Vor allem bei der ukrainischen Infanterie fehlen Truppen, was Russland den Vormarsch nach Osten erleichtert. Um das Problem zu entschärfen, beschloss Präsident Selenskyj, unerfahrene Rekruten direkt in bestehende Bataillone zu integrieren. Doch die Lage an der Front spitzt sich zu. Die Soldaten haben kaum Pausen, viele leiden unter schweren körperlichen und psychischen Schäden.

Ukrainische Soldaten der Dritten Unabhängigen Sturmbrigade in Kiew führen eine militärische Ausbildung durch.APA/AFP/Tetiana DZHAFAROVA

Verwundete an der Front, unrealistische Befehle der Kommandanten

„Jeder ist müde“, berichtet ein Soldat dem Guardian. Früher umarmten die Menschen die Soldaten auf der Straße – heute haben sie Angst, selbst eingezogen zu werden. Als Russland die Ukraine angriff, sei er bereit gewesen, sein Leben zu geben, erzählt er der britischen Tageszeitung. Aber die Realität des Krieges hat ihm seine Illusionen genommen. Die Kämpfe waren brutal, die Kommandanten gaben unrealistische Befehle, und die Verwundeten wurden direkt wieder an die Front geschickt. Als er selbst verwundet wurde, erkannte er: „Ich bin nur eine Nummer“. Nach der medizinischen Behandlung kehrte er nicht mehr zu seiner Einheit zurück. Er ist kein Einzelfall.

Soldaten der 59. Brigade führen an einem geheimen Ort in der Region Donezk ein Scharfschützentraining durch.APA/AFP/Genya SAVILOV

Ein anderer Deserteur beschreibt den Kampf als chaotisch: Mangel an Artillerie, keine Unterstützung, hohe Verluste. Er tauchte unter, als sein Versetzungsgesuch abgelehnt wurde. Aber er würde zurückkehren – wenn die ukrainische Armee nach westlichen Standards reformiert würde.

Präsident Selenskyj versucht, unerfahrene Rekruten in bestehende Bataillone zu integrieren.APA/AFP/Tetiana DZHAFAROVA

„Die Menschen sind erschöpft, ihre Familien zerbrechen“

Die ukrainische Ombudsfrau für Militärrechte, Olha Reschetylowa, bestätigt das Problem gegenüber dem Guardian: „Das ist normal nach drei Jahren Krieg. Die Menschen sind erschöpft, ihre Familien zerbrechen.“ Viele Soldaten entwickeln psychische Krankheiten, kleine Konflikte mit Vorgesetzten oder der Frust über die Strukturen treiben sie in die Flucht. „Das kann man nicht mit Strafen lösen“, sagt sie. Die Soldaten stünden vor der Wahl: Tod an der Front oder Gefängnis wegen Desertion.

Militärärzte der 24. mechanisierten Brigade behandeln einen verwundeten ukrainischen Soldaten in der Region Donezk.APA/AFP/24th Mechanized Brigade of Ukrainian Armed Forces

Die Regierung sucht nach Lösungen. Neue Gesetze sollen die Versetzung in andere Einheiten erleichtern, doch die Kommandeure blockieren viele Anträge wegen Personalmangels. Außerdem wird über Maßnahmen zur Rekrutierung junger Männer zwischen 18 und 25 Jahren nachgedacht, unter anderem über bessere Ausbildungsmöglichkeiten.

Armee gibt Mangel an Infanteristen offen zu

Die Desertionen sind für die Truppen an der Front spürbar. Andrii Hrebeniuk, Hauptfeldwebel in Donezk, sagt: „Das passiert oft. Einige kehren zurück, andere nicht. Sie brauchen einen psychologischen Reset. Die 110. Brigade hat öffentlich bekannt gegeben, dass ihr Infanteristen fehlen – eine seltene Offenheit in der ukrainischen Armee. „Wir müssen mit dem Klischee aufräumen, dass jeder, der sich meldet, innerhalb von fünf Minuten stirbt. Es gibt Überlebensstrategien.“

Ehemalige ukrainische Kriegsgefangene nach einem Austausch zwischen Russland und der Ukraine am 15. Januar 2025APA/AFP/@lubinetzs/X/Dmytro Lubinets

Dennoch bleiben Hunderttausende Soldaten auf ihren Posten. Reschetylowa betont: „Die Rekrutierungskrise könnte gelöst werden, wenn die westlichen Verbündeten eigene Truppen schicken würden. Aber das tun sie nicht.“

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Kommentare

  • Opas für Rechts sagt:

    Noch vor wenigen Wochen wäre ein Artikel wie der gegenständliche als Propaganda abgetan worden.
    Die Wahrheit gewinnt anscheinend die Oberhand.
    Auch dank Trump und seiner neuen Regierung!

