Das zweite Jahr nach Russlands Invasion neigt sich dem Ende zu, nicht aber der Krieg in der Ukraine. Die verlustreichen Kämpfe gehen unvermindert weiter. Der tödlichste Konflikt in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg wird fortgesetzt. Darauf deuten alle Anzeichen hin.

Allerdings hatte Präsident Wladimir Putin kürzlich im Interview mit US-Moderator Tucker Carlson bekräftigt: Russland sei zum „Dialog“ bereit. Das soll nicht der einzige Versuch des Kreml-Chefs gewesen sein, den militärischen Konflikt einzufrieren und auf diplomatischer Ebene zu lösen. Das berichtet nun Reuters.

Putin unterbreitete Angebot über Vermittler

Die Nachrichtenagentur beruft sich auf drei anonyme russische Quellen – unter ihnen zumindest ein hochrangiger Beamte. Ihnen zufolge schlug Wladimir Putin im vergangenen Jahr einen Waffenstillstand in der Ukraine vor, was die Vereinigten Staaten jedoch ablehnten, heißt es. Zuvor hätten sich Vermittler zwischen beiden Seiten über Putins Angebot ausgetauscht. Alle drei Quellen sind über die Gespräche informiert, berichtet Reuters.

Ungarn fordert als einziger EU-Staat Gespräche mit Moskau. Im Herbst traf sich Viktor Orban (l.) auch offiziell mit Putin (r.).APA/AFP/POOL/Grigory SYSOYEV

Ein ebenfalls anonym bleibender US-Beamte bestritt gegenüber Reuters, dass ein offizieller Austausch zwischen Washington und Moskau überhaupt stattgefunden habe. Überdies würden sich die Vereinigten Staaten niemals auf Gespräche einlassen, bei denen die Ukraine nicht einbezogen wird.

Gespräche fanden Ende 2023 in der Türkei statt

Den russischen Auskunftsquellen zufolge trafen sich die Vermittler Ende 2023 in der Türkei. Anschließend soll Putins dort überbrachtes Signal, zu einem Waffenstillstand bereit zu sein, an Washington weitergeleitet worden sein. Gemäß Putins Vorschlag solle der Konflikt entlang der gegenwärtigen Grenzen eingefroren werden. Gleichzeitig weigerte sich der Kremlchef, einen Teil des von Russland kontrollierten ukrainischen Territoriums abzutreten. Im Kreml sehe man in dieser Vorgangsweise den besten Weg, um zu einer Art von Frieden zu gelangen, berichten die anonymen Informanten.

Offizielle Gespräche zwischen Washington und Moskau gibt es nicht, wohl aber informelle über Vermittler. Das sagte auch Putin (r.) gegenüber Tucker Carlson (l.).APA/AFP/POOL/Gavriil GRIGOROV

Danach hätten sich in Washington hochrangige US-Beamte getroffen, darunter der Nationale Sicherheitsberater des Weißen Hauses, Jake Sullivan, CIA-Direktor Bill Burns und US-Außenminister Antony Blinken. Die Idee: Sullivan meldet sich danach bei Putins außenpolitischem Berater, Juri Uschakow, um die nächsten Schritte festzulegen. Das berichtet eine der russischen Quellen.

Washington beharrt auf der Teilnahme Kiews an Gesprächen

Im Jänner rief Sullivan tatsächlich Uschakow an, um ihm allerdings mitzuteilen: Washington sei bereit, über andere Aspekte der Beziehungen zu sprechen, aber nicht über einen Waffenstillstand ohne die Ukraine. Der anonyme US-Beamte lehnte es ab, sich gegenüber Reuters zu Einzelheiten von Sullivans vermeintlichen Anrufen zu äußern.

Der Nationale Sicherheitsberater der USA Jake Sullivan (Bild) soll Moskau sinngemäß erklärt haben: Ohne Zustimmung der Ukraine tun wir gar nichts.REUTERS/Kevin Lamarque/File Photo

Den russischen Quellen zufolge hat Putin im vergangenen Jahr mehrmals gegenüber Washington signalisiert, dass er zu einem Waffenstillstand in der Ukraine bereit sei. Er habe dies sowohl öffentlich, als auch privat über Mittelsmänner getan. „Die Gespräche mit den Amerikanern verliefen im Sande“, kommentierte eine hochrangige russische Quelle. Ähnlich äußerte sich eine andere Quelle: „Alles ist mit den Amerikanern gescheitert.“ Die USA wollten die Ukraine nicht unter Druck setzen.

Russische Quelle über Verhalten der USA enttäuscht

Der Kreml, das Weiße Haus, das US-Außenministerium und die CIA lehnten alle eine Stellungnahme ab. Der anonyme US-Beamte unterstrich: Offizielle Hinterzimmer-Gespräche mit Russland seien nie geführt worden. Washington habe konsequent darauf geachtet, der Ukraine nicht in den Rücken zu fallen. Es hätten nur informelle Gespräche stattgefunden (sogenannte „Track II Diplomacy“), an denen Vertreter der US-Regierung aber nicht beteiligt gewesen seien. Offenbar herrsche in Moskau Frustration über Washingtons Weigerung, den Vorschlag zu akzeptieren, mutmaßte der Beamte.

Die USA begründen ihre Haltung mit der Einbeziehung der Ukraine. Im Bild: Präsident Wolodymyr Selenskyj (l.) wird von Joe Biden (r.) beim Weißen Haus begrüßt.REUTERS/Kevin Lamarque/File Photo

Eine der russischen Quellen zeigte sich enttäuscht über das Beharren Washingtons, die Ukraine nicht zu Gesprächen zu drängen. Schließlich würden die USA ja den Krieg mitfinanzieren. „Putin sagte: ‚Ich wusste, dass sie nichts tun würden‘“, berichtet eine weitere russische Quelle. „Sie haben die Basis der Kontakte zerstört, für deren Aufbau man zwei Monate gebraucht hatte.“

„Russland kann so lange kämpfen, wie es nötig ist“

Eine andere russische Quelle sieht vor allem in Washingtons Misstrauen gegenüber Putin den Grund für das Scheitern: „Die Amerikaner haben nicht geglaubt, dass Putin ernsthaft an einem Waffenstillstand interessiert ist – aber er war und ist bereit, über einen Waffenstillstand zu sprechen. Er ist bereit, über einen Waffenstillstand zu sprechen. Aber Putin ist auch bereit, so lange weiterzukämpfen, wie es nötig ist – und Russland kann so lange kämpfen, wie es nötig ist“, sagte die russische Quelle. Der Kreml sehe zurzeit wenig Sinn für weiteren Austausch mit den USA in dieser Frage, weshalb der Krieg weitergehen werde.

Das Sterben in der Ukraine geht weiter. Hunderttausende Soldaten auf beiden Seiten sind mittlerweile gefallen.Diego Herrera Carcedo/Anadolu Agency via Getty Images

Dass Gespräche in diesem Umfang stattgefunden haben, und das sie scheiterten, war bisher nicht bekannt. US-Präsident Joe Biden drängt den Kongress unterdessen schon seit Monaten, mehr Hilfe für Kiew zu bewilligen. Damit stößt er zurzeit aber auf den Widerstand jener Republikaner, die zu den Verbündeten des Präsidentschaftskandidaten Donald Trump zählen.