
Türkische „Kulturmesse“ mit Israel-Hassern macht Politik sprachlos
Die gerade beendete „Türkische Kulturmesse” in Dornbirn eint alle Parteien zur Vogelstrauß-Koalition: Obwohl dort Israel-Hasser und prominente Hamas-Fans auftraten sowie Bücher mit Aufrufen zur islamischen Weltherrschaft verkauft wurden, kam aus der Politik kein kritisches Wort.
Von Mittwoch bis Sonntag war im Dornbirner Messezentrum Völkerverständigung und Brückenbauen angesagt. Zumindest vordergründig nennt der Veranstalter, die Islamische Föderation (AIF), dies als einen Zweck des schon zum 18. Mal inszenierten Ländle-Events. Auch Vorurteile und Ängste sollen damit abgebaut werden. Viele Österreicher beschreiten die Brücke zwar nicht, was an der Werbung hauptsächlich in türkischen Kanälen und in türkischer Sprache liegen mag, aber auf den ersten Blick wirkt das Ganze wie ein fröhlicher Indoor-Jahrmarkt: Türkisches Kunsthandwerk garniert mit picksüßem Naschwerk und einer Hüpfburghalle für die Kleinen. Haribo macht an einem Stand auch Muslime froh – mit Halal-Gummibären ohne Gelatine vom Schwein. Dazwischen gibt es fürs fromme Publikum auch Religiöses: Unzählige Bücher über Islam und Türkei, kalligrafische Glaubenssprüche und ein „heiliges Koranfest“ mit prominenten Koranrezitatoren aus der Türkei.

Extremistische Gruppierung
Dass der Veranstalter eine Österreich-Filiale der Islamischen Gemeinschaft Milli Görüs (IGMG) ist, wissen viele vielleicht gar nicht. Noch weniger ahnen wohl, dass die IGMG im deutschen Verfassungsschutzbericht 2023 in der Liste jener Gruppierungen angeführt ist, „die verfassungsfeindliche Ziele verfolgen, es sich mithin um eine extremistische Gruppierung handelt“. Denn die Programmatik der vom 2011 verstorbenen türkischen Ex-Premier, Islamisten und Antisemiten Necmettin Erbakan entwickelten Milli Görüs-Ideologie sieht vor, so die Verfassungsschützer, „eine Ordnung zu schaffen, die sich – anstatt an von Menschen geschaffenen und damit vermeintlich ,willkürlichen‘ Regeln – ausschließlich an islamischen Grundsätzen ausrichtet“.
Islamistische Piefke-Saga
Aber wen kratzt so eine islamistische Piefke-Saga in Österreich? Kaum jemanden. Im aktuellen Jahresbericht der Direktion für Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) kommen weder IGMG noch die Islamische Föderation vor. Im DSN-Bericht 2022 blieb unerwähnt, dass es bei der 15. Türkischen Kulturmesse eine Anzeige gegeben hatte, weil dort die (unkommentierte) türkische Ausgabe von Hitlers „Mein Kampf” verkauft worden war.
Auch die Politik hält sich zurück. FPÖ-Chef Herbert Kickl hat zwar im vergangenen Sommer ein Verbot von Milli Görüs gefordert, aber selbst bei den Freiheitlichen wird nicht so heiß gegessen wie im Wahlkampf gekocht. Der im Vorfeld der Dornbirner Türken-Messe ebenso wie Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) vom exxpress auf die Problematik hingewiesene FPÖ-Landesstatthalter Christof Bitschi wollte sich jedenfalls wie sein Koalitionspartner nicht dazu äußern.
Verantwortungslos
Die Landespressestelle begnügte sich mit einer Darlegung der Rechtslage, der zufolge die AIF in Österreich nicht verboten sei und daher als Veranstalter der Messe auftreten könne. Die Inhalte der Veranstaltung würden grundsätzlich dem Veranstalter obliegen, „sofern sie nicht gegen gesetzliche Bestimmungen verstoßen”, so die Landespresse. AIF-Vorsitzener Abdi Tasdögen wiederum will für von geladenen Gästen in sozialen Medien verbreitete Inhalte auch keine Verantwortung übernehmen. Er verweist auf die Meinungsfreiheit.
„From the river to the sea...“
Niemanden kümmerte es also, dass die am Samstag für eine Signierstunde nach Dornbirn eingeladene Kinderbuch-Autorin Jenny Molendyk-Divleli am Tag nach dem Hamas-Überfall auf Israel am 7. Oktober 2023 ihren 440.000 Instagram-Followern einen alten Hamas-Slogan dargeboten hatte: „From the river to the sea Palestine will be free.” In Wien wurden wegen dieser Parole, die Israel indirekt das Existenzrecht abspricht, schon Palästina-Kundgebungen untersagt. Am 9. Oktober 2023 wusste die in der Türkei lebende kanadische Konvertitin und Kopftuch-Propagandistin: „Das ist Völkermord.” Sie meinte damit nicht den auf ihrem Account unerwähnt gebliebenen Hamas-Terror, sondern die israelischen Gegenangriffe. Molendyk-Divleli bewarb in Dornbirn unter anderem ihr Bilderbuch „Colours of Jerusalem”, das der kindlichen Zielgruppe die Existenz von Juden und Christen in der israelischen Hauptstadt vorenthält.

