
Rudolf Öller: „Experten“
Es gibt heute Autoritäten für alles, was in den Bauchläden der Beredsamkeit Platz findet: Migrations-, Armuts-, Aggressions-, Klimaschutz- und andere „Forscher“. Das lässt sich steigern, dann spricht man von „Forschenden“. Es gibt hier Bildungs-, Gleichheits-, Diversitäts-, Alte-weiße-cis-Männer- und andere „Forschende“. Die Spitze der intellektuellen Nahrungskette bilden die „Experten“. Es gibt Globalisierungs-, Ausbeutungs-, Unterdrückungs-, Genderismus- und andere „Experten“.
Der legendäre Industriepionier Henry Ford sagte einmal: „Ich beschäftige nie einen Experten. Falls ich jemals die Konkurrenz mit unfairen Mitteln zu Fall bringen wollte, würde ich sie mit Experten ausstatten. Wir haben es leider für nötig befunden, Mitarbeiter loszuwerden, sobald sie sich für Experten halten, denn niemand, der seine Arbeit wirklich kennt, würde sich jemals für einen Experten halten.“
Leider sind die Worte von Henry Ford in Vergessenheit geraten. Andernfalls würden wir nicht tagtäglich von den Stellungnahmen der „Experten“ belästigt werden. Es geht hier nicht darum, Menschen die freie Meinungsäußerung zu verbieten, aber die Flut an „Experten“meinungen hat längst ein Ausmaß erreicht, das eine Trennung von Spreu und Weizen schwierig macht.
Das „Experten“-Unwesen ist keine Modeerscheinung unserer Tage. Atlantikpilot Charles Lindbergh irrte sich, als er verkündete: „Ich würde es viel lieber sehen, wenn sich Goddard mit echter wissenschaftlicher Entwicklung beschäftigte.“ Robert Goddard hatte die erste funktionstüchtige Rakete mit Flüssigtreibstoff gebaut. Besonders häufig irrten sich Militär“experten“. Admiral William Leahy, ein bekannter Sprengstoffexperte des US-Militärs, sagte wenige Tage vor der Explosion der ersten Atombombe zu Präsident Truman: „Das ist der größte Unsinn, den wir jemals unternommen haben. Die Bombe wird niemals explodieren.“ Konteradmiral Clark Woodward meinte 1939, also nur 2 Jahre vor Pearl Harbor: „Was das Versenken eines Schiffes durch Bomben betrifft, es ist völlig ausgeschlossen.“ Im Dezember 1941 versenkten die Japaner mit ihren Zerosen-Bombern mehrere US-Kriegsschiffe, und bei der Schlacht von Midway im Juni 1942 versenkten die Amerikaner mit ihren Sturzkampfbombern in kurzer Zeit vier japanische Flugzeugträger, was der japanischen Marine das Rückgrat brach. Die Geschichte aller Irrtümer von „Experten“ würde ganze Bibliotheken füllen.
Beispiele für leeres Gerede boten die vielen Bildungs“experten“
Der römische Politiker, Schriftsteller und Philosoph Marcus Tullius Cicero meinte einmal, dass es kein Nachteil sei, wenn man von dem, was man gerade sagt, auch etwas versteht. Das gilt besonders für Naturwissenschaften und Statistik. Wer darauf besteht, sich zu naturwissenschaftlichen Themen zu äußern, und niemand wird dazu gezwungen, sollte gut informiert sein und willkürliches Geschwätz vermeiden.
Beispiele für leeres Gerede boten die vielen Bildungs“experten“, die zum Glück großteils wieder verschwunden sind. Als im Jahr 2000 die erste PISA-Studie (Programme for International Student Assessment) veröffentlicht wurde, war das Ergebnis für Österreich so erfreulich, dass das niemanden interessierte. Drei Jahre später erbrachte PISA für Österreich schlechte Ergebnisse, worauf sich plötzlich hunderte „Experten“ aufgeregt zu Wort meldeten. Dass kein Bildungssystem der Welt innerhalb von drei Jahren abstürzen kann, dürfte jedem durchschnittlich intelligenten Menschen klar sein, viele „Experten“ sahen das jedoch anders. Eine simple Anfrage im PISA-Organisationszentrum in Frankreich erbrachte eine überraschende Erkenntnis. Die PISA Bildungsstudien werden nach Stadtgrößen aufgeschlüsselt: Millionenstädte, Städte über 100.000 Einwohner und Orte mit weniger als 100.000 Einwohnern. Rechnet man für Österreich eine bekannte Millionenstadt heraus, kommt ein für den Wiener Stadtschulrat interessantes, aber eher wenig erfrischendes Ergebnis heraus. Österreich hätte ohne Wien jedes Mal ein internationales Spitzenergebnis geliefert. Was die „Experten“ dazu sagen, ist insofern wenig interessant, als sie diese Details nicht zu wissen scheinen oder nicht wissen wollen.
