Anfang der Neunziger erklärte der damalige FPÖ-Chef Jörg Haider, Wien dürfe nicht Chicago werden, 2005 plakatierte sein Nachfolger H.C. Strache „Wien darf nicht Istanbul werden” und im Wiener Gemeinderat am 21. Jänner 2025 stellt die FPÖ Wien eine dringliche Anfrage an Bürgermeister Ludwig unter dem Titel „Wien darf nicht Birmingham werden”. Was lustig klingt, hat allerdings einen ernsten Hintergrund.

Vor zwei Jahren stand die nordenglische Stadt Birmingham vor dem Bankrott. Mit einer Erhöhung der Kommunalsteuer um 9,99 Prozent und massiven Ausgabekürzungen etwa bei der Müllabfuhr – die Müllentsorgung wurde statt im wöchentlichen nur noch im Zwei-Wochen-Rhythmus durchgeführt – wurde in der zahlungsunfähigen Großstadt ein Konsolidierungspfad eingeschlagen. „Alle Ausgaben bis auf die notwendigsten wurden mit sofortiger Wirkung gestoppt. Seit 2021 sind sechs Kommunen im Königreich effektiv bankrottgegangen. Die Gründe sind unter anderem steigende Ausgaben etwa für die Sozialhilfe wegen der beispiellosen Inflation in den vergangenen Jahren und Fehlinvestitionen”, so die Wiener Freiheitlichen.

3,8 Milliarden Euro Defizit

Dass sich Wien in der gleichen Abwärtsspirale befindet, ist spätestens seit der im Finanzausschuss präsentierten Zahlen eine traurige Tatsache. Statt der prognostizierten 2,2 Milliarden Euro beträgt das Defizit für 2025 nun 3,8 Milliarden Euro. „Ein konkreter langfristiger Plan wurde nicht vorgelegt, auch nicht, wann und wie der Ergebnishaushalt wieder positiv sein wird”, so die Freiheitlichen, die nun in einer dringlichen Anfrage an den Bürgermeister im Rahmen des Gemeinderats in mehr als fünfzig Fragen endlich Auskunft über die finanziellen Gegebenheiten der Stadt erhalten wollen.

Die laufenden Entwicklungen der Eingaben und Ausgaben der Stadt, ihre konkreten Auswirkungen für die stadteigenen Gesellschaften wie Wiener Wohnen, Kanal und Wiener Gesundheitsverbund, Zinserwartungen und wer überhaupt für die laufende Überwachung der Finanzen verantwortlich ist, sind nur einige der Fragen, mit denen die Wiener Freiheitlichen Licht ins Dunkel der Finanzverstrickungen der Stadt Wien bringen will.

Wiener SPÖ-Spitze: Der Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (rechts) mit Finanzstadtrat Peter Hanke (links).APA/APA/HANS KLAUS TECHT

Angesichts der 51 Fragen wirkt die Theorie, SPÖ-Bürgermeister Ludwig habe den Wahltermin vorgezogen, um noch vor der Offenlegung der aktuellen Finanzen der Stadt beim Rechnungsabschluss im Juni die Wiener zur Urne zu bitten, logisch. Doch auch hier möchte die FPÖ den roten Stadtchef nicht so einfach davonkommen lassen: In einem separaten Antrag wird die Vorverlegung des Rechnungsabschlusses gefordert, um noch vor der Wien-Wahl über das gesamte Ausmaß der Finanzmisere informiert zu werden.

Auch der Finanzsprecher der Wiener ÖVP, Manfred Juraczka, verlangte bereits einen aktuellen Bericht über die Finanzlage der Stadt. Für ihn sei das Ausbleiben von Ertragsanteilen „ein strukturelles Wiener Problem.“

Da SPÖ und ihr Koalitionspartner NEOS allerdings die Mehrheit im Gemeinderat halten, ist von einer Ablehnung des Antrags auf Vorverlegung des Rechnungsabschlusses auszugehen. Somit wird den Wienern erst nach der Wiederwahl von Bürgermeister Ludwig das gesamte Ausmaß des Schuldenbergs offenbart.

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Kommentare

  • Mike66 sagt:

    Wenn erst NACH der Wahl das Defizit offengelegt wird, dann ist das eine TÄUSCHUNG DER WÄHLER. Aber in Wien lässt man sich alles gefallen und es wird sich nichts ändern.

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  • Werner sagt:

    Wien heizt mit Gas, Wien kocht mit Gas, Wien erzeugt Strom mit Gasturbinen. Bisher floss kontinuierlich Gas aus dem Osten nach Österreich; damit wurden im Sommer die Speicher gefüllt, im Winter entleert. Nun kommt nichts mehr. Wie will Wien heizen und kochen, wenn der Gaspreis explodiert? Ob nicht eher der zu erwartende Gaspreis die Wahlen nach vorne rutschen hat lassen? Die Schulden sind schon lange zu hoch, den Wählern war es bisher egal.

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  • Weg mit den Steuern für Reiche! sagt:

    Steuern für Vermögende und Reiche ganz abschaffen! Wenn die neue Koalition will das der Standort Österreich atraktiv bleibt und Leute die vermogend sind sich hier wohl fühlen, wäre es gut ein Zuckerl anzubieten. Die Steuergelder könnte man ja bei unnützen Sozialleistungen einheben. Der Aufschrei wäre manöverierbar.

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    1. Simon Wohlhausen sagt:

      👏👏👏 Endlich einmal eine vernüftige Stimme! Danke!

  • Styriacus sagt:

    Wie sprach schon der Häupel: “Die Schulden von Wien gehen keinen was an.”

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  • Sektglas Grünling sagt:

    Wäre das bei einem Privaten fahrlässige oder b e.t-rügerische Krida?

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  • Gültig „gegen“ Grün, ÖVP, SPÖ und NEOS wählen und Freundschaft mit Russland! 🤩 ÖXIT und der Weg wird frei für den Weltfrieden. ☮️ sagt:

    Die SPÖ hat Geheimnisse vor den Bürgern?

    Wie passt das zu Artikel 1 der Verfassung?·

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  • Terpetschnig sagt:

    Wien ist jetzt schon tot !

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  • Zahnfee sagt:

    Mehr Taktik wäre angesagt. Unterstellt der Stadt Wien vor der Wahl ein 10 Milliarden Euro Defizit. Wenn die SPÖ diesen Vorwurf als unverschämte Lüge zurückweist, dann soll der Rechnungshof das Gegenteil beweisen 😉

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  • twayi sagt:

    Es wird nix helfen ..die Wiener begreifen es nicht!

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  • Hello sagt:

    Das Geld anderer Leute geb ich auch lieber aus, als das sauer verdiente eigene.

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