Solche Spitzfindigkeiten spielen hier in der Messehalle aber ebenso keine Rolle wie die Würdigung des 2024 getöteten Hamas-Führers Ismail Haniyeh durch den am Freitag beim Koranfest aufgetretenen Koranrezitator Osman Egin. Dieser hatte Haniye in einem TV-Interview das „Paradies als Wohnstätte” gewünscht, während am Bildschirm das Insert „Auch Israel wird ein Ende haben” eingeblendet war.
Aber können problematische, länger zurückliegende Äußerungen zweier Gäste den Völkerverständigungseffekt der laut Veranstalter „größten Messe Österreichs und renommiertesten Messe Europas” schmälern? Wenn es nur die zwei gewesen wären…
Neoosmanischer Fernsehtraum
Auch ein Höhepunkt dieser Dornbirner Messe, der Auftritt von vier Schauspielern der populären türkischen TV-Serie „Mehmed, Sultan der Eroberungen”, konterkarierte bei genauer Betrachtung den Brückenbauer-Anspruch. Im neoosmanischen Eifer, welchen Staatschef Recep Tayyip Erdogan in der Türkei entfacht hat, entspricht das Historiendrama dem alten Mit-Feuer-und-Schwert-Klischee, dreht sich doch alles um die Eroberung Konstantinopels im Jahr 1453. Vor ein paar Wochen lief im Türkischen Fernsehen TRT jene Folge, die das erste Freitagsgebet in der Hagia Sophia nach dem osmanischen Triumph über die Christen zum Thema hat. Die zur Moschee umgewandelte byzantinische Kirche hatte der säkulare Präsident Atatürk 1935 in ein Museum umgewandelt, ehe Erdogan vor fünf Jahren das Rad der Geschichte zurückdrehte und der Chef der Religionsbehörde Diyanet, Ali Erbas, dort mit dem Schwert in der Hand beim Freitagsgebet für nationalistisch-islamistische Orgasmen sorgte.

Feiertagskollision
Zufall oder nicht: Der Auftritt der türkischen Filmstars in Dornbirn fiel exakt auf den 572. Jahrestag der Eroberung Konstantinopels. Echte Brückenbauer würden sich vielleicht Gedanken machen, ob dieses Zelebrieren des türkischen Eroberungsfeiertages ausgerechnet am Christi-Himmelfahrtstag angemessen ist. Aber bei der Islamischen Föderation ist man in historischen Angelegenheiten nicht so hypersensibel wie jene heimischen Politiker, die sich aus Rücksicht aufs türkische Gemüt gegen ein Denkmal für Polen-König Jan Sobieski sperren, dessen Entsatzheer Wien 1683 das Schicksal Konstantinopels erspart hat.

Man habe nur ein paar türkische TV-Stars eingeladen, „weitere Interpretationen sind nicht angebracht”, weist AIF-Chef Tasdögen gegenüber dem exxpress jegliche historischen Anspielungen zurück. Von hiesigen Politikern drohten solche ohnehin nicht, zu groß ist die Angst vor dem Einsturz der Brückenbauillusion. Und zu gering vielleicht auch das Geschichtsbewusstsein.

