Seit dem Ende des Getreide-Deals zwischen Moskau und Kiew kann die Ukraine nicht mehr Getreide exportieren. Mit Zugeständnissen an den Kreml will UNO-Generalsekretär António Guterres (74) das Abkommen retten. In einem Brief an den russischen Außenminister Sergej Lawrow (73), datiert auf den 28. August, unterbreitete er vier Vorschläge, mit denen er russischen Forderungen ein Stück weit nachkommt. Die Vereinten Nationen arbeiteten dabei mit der EU zusammen, wie aus dem Schreiben indirekt hervorgeht. Mittlerweile liegt der Brief der Deutschen Presse-Agentur vor. Zunächst hatte die „Bild“ darüber berichtet.

Erdogan mit Putin: Die Türkei hat mehrmals seit Beginn der Ukraine-Invasion vermittelt.APA/AFP/TURKISH PRESIDENTIAL PRESS SERVICE/Handout

Erstens: Russlands Staatsbank erhält teils wieder Zugang zu Swift

Die sanktionierte russische Landwirtschaftsbank könne demnach eine Tochtergesellschaft gründen, und somit für bestimmte Zahlungen wieder an das internationale Finanzkommunikationsnetzwerk Swift angebunden werden. Innerhalb von 30 Tagen soll dann auch der Export von Düngemitteln und einiger Landwirtschaftsprodukte aus Russland wieder möglich sein. Die Tochter „würde dann die Rolle einer Schnittstelle übernehmen ohne selbst die Rolle einer Bank zu spielen“, schreibt Guterres.

Die EU-Kommission wollte sich zum Schreiben nicht äußern, ein Sprecher bestätigte aber: Man verfolge die Idee einer Tochtergesellschaft der russischen Landwirtschaftsbank, um eine dauerhaftere Lösung zu finden, Swift-Zahlungen im Einklang mit den EU-Sanktionen für Agrar- und Lebensmittelgeschäfte zu ermöglichen.

Wesentlich mitgeholfen hat beim Zustandekommen des Getreide-Deals die Türkei. Im Bild: Präsident Erdogan mit Selenskyj.APA/AFP/TURKISH PRESIDENTIAL PRESS SERVICE/Handout

Zweitens: Russische Schiffe gegen Attacken der Ukraine versichert

Zweitens sollen russischen Schiffe bei Ausfuhren umfassend gegen Attacken der Ukraine versichert werden. „Die Vereinten Nationen werden die Versicherung unterstützen, um die Bedeutung der russischen Exporte für die weltweite Ernährungssicherheit hervorzuheben“, schreibt der UN-Generalsekretär. Mithilfe des britischen Schiffsversicherers Lloyd‘s soll die Versicherung in vier bis sechs Wochen bereit sein.

Drittens: Düngemittel-Firmen erhalten beschlagnahmtes Vermögen zurück

Drittens soll eingefrorenes Vermögen der russischen Düngemittel-Firmen in Europa wieder zurückgegeben werden. Guterres: „Die Vereinten Nationen können weiterhin bei der Freigabe von eingefrorenen Vermögenswerten russischer Düngemittelunternehmen in der Europäischen Union helfen.“

Russland müsste „eine Liste bestimmter Konten oder Vermögenswerte vorlegen“ und „die russischen Düngemittelfirmen müssen bei den zuständigen nationalen Behörden der EU die entsprechenden Ausnahmeregelungen beantragen“, heißt es weiter. Die UN wolle dann mit den nationalen Behörden und der EU zusammenarbeiten.

Lawrow (r.) und Guterres (l.) tauschen sich im UN-Hauptquartier in New York aus. Kiew und Moskau geben sich gegenseitig die Schuld am Ende des Getreidedeals.APA/AFP/TIMOTHY A. CLARY

Viertens: Russische Schiffe dürfen in Europas Häfen anlegen

Viertens sollen russische Schiffe wieder in europäischen Häfen einlaufen dürfen. Guterres will einen „effektiven Zugang russischer Schiffe, die Lebensmittel- und Düngemittelprodukte transportieren, zu EU-Häfen durch schnelle Hafengenehmigungen zu ermöglichen“.

Die Vereinten Nationen seien bereit, weitere Möglichkeiten zu prüfen, um diesen Zugang zu erleichtern. Die UN-Beamten hätten schon „Gespräche mit der Europäischen Kommission und ausgewählten Hafenbehörden (Deutschland, Belgien, Spanien, Niederlande) geführt“, unterstreicht der UN-Generalsekretär.

Russische Schiffe sollen wieder Zugang zu europäischen Häfen erhalten.APA/AFP/Sameer Al-DOUMY

UN unterstreicht: Es geht um Humanität

Das im Sommer 2022 erreichte und momentan durch den Kreml ausgesetzte Abkommen galt als Meilenstein für die Linderung steigender Getreidepreise angesichts von Millionen vom Hunger bedrohten Menschen. Zeitgleich zu dem Vertrag wurde bereits damals in einem zweiten Abkommen auch die Ausfuhr von Dünger und Nahrung aus Russland beschlossen. Moskau hatte sich aber fortan beschwert, dass es wegen der Sanktionen faktisch nichts exportieren könne.

Auch Dünger ist UN-Angaben zufolge für die Verhinderung einer globalen Hungerkrise von entscheidender Bedeutung. Den Angaben zufolge lagen die Düngerpreise auf dem Weltmarkt zeitweise 250 Prozent höher als vor dem Krieg.

„Die Vereinten Nationen versuchen nicht, Russland zu belohnen. Wir versuchen, die Ernährungssicherheit weltweit zu verbessern. Unsere Ziele sind rein humanitärer Natur“, hießt es aus UNO-Kreisen gegenüber der Deutschen Presse-Agentur.