim Thema „illegaler Waffenbesitz“, der noch stärker bekämpft werden soll. Die möglichen Koalitionspartner wollen „noch zuverlässiger sicherzustellen, dass insbesondere Extremisten oder Menschen mit ernsthaften psychischen Erkrankungen nicht legal Waffen besitzen“. Selbst AfD-Mitglieder, die noch keine Straftat in ihrem Leben begangen haben und Sportschützen sind, dürften damit ihre Waffen abgeben müssen, wenn ihr jeweiliger Landesverband vom Verfassungsschutz beobachtet wird.

AfD-Vorsitzende Alice Weidel: Dürfen ihre Funktionäre keine Waffen mehr besitzen? APA/AFP/Tobias SCHWARZ

Von Merz' Migrationswende bleibt nichts übrig

Doch auch der Streit um eine mögliche Migrationswende kann für Merz kaum noch gut ausgehen. Denn aus dem Papier, auf dem auch der Stand der Verhandlungen verzeichnet wird, geht hervor: Selbst wenn sich die CDU an ALLEN noch nicht geeinten Stellen durchsetzt, ist von Friedrich Merz‘ Wahlversprechen so gut wie keine Rede mehr. Eine Zurückweisung aller Migranten ohne gültige Einreisepapiere taucht in der Vereinbarung nicht mehr auf.

Beim Familiennachzug ist die Position zwischen CDU und SPD bereits geeint. Sie lautet: „Wir setzen den Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten befristet für zwei Jahre aus. Härtefälle bleiben hiervon unberührt.“

Bedeutet: Der Großteil des Familiennachzugs bleibt bestehen. Bei Familiennachzug für „subsidiär Schutzberechtigte“, also Personen ohne Flüchtlings- oder Asylstatus, geht es um rund 13.000 von 130.000 Fällen im Jahr. „Härtefälle“ bedeutet, dass auch hier weiter Menschen mit Ausnahme nach Deutschland dürfen. Eine Maßnahme, die kaum Wirkung haben wird.

Merz verabschiedet sich von Zurückweisung an den Staatsgrenzen

Der wichtigste Punkt für Merz ist die Zurückweisung an den Staatsgrenzen. Hier lautete das Versprechen von Friedrich Merz: „Ich werde … am ersten Tag meiner Amtszeit das Bundesinnenministerium anweisen, die deutschen Staatsgrenzen zu allen unseren Nachbarn dauerhaft zu kontrollieren und ausnahmslos alle Versuche der illegalen Einreise zurückzuweisen … Es wird ein faktisches Einreiseverbot in die Bundesrepublik Deutschland für alle geben, die nicht über gültige Einreisedokumente verfügen. Das gilt ausdrücklich auch für Personen mit Schutzanspruch.“

Davon ist im geeinten Papier so gut wie nichts mehr übrig. Dort heißt es nun geeint: „Wir werden in Abstimmung mit unseren europäischen Nachbarn Zurückweisungen an den gemeinsamen Grenzen auch bei Asylgesuchen vornehmen. Wir wollen alle rechtstaatlichen Maßnahmen ergreifen, um die irreguläre Migration zu reduzieren. Die Grenzkontrollen zu allen deutschen Grenzen sind fortzusetzen bis zu einem funktionierenden Außengrenzschutz und der Erfüllung der bestehenden Dublin- und GEAS-Regelungen durch die Europäische Gemeinschaft.“

Vom „faktischen Einreiseverbot für alle“ ist nichts mehr übrig

Bedeutet: Der Text ist weit entfernt von Merz‘ Zusage „faktischer Einreisestopp für alle, auch Menschen mit Schutzanspruch“. Die Formulierung „in Abstimmung mit europäischen Nachbarn“ macht Massenzurückweisungen nahezu unmöglich, da kein Nachbarland illegale Migranten zurücknehmen will.

„Zurückweisungen auch bei Asylgesuchen“ ist schon jetzt tägliche Praxis – aber eben nur dann, wenn Migranten bereits in einem anderen Land Asyl beantragt haben.

Brisant: Der Text ist bereits geeint zwischen CDU und SPD, von dem „faktischen Einreiseverbot für alle“ ist nichts mehr übrig.