Stars mit dunklen Flecken
Aber man muss nicht 572 Jahre zurückblicken. Zwei der vier von türkischen Autogrammjägern belagerten Stars lieferten in der jüngeren Vergangenheit Bedenkliches. Ali Nuri Türkoglu, der in dieser TRT-Serie den kurz nach der Eroberung Konstantinopels als Rivale des Sultans hingerichteten Prinzen Orhan spielt, äußert sich gern auch zur aktuellen Politik. Er tritt bei Gaza-Solidaritätskonferenzen auf und wirbt für einen totalen Wirtschaftsboykott gegen Israel.
Den für die andauernde Tragödie ursächlichen Hamas-Überfall hat er zwar wie viele in der Türkei in seinen Kommentaren ausgespart, aber wenige Wochen danach fand er in einem Interview mit haber7.com klare Worte: „Israel ist in unseren Augen kein Staat, sondern eine Terrororganisation.“ Die Hamas findet Türkoglu dagegen super: „Hamas ist die nationale Kraft Palästinas. Hamas ist eine Lektion für die ganze Menschheit. Hamas ist ein Kampf um Ehre. Zwischen uns und jenen, die mit israelischer Zunge sprechen, wird es immer eine klare, unüberbrückbare Distanz geben“, schrieb er am 3. März 2024 auf X.
Volksverhetzender Film
Böse Zungen könnten das als antisemitisch interpretieren. Mit einem derartigen Verdacht war auch Türkoglus in Dornbirn ebenfalls Autogramme gebender Schauspielerkollege Kenan Coban konfrontiert. Der hatte vor 14 Jahren in einem europaweit für Proteste sorgenden Film eine Hauptrolle: „Tal der Wölfe – Palästina“ erntete in Österreich 2011 von der Israelitischen Kultusgemeinde (IKG) eine Anzeige wegen Volksverhetzung. Auch die Grünen protestierten seinerzeit heftig. In Deutschland beklagte der Koordinierungsrat der deutschen Nichtregierungsorganisationen gegen Antisemitismus, dass der Film, in dem es um ein israelisches Attentat auf ein türkisches Gaza-Hilfsschiff geht, „antiamerikanische, antiisraelische und antisemitische Stereotyp-Bilder mit volksverhetzendem Charakter zeigt, die sich nicht nur gegen Israel, sondern, unter Verwendung von Konstruktionen, die an mittelalterliche Ritualmordvorwürfe erinnern, auch gegen Juden im Allgemeinen wenden“.

„Allah vernichte Israel!"
Ob Saliha Erdim für derartige Kritik Verständnis hätte, darf bezweifelt werden. Denn die regelmäßig im Diyanet-Fernsehen auftretende türkische Familientherapeutin und Sachbuchautorin träumt öffentlich von der Auslöschung Israels. Drei Wochen nach dem Hamas-Überfall postete sie auf Instagram ein Video von einem wütenden Palästinenser aus Gaza und schrieb dazu: „Oh Allah, gewähre auch uns diese Kraft des Glaubens und schenke unserem Palästina umgehend die Freiheit. Vernichte das unterdrückerische, mörderische, terroristische, zionistische Israel. Deine Macht reicht für alles aus.“

150.000 ihrer 1,4 Millionen Follower haben diesen Eintrag geliked. Saliha Erdim kam am Samstag für eine Signierstunde nach Dornbirn. Es war nicht ihr erster Österreich-Besuch, sondern ihr vierter binnen 15 Monaten. Bei der Ende April – ebenfalls von der Islamischen Föderation – in Salzburg veranstalteten Türkischen Kulturmesse trat sie ebenso auf, wie im Februar 2024 bei einer Türkei-Expo in Wien und im Mai 2024 bei einer AIF-Veranstaltung in Zirl (Tirol). Eine exxpress-Anfrage, ob sie weiter zu Allah für die Zerstörung Israels bete, ließ Frau Erdim unbeantwortet.

Aufruf zur Weltherrschaft
Einer der wenigen österreichischen Messebesucher tut sich etwas schwer bei der Suche nach völkerverständigenden Messeattraktionen. Immerhin gab es an einem Stand sogar Kaiserschmarrn. Wenig half die Messe beim Überbrücken von Sprachbarrieren. Es wurde, beklagt eine Besucherin, fast ausschließlich Türkisch gesprochen. Deutsche Beschriftungen suchte sie vergeblich. Doch wer genau hinschaut, findet auch als Nicht-Türke Lesbares. An einigen Buchständen wurden tatsächlich deutschsprachige Bücher angeboten. Zum Beispiel „Der große ILMIHAL (= Katechismus) auf Deutsch“. Oder das Buch „Grundwissen für Frauen – Gemäß der hanafitischen Madhab (= Rechtsschule, Anm.)“. Weil sich die Besucherin für den Islam interessiert, hält sie das „Grundwissen“ für eine gute Einstiegslektüre, ersteht am Stand der Duisburger Buchhandlung Tügra Kitabevi das Werk von Rauf Pehlivan – und traut zu Hause ihren Augen nicht.