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    1. Opas für Rechts sagt:

      Das Wort das beschrieben hat wessen Propaganda das sei, hat einen kritischen Fehler verursacht. Nachdem ich dieses Wort gestrichen habe(der Name einer Großmacht) – kein kritischer Fehler.
      Da sieht man, wie es mit der Meinungsfreiheit aussieht.
      Mitleid – oder Verachtung?
      Wohl von beidem ein wenig…..

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      1. Gültig „gegen“ Grün, ÖVP, SPÖ und NEOS wählen und Freundschaft mit Russland! 🤩 ÖXIT und der Weg wird frei für den Weltfrieden. ☮️ sagt:

        „Kritischer Fehler“ hat nichts mit dem Textinhalt zu tun. Es handelt sich dabei um einen Verarbeitungsfehler von WordPress. Schätzungsweise Fehler beim Speichern des Kommentars in der Datenbank.

        Fügen Sie einfach ein paar Zeichen an ihrem Kommentar hinzu und senden Sie es erneut.·

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  • Dagobert sagt:

    Niemand will für einen Selenskyj sterben, der selbst inzwischen mehr als 100.000.000 Euro auf die Seite geschafft hat.
    Mich würde auch interessieren, wie der russisch stämmige Teil der Ukraine zu dem Krieg steht.
    In der westeuropäischen Kriegspropaganda hört man nämlich davon nichts.

    KKF

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  • twayi sagt:

    Der Krieg muss endlich enden…

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  • Spotligth sagt:

    Sollte Clausewitz´ s These „Der Krieg ist eine bloße Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln“
    stimmen, würden bzw. müssten die verantwortlichen Politiker direkt persönlich selbst im Krieg kämpfen.

    Das tun sie aber genau nicht, sondern lassen andere kämpfen und ihr Leben riskieren bzw. verlieren. Und dies, obwohl die Politiker – gegendert gemeint 😉 – uns sonst gerne erklären, sie seien gewählt, um für die Bevölkerung zu entscheiden und Verantwortung zu übernehmen …

    Nach dem Spruch von Clausewitz müssten jedenfalls die politisch Verantwortlichen (z.B. eben auch Putin, Selensky …) selbst kämpfen. Und neben den involvierten Politikern sollten bzw. dürften natürlich gerne auch alle „NATO-Isten“, Rüstungs-Lobbyisten sowie Kriegs-Profiteure an vorderster Front stehen.

    Dann käme es allerdings nie zum Krieg bzw. würden rasch friedliche Lösungen gefunden, weil selbst kämpfen dann doch nicht so toll ist …

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  • Blues sagt:

    Kein Wunder, dass es an Infanteristen mangelt. Viele davon sind bei und leben von uns und fahren teure SUVs.
    Dafür lässt uns Nettozahler die EU zahlen?
    Zuerst sollten die eigenen Leute für ihr Land geradestehen.
    Hoffe, dass Kickl ein Auge darauf hat und die SUVs einsammelt und zu Geld macht. Bei uns kann man auch mit der Bim fahren.
    Und ob die Autos überhaupt einen Versicherungsschutz haben, wage ich zu bezweifeln.

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  • Klaus sagt:

    Game over

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  • Mene Tekel Upharsin sagt:

    „Die Rekrutierungskrise könnte gelöst werden, wenn die westlichen Verbündeten eigene Truppen schicken würden. Aber das tun sie nicht.”
    Und genau das wurde denen anscheinend inoffiziell zugesichert.
    Söldner sind kaum mehr zu bekommen, denn die wollen viel Geld verdienen, nicht den Heldentod sterben.
    Und reguläre Truppen – keine westliche Regierung steht das innenpolitisch durch.
    Den Ex-Komiker als Soldat zu einem Sturmbataillon einziehen. Wenn er beim Kämpfen nur halb so gut ist………

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  • Zahnfee sagt:

    Sie können sie bei den kriegslüsternen Linken bedanken.

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  • Loudonotread sagt:

    Die haben bei mir Unterschlupf gefunden!
    Mit denen stimmt etwas gröber nicht! Die glaubten allen Ernstes, bei mir wären sie mehr als eine Nummer. Ich habe sie jetzt aber gröber in der Zwickmühle. Besser als jeder Brigadier 😀😃🙂🙃 da wird gefolgt, ohne Befehlswiederholung.

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    1. Neres sagt:

      Ja, klar.

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  • @ sagt:

    Sie haben vollkommen recht.
    Würde eine Namensänderung vorschlagen ” von der Lügen ” passt besser.

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