Die neu gewählte Bundestagspräsidentin Julia Klöckner (rechts) wird von der stellvertretenden SPD-Vorsitzenden Saskia Esken beglückwünscht, während sich Merz (hinten links) mit Klingbeil unterhält.APA/AFP/RALF HIRSCHBERGER

Streit über Asylverfahren in sicheren Drittstaaten

Die sicheren Herkunftsstaaten sollen erweitert werden. Zwischen SPD und CDU ist folgender Text geeint: „Wir werden die Liste der sicheren Herkunftsstaaten erweitern … Wir beginnen mit der Einstufung von Algerien, Indien, Marokko und Tunesien. Eine entsprechende Einstufung weiterer sicherer Herkunftsstaaten prüfen wir fortlaufend.“

Bisher umstritten zwischen CDU und SPD bleiben Asylverfahren außerhalb Deutschlands, in sogenannten sicheren Drittstaaten. Die Passage ist im Text blau markiert. Blau bedeutet: Die CDU will das so, die SPD lehnt das bisher ab, Friedrich Merz und Lars Klingbeil müssen eine Einigung erreichen.

Im Text heißt es nach dem Wunsch der CDU: „Wir wollen sichere und rechtstaatliche Asylverfahren in sicheren Drittstaaten ermöglichen. Wer vor Krieg und Verfolgung zu schützen ist, soll in den Drittstaaten Schutz, Sicherheit und angemessene Lebensbedingungen erhalten. Wir werden dieses Modell als erstes bei Personen anwenden, die für Putins hybride Kriegsführung gegen Europa als illegale Migranten instrumentalisiert werden. Europa muss dieser menschenverachtenden Instrumentalisierung von Migration als Waffe entschlossen entgegentreten. Dazu unterstützen wir auch die Initiative der anderen EU-Mitgliedstaaten, um das Verbindungselement im europäischen Recht zu streichen. Wir wollen zentrale Asylverfahren für beschleunigte Verfahren schaffen. Durch die Einrichtung von durch den Bund betriebenen Bundesausreisezentren in der Nähe von großen deutschen Flughäfen werden wir Rückführungen erleichtern. Die Zuständigkeit der Länder für Rückführungen bleibt hiervon unberührt. Flugunternehmen werden wir zur Beförderung bei Rückführungen verpflichten. Deutschland unterstützt zudem die Errichtung von Rückführungszentren in Drittstaaten im Einklang mit dem EU-Recht.“

All das lehnt die SPD bisher ab. Einig ist man sich dafür in diesem Punkt: „Nach Afghanistan und Syrien werden wir abschieben – beginnend mit Straftätern und Gefährdern.“

SPD will noch mehr Bleiberechte für Menschen, die illegal in Deutschland sind

Ebenfalls hoch umstritten zwischen SPD und CDU sind die „Leistungen für Ausreisepflichtige und Bezahlkarte“.

Die CDU will es so formulieren: „Für Ausreisepflichtige sind die Sozialleistungen auf das verfassungsrechtlich Erforderliche zu kürzen, es sei denn, die Ausreise findet unverschuldet nicht statt. Geduldete mit Schutzstatus im EU-Ausland oder in einem Drittstaat erhalten nur noch eine zweiwöchige Überbrückungsleistung nebst Reisebeihilfe.“

Die SPD lehnt das ab. Dafür will sie noch mehr Bleiberechte für Menschen, die illegal in Deutschland sind und schlägt folgende Formulierung vor, im Text rot markiert als SPD-Position: „Wir wollen Perspektiven finden für die Menschen, die kein gesichertes Bleiberecht haben und sich in einer Berufsausbildung oder einem Studium befinden oder sozialversicherungspflichtig beschäftigt sind. Ein wichtiger Schritt in diese Richtung war das Chancenaufenthaltsrecht. Dieses werden wir verlängern. Darüber hinaus geht es uns um einen realistischen Blick auf Deutschland und um Menschen, die arbeiten und zum Wohlstand beitragen und Beiträge in die Sozialversicherungssysteme entrichten. Daher werden wir für jene, die am 31.12.2024 in Deutschland aufhältig waren, deren Identität geklärt ist, die nicht straffällig geworden sind und die die Voraussetzungen von §§ 25a, b Aufenthaltsgesetz noch nicht erfüllen, einen Aufenthaltstitel schaffen. Die konkrete Ausgestaltung bleibt dem Gesetzgebungsverfahren vorbehalten.“