Auch im IPCC (Intergovernmental Panel on Climate Change), dem globalen Zentralkomitee der Klimaforschenden, gibt es „Experten“. Im Jahr 2010 veröffentlichte das IPCC einen Bericht, wonach die Gletscher im Himalaja bis zum Jahr 2035 zu 90 Prozent verschwunden sein werden. Die Überprüfung dieser Behauptung ist einfach. Die Null-Grad-Grenze müsste demnach auf über 8.000 Meter ansteigen. Zurzeit liegt die Schneefallgrenze in der Region relativ hoch bei ungefähr 4.500 Metern. Alle 1.000 Meter sinkt die Temperatur um 6,5 Grad Celsius. Damit die Schneefallgrenze um 1.000 Meter ansteigt, müsste die Temperatur um 6,5 Grad zunehmen. Für einen Anstieg der Schneefallgrenze auf über 8.000 Meter müsste die Temperatur im Himalaja also bis zum Jahr 2035 um mehr als 20 Grad ansteigen, und das behaupten nicht einmal die allerradikalsten Apokalyptiker.
Was täten wir ohne unsere „Experten“?
Nachdem die Leute beim IPCC auf den Fehler aufmerksam gemacht worden waren, verschwand die Studie klammheimlich. Welchen Schluss können wir daraus ziehen? Jedem von uns sind schon Fehler unterlaufen. Fehlerfrei sind nur Menschen, die nicht denken, nichts sagen und nicht arbeiten. Bedenklich ist allerdings, dass keinem der IPCC-Leute und keinem der Lektoren und Korrekturleser der Fehler aufgefallen ist.
Was täten wir ohne unsere „Experten“? Ohne diese Paradiesvögel des Wissens würden wir Dummies glatt ins Verderben rennen.
Kommentare
Und um den Hörern/Sehern völlig den Nerv zu ziehen (bzw. um sie dazu zu bringen, gar nicht mehr zuzuhören), wird nur noch von “Expertinnen und Experten” gesprochen.
Den Vogel zum Expertentum hat kürzlich der ORF abgeschossen, als sie zum Thema Covid und Gesellschaft einen „Komplexitätsexperten“ vorstellte. Wahrscheinlich, weil ihm akademische Titel fehlten.
Das Problem des Expertentums gab es ja schon zu Henry Fords Zeiten, wie der Verfasser des Rants so schön belegt. Den Konnex zu einer politischen Seite stellt er ohne Not, aber dafür sehr wortreich her.
Experten zu allem und jedem gab es zu allen Zeiten und bei Fussballweltmeisterschaften verwandelt sich ganz Österreich in ein Nest absoluter Experten und Autoritäten.
Also ein Thema mit vielen Worten über nichts, von einem, der Experte in Nichts ist 🙂
Argumente wären wie immer besser als persönliche Angriffe.
Auf Basis welcher eigenen Expertise meinen Sie denn, dass Ihnen dieses Urteil über den Autor und seinen Kommentar zusteht?
Im ORF werden auch häufig “Experten” interviewt, wobei die Auswahl nach (linken) politischen Kriterien erfolgt: zu Rechtsfragen die Herren Funk und Mayer, zu geschichtlichen Themen der Herr Prof. Rathkolb. Da kann man im Zwangsgebührenfunk sicher sein, dass sie die “richtigen” Aussagen treffen. Wenn grad keine “Experte” aufzutreiben ist, dann interviewt eben ein ORF-Mitarbeitendes das andere – eines spielt das Interviewende, das andere spielt Expertiseinhabendes. Es ist manchmal wirklich lustig und erinnert mich an die legendären Doppelkonferencen von Farkas und Waldbrunn – wobei deren intellektuelles Niveau bedeutend höher war!
Spannender Kommentar, wie immer!
Wir haben zu viele Akademiker, die nutzlose Studien absolviert haben. Die wollen beschäftigt sein und sich wichtig machen. Deswegen gibt es auch so viele “Experten”. Alleine in Deutschland gibt es über 200 Lehrstühle für “Gender Studies”, also für eine pseudowissenschaftliche, kulturmarxistische Ideologie.
Amüsant und nur zu wahr …
Vielen Dank für diesen beißenden Kommentar, er war längst überfällig in der gegenwärtigen ExpertInnen-Hyperinflation.
Meiner Meinung nach werden in Fernsehen, Radio und Printmedien Menschen als “Experten” bezeichnet, die das sagen, was der Redakteur eigentlich selber denkt, das er aber entweder durch eine interviewte als “Experte” bezeichnete Person verstärken will, oder sich selber nicht sagen traut und es daher aus dem Mund des Experten wiedergibt, quasi als Zitat, und seine eigenen Hände dabei in Unschuld wäscht.