Kuffar-Regierung ändern!
Im Kapitel „Die äußerste Anstrengung – Dschihad“ entlarvt gleich der erste Satz die von Muslim-Funktionären gern verabreichte Beruhigungspille, wonach Dschihad nur eine besondere Anstrengung für den Glauben sei, als Placebo. „Dschihad bedeutet, sich für die Herrschaft des Islams auf der Welt mit seinem Leben, Besitz und seiner Zunge auf das Äußerste anzustrengen“, heißt es wörtlich auf Seite 332. Und weiter: „Dschihad wird gegen alle Feinde, die Wortbruch begehen, gegen alle Kuffar (Ungläubige, Anm.), welche die Muslime unterdrücken und gegen alle Abtrünnigen geführt, um das Wort Allahs zu erhöhen, um der Welt Gerechtigkeit zu bringen und um auf dem Angesicht der gesamten Erde die Herrschaft der Wahrheit zu errichten.“ Der Muslim führe gemäß dem Land, in dem er lebe, die angemessene Form des Dschihads durch. Lebe man unter einer „Regierung der Kuffar“, so müssten Muslime versuchen „diese Regierung zu verändern und seine (sic) Existenz zu beenden“.

Ewige Kopftuchpflicht
Weil es um islamisches Grundwissen für Frauen geht, bietet das Buch auch für Muslima unverrückbare Wahrheiten. „In einer Gesellschaft, in der Christen, Juden, Atheisten etc. zusammenleben und in der auch die muslimischen Frauen leben, ist das Kopftuch eines der Hauptsymbole der Identität…. Dieses Unterscheidungsmerkmal hat Allah festgelegt.“ Dies sei „bis in die Ewigkeit gültig“. Die meisten Frauen in der Messehalle haben sich dieser Pflicht bereits unterworfen.
Ehebrecher steinigen
Eine auf Seite 468 festgeschriebene Regel findet aber wohl selbst bei diesem frommen Publikum nicht nur Zustimmung. Denn im Kapitel „Die Strafe für Verheiratete“ geht es darum, welche Strafen auf Unzucht stehen. Wörtlich heißt es da: „Allah hat den Frauen einen Weg geöffnet. Wenn ein Lediger mit einer Ledigen Zina (Unzucht, Anm.) macht, bekommen beide 100 Stockschläge und ein Jahr Exil. Wenn ein Verheirateter mit einer Verheirateten Zina hat (oder ein Witwer mit einer Witwe), gibt es 100 Stockschläge und die Steinigung zu Tode.“
Ungeachtet des haarsträubenden Inhaltes war es gar nicht so überraschend, dieses Buch auf der Messe zu finden. Im Vorfeld hatte ein Aussteller dem exxpress versichert, dass dieser beim deutschen (!) Astec-Verlag erschienene „tolle Leitfaden für die muslimische Frau” (O-Ton Verlagswerbung) in Dornbirn sicher zu erwerben sein werde. Denn das sei „ein berühmtes Buch, das jeder hat”. Eher schon überraschend war, dass die einheimische Messebesucherin am Freitag noch ein Exemplar ergattert hatte. Es war das letzte. Das islamistische Handbuch in deutscher Sprache ist offenbar sehr begehrt. Vielleicht ist es ja das, was die Islam-Föderation mit Völkerverständigung meint.
Schweigsame Politiker
Begehrt wären auch Wortspenden der Landespolitik zu diesem Event. Deshalb hatte der exxpress neben Landeshauptmann Wallner, Landesstatthalter Bitschi und Integrationslandesrat Daniel Allgäuer (FPÖ) auch die vier FPÖ-Landtagsabgeordneten Robert Blum, Nicole Feurstein-Hosp, Andrea Kerbleder sowie Joachim Weixlbaumer über die Hintergründe der sogenannten Kulturmesse informiert. Um eine Stellungnahme ersucht wurden auch SPÖ-Landesvorsitzender Mario Reiter und Grünen-Landessprecher Daniel Zadra. Ebenfalls kontaktiert wurde das Büro von Integrationsministerin Claudia Plakolm (ÖVP). Kein einziger dieser zehn Politiker hat bislang reagiert, was vor dem Hintergrund der parteiübergreifenden Bekenntnisse zum Kampf gegen den politischen Islam verwundert.
Von SPÖ-Bürgermeister Markus Fäßler und der Dornbirner ÖVP-Stadträtin Barbara Röser, welche die Messe besucht haben, ist ebenfalls kein kritisches Wort überliefert. ÖVP-Bundesrat Christoph Thoma postete nach einem Messerundgang auf Facebook: „Einmal mehr gilt: Wir brauchen diesen Dialog, wir müssen den #zusammenhalt stärken, wir müssen andere Kulturen verstehen.“
Auch die Sicherheitsbehörden entdeckten nichts, was das Verständnis hätte erschüttern können. Ein Sprecher der Landespolizeidirektion antwortet auf die exxpress-Frage nach besonderen Vorkommnissen während der fünftägigen Kulturmesse: „Weder strafrechtliche noch verwaltungsrechtliche Straftatbestände sind bei der Polizei zur Anzeige gebracht worden.“
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