Ganz anders sieht das die CDU und schreibt in dem Papier: „Die Tatsache, ob ein Asylsuchender tatsächlich schutzbedürftig ist oder nicht, muss einen Unterschied machen. Wir werden dazu das „Chancenaufenthaltsrecht“ auslaufen lassen, den Anwendungsbereich verschiedener Bleiberechte überprüfen und das Aufenthaltsrecht nach § 16g AufenthG und § 25 Absatz 5 AufenthG abschaffen. Insbesondere werden wir auch § 25a AufenthG wieder auf junge Ausreisepflichtige vor Vollendung des 21. Lebensjahres und §25b AufenthG wieder auf mehrjährig – in der Regel mindestens seit acht Jahren – Geduldete beschränken. Um die illegale Migration möglichst zu verhindern, muss die Vergabe von Aufenthaltsrechten an abgelehnte Asylbewerber wieder zur Ausnahme werden … Grundsätzlich setzt der Erhalt eines Bleiberechts die vollständige Lebensunterhaltssicherung voraus.“

Beschleunigter Weg zur Staatsbürgerschaft

Brisant: SPD und CDU haben sich offenbar darauf geeinigt, die beschleunigte Staatsbürgerschaft zu erhalten. Im Wahlkampf hatte die CDU das noch als „Verramschen des deutschen Passes“ bezeichnet. Nun heißt es im Papier von der SPD: „Wir halten an der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts fest.“

Die CDU will es hingegen so formulieren: „Wir halten an den Änderungen der letzten Reform des Staatsangehörigkeitsrechts fest. Wir werden verfassungsrechtlich prüfen, ob wir Terrorunterstützern, Antisemiten und Extremisten, die zur Abschaffung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung aufrufen, die deutsche Staatsbürgerschaft entziehen können, wenn sie eine weitere Staatsangehörigkeit besitzen.“

Der Artikel ist ursprünglich bei unserem Partner-Portal NIUS erschienen.

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Kommentare

  • jopa sagt:

    Ich hatte es vorher gesagt: Unter Fritze Merz ändert sich nichts. Die Na tionale Fro nt regiert weiter, es werden nur ein paar Köpfe gewechselt. Die wichtigsten UNterschiede: Aus De menz-Cu mEx-Olaf wird Bläckrock-Fritze, Statt der CDU geben nun die Blo ckflöten von Grüne, Linke und BSW die Opposition. Das hier die AfD nicht vorkommt: die AfD gehört NICHT zur Nationalenn Front.

  • Super Kerl sagt:

    dieser Volli diot!

  • derProlet sagt:

    Bevor die Parteien der EVP in der Eu, ÖVP usw. in den Staaten und den Bundensländern durch den Wähler zur Kleinstpartei verkümmert, hetzen sie uns in den Krieg, damit sie überleben. Man muss sich nur anschauen, wohin derzeit die Reise geht.

  • Georg sagt:

    Was unsere Diktatur gefährdet MUß verboten. Werden ist logisch !

  • Steingreif sagt:

    Bei der linken D Justiz ist jeder unliebsame AfDler schneller 2 x verurteilt als er Orwell buchstabieren kann. Kann ja dagegen klagen und in ein paar Jahren und Tausende € später recht bekommen, nur die Wahl ist vorbei und er ruiniert.

    30
  • солнечный свет sagt:

    deutschland schafft sich ab (mit turbo)😔

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    1. Susi sagt:

      Wer ent was Hass und Hetze ist? Wir sind am besten Weg in ein neues Mittelalter. Den öffentlichen Pranger gibt es ja bereits, nun folgt auch die Strafverfolgung für politisch nicht korrekte Bürger.

      20
  • Wiggerl sagt:

    Jede derartige Einschränkung der Äußerung der eigenen Ansichten ist ein Zeugnis der Angst vor den Wählern und Wählerinnen. Es ist wie ein Umsich-Schlagen, weil man mit Argumenten nicht mehr zu kontern fähig ist.
    Statt Dialog und Diskkurs geht es in Richtung Nachplappern, was die selbsternannte moralisierende “Elite” für rechtens hält.
    Und je enger sie die Fesseln ziehen, umso heftiger wird der Widerstand. Zu recht.

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  • Solche sagt:

    „Spitzenpolitiker“ werden sogar noch vom Volk gewählt und fürstlih entlohnt!

    23
  • Die Wähler in sagt:

    Deutschland sind auf Merz reingefalln wie damals die Österreicher auf Kurz!

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    2
  • Die Wähler in sagt:

    Deutschland sind auf Merz reingefallen wie damals die Österreicher auf Kurz!

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