Fachkenntnis der Experten ist für beides nicht erforderlich, wie man häufig beobachten kann, sie müssen nur die passenden (gewünschten) Sätze sagen. Und auf wen man da für die gewünschte Aussage zum jeweiligen Thema als Experten zurückgreifen muss, ist auch keine Rocket Science.
Danke nochmals für den traurig wahren Kommentar, es wäre einfach zu schön, wenn sich das manche Medien zu Herzen nehmen würden.
Um diesen Beitrag als ausgezeichnet zu bewerten, braucht man kein Experte zu sein!
Es ist jedoch hilfreich 🤣
Wenn ich mit einem Experten, egal über welches Thema, sprechen möchte, führe ich am besten Selbstgespräche.
Ein lesenswerter, sehr guter und in der heutigen Zeit wichtiger Artikel, finde ich. Eine kritische innere Haltung allem gegenüber, bis hin zur Fähigkeit der Selbstkritik, sehe ich als positive Charaktereigenschaft. Frei zitiert soll der spirituelle Lehrer Buddha seinen Schülern einmal gesagt haben, sie sollen alles in Frage stellen, auch das was er selbst ihnen sage. Demut und Weisheit sind Formen der Intelligenz, die so manchen “Experten” der heutigen Zeit zu fehlen scheinen.
⭐⭐⭐⭐⭐
Danke für diesen treffenden Artikel. Nicht zu vergessen sind noch die ganzen Corona Experten. Ich habe manchmal das Gefühl die leben alle in Österreich. Genau das ist auch der Grund für die Stagnierenden Zahlen bei der heilsbringenden Impfung. Lauter Experten und jeder widerspricht dem anderen. Jeder kennt jemanden der sich auch nicht mehr auskennt. Habt ein schönes Wochenende und bleibt gesund
0 oder 1, schwarz oder weiß, richtig oder falsch, Himmel oder Hölle – das sind die Dimensionen, in denen sich Anschauungen heute bewegen. Diese infantilisierte Polarisierung ist Ausdruck einer allgemeinen Verdummung, die sich etwa auch in der Fokussierung auf Spitzenkandidaten anstatt Wahlprogrammen äußert. Einfach gestrickte Zeitgenossen werden immer weniger fähig, die komplexe Realität als shades of grey in ihrem analogen Wesen zu begreifen. Sie brauchen einfache digitale Kategorien, in denen zwischen 0 und 1 kein Platz mehr ist, es nur noch krasse Gegensätze gibt. Das verstehen sie. Daher auch die Experten-Inflation. Der Dummkopf sucht sich einen Experten, der seiner Gesinnungsgemeinsachaft nahe steht, lässt sich von ihm die Welt erklären und ist wieder beruhigt, dass sein einfaches digitales Weltbild bestätigt wurde. Das ist unsere traurige Realität. Wenn ganze Rundfunkstationen diese Entwicklung nutzen und nur noch gleichgeschaltete “Experten” die Einheitsmeinung posauenen lassen, wird dann allerdings Gehirnwäsche draus. Wir erleben das täglich….
Wie “gebildet” in Wien aus der Pflichtschule entlassene Schüler sind, möchte ich NICHT wissen.In den Klassen sitzen regelmäßig Kinder, die sich weder untereinander verstehen, noch die deutsche Sprache beherrschen, grundsätzlich heißt es dort: “I geh AMS” und machen dann das, was ihre Eltern machen, nämlich in der Früh nicht aufstehen. ABER, wir haben in Wien einen überaus sympathischen Bildungsdirektor, tritt immer sehr gepflegt, haargeliert und braungebrannt, mit einem Blend a med- weißem, strahlendem Lächeln vor die Kameras und erklärt, wie toll das gesamte Wiener Schulsystem sei, meint wohl, wie stark die Muslimisierung Wienlamabad unter dem muslimischen Bürgermeister Wiens Dr.islm Michöl Ludotürk schon fortsgeschritten ist. ( siehe Kulturkampf in den Schulen / Susanne Wiesinger) P.S: Derzeitig haben wir im ORF nur noch “Expertinnen”, weil ORF-VollkofferInnen zwar gerne genderifiziert sprechen wollen, aber es nicht können, denn zwischen der männlichen Form und der weiblichen Form müsste eine spürbare Pause eingelegt werden, und das ist eben schwer. Aber man muss Geduld haben mit den politisch Korrekt*innen, brauchen eben auch ihre Zeit. Hoffe, dass Weißmann mit diesem Spuk aufräumt.
Auch alle anderen Sender strotzen jeden Tag mit immer wieder neuen Experten und Spezialisten. Der Artikel ist ausgezeichnet geschrieben, obwohl ich mit dem Herrn Professor nicht immer gleicher Meinung bin.
Danke für ihre pointierte Analyse!
Es gibt Wissenschafter, und es gibt Geschwätzwissenschafter. Letztere werden als ExpertenInnen bezeichnet.