
Rudolf Öller: Postmoderne
Die Postmoderne ist die Ideologie der Schlampigkeit: Alles ist irgendwie richtig oder auch falsch. Alles ist möglich – was in Blasen für betreutes Denken besonders erfolgreich wurde, entwickelte sich schließlich auch zum ersten Vorläufer der heutigen cancel culture, so eXXpress-Kolumnist Rudolf Öller.
Während der Sechzigerjahre des letzten Jahrhunderts entstand eine nicht genau definierbare Kunst- und Wissenschaftstheorie, die so genannte „Postmoderne“, wobei sich erste Ansätze bereits in den Dreißigerjahren finden. Die Postmoderne ist die Ideologie der Schlampigkeit: Alles ist irgendwie richtig oder auch falsch, es ist egal. Einer ihrer bekanntesten Vertreter ist der österreichisch-amerikanische Philosoph Paul Feyerabend, der in Büchern wie „Against Method“ („Wider den Methodenzwang“) oder „Science and Free Society“ („Erkenntnis für freie Menschen“) verkündete: „Anything goes“. Die Parole wurde im Deutschen mit „alles ist möglich“ übersetzt und war in den Blasen für betreutes Denken besonders erfolgreich. Was zur Kunst und Kultur erklärt wurde, war Kunst und Kultur. Wer nicht mitmachte, wurde für reaktionär erklärt. Das waren die ersten Vorläufer der heutigen cancel culture.
Realitätsphobien
In den Naturwissenschaften ist die Sache wegen des korrigierenden Elements der Überprüfbarkeit wesentlich schwieriger. Das ist der Grund, warum sich die Anhänger der Postmoderne im Laufe der Jahrzehnte ihre eigenen „Wissenschaften“ bastelten, deren Inhalte nur aus Realitätsphobien bestehen. Dazu zählen Konstruktivismus, Genderismus und andere Bereiche. Konstruktivisten halten alle Erkenntnisse für Produkte politischen Handelns. Sogar Naturgesetze zählen dazu. Die Lichtgeschwindigkeit – rund 300 Millionen Meter pro Sekunde – und alle anderen Naturgesetze wären demnach nicht die Produkte von Messungen, sondern wurden nach der postmodernen Vorstellung willkürlich „konstruiert“.
Impertinenz
Konstruktivisten finden sich in Kulturwissenschaften, insbesondere unter Psychologen, Soziologen und verwandten Fachgebieten. Diesen Leuten war die Macht der Naturwissenschaften immer schon ein Dorn im Auge. Im Jargon der Postmoderne wurden die Naturwissenschaften immer wieder kritisiert. Die Impertinenz, Naturgesetze demokratiefrei zu formulieren, wird Biologen, Chemikern und Physikern nach wie vor nicht verziehen.
Es fanden sich immer wieder Naturwissenschaftler, die sich öffentlich über Konstruktivisten und Genderisten lustig machten. Berühmt wurde der Jux des amerikanischen Physikers Alan Sokal, der den Vertretern der „Cultural Studies“ ein faules Ei legte. Sokal schrieb einen haarsträubend dummen Artikel und reichte ihn im Frühjahr 1996 bei einer postmodernen Zeitschrift ein. Der Artikel erschien. Sokal behauptete, dass die Naturwissenschaften ein konstruierter Schwindel seien, dass dies die Quantenphysik längst bewiesen habe und dass Naturgesetze in Wahrheit nicht existierten. Jeder durchschnittliche Student der Physik hätte den Aufsatz als Blödsinn entlarven können.
Der Text wurde in den Feuilletons zahlreicher Zeitungen und Magazine mit Begeisterung diskutiert, bis Alan Sokal in einer anderen Zeitschrift bekannt gab, dass es sich um eine Parodie handle. Sokal hatte die postmodernen Phrasendrescher mit Hilfe ihrer eigenen „Wissenschaft“ vorgeführt. Leider ist die postmoderne Ideologie, wonach alles möglich sei, nicht aus der Welt verschwunden. Eher im Gegenteil. Postmoderne Dummheit hat den Marsch durch die Institutionen bis nach oben geschafft, was zahlreiche Beispiele zeigen.
Schuss ins Knie
Der schlimmste Schuss ins eigene Knie durch postmoderne EU-Parlamentarier war der kürzlich von den linken Parteien mit Mehrheit durchgebrachte Antrag, dass in zwölf Jahren keine benzin- oder dieselgetriebenen Fahrzeuge mehr verkauft werden dürfen. Von diesem Verbot sind nicht einmal Bio-Kraftstoffe oder Hybrid-Autos ausgenommen. Dieser Parlamentsbeschluss tritt zwar erst dann in Kraft, wenn ihm auch die Regierungen der EU-Staaten zustimmen, aber das ändert nichts am Entsetzen vieler Bürger über das weltfremde EU-Parlament. In zwölf Jahren sollen wir also alle elektrisch oder mit Wasserstoffgas fahren. Nur die Allernaivsten glauben, dass Europa das in so kurzer Zeit schaffen kann, denn für sie ist ohnehin alles konstruiert, auch die Gesetze der Physik.
Manchmal schaffen es postmoderne Phantasten sogar bis in die Chefetagen. Ein besonders groteskes Beispiel ist eine Firma für Flugzeugbau – der Name tut nichts zur Sache. Postmoderne Manager beschlossen, von ihren Ingenieuren ein Lufttaxi entwerfen und bauen zu lassen. Das sei ganz einfach, meinten sie, man müsse nur die kleinen Drohnen mit den Kameras, die es längst gibt, größer bauen. Personen sollten – natürlich elektrisch – von Innenstädten zu den Flughäfen transportiert werden. Man hängte dem Projekt die Ausdrücke „innovativ“ und „nachhaltig“ um, und schon stieg die Begeisterung ins Unermessliche. Das war im Jahr 2015.
Die Techniker, die sich der Megadrohne annahmen, merkten schnell, dass die Sache nicht funktionieren kann. Nicht wegen deren Unfähigkeit, sondern wegen der von postmodernen Zeitgenossen so verschmähten Naturgesetze. Kleine Systeme kann man nicht ohne gravierende Neuentwicklungen um ein Vielfaches größer bauen. Der Hemmschuh war in diesem Fall das viel zu hohe Gewicht der Batterien. Einige Manager meinten, die Ingenieure sollten nicht kleinkariert sein, sondern endlich größer denken lernen.
Vier Jahre später sollte ein Prototyp vor eingeladenen Honoratioren starten. Die Megadrohne hob wenige Zentimeter vom Boden ab, begann zu qualmen und sank wieder zu Boden. Die verrauchte Szene, die an einen Film von Stan Laurel und Oliver Hardy erinnerte, war kein unglücklicher Vorführeffekt. Sie war das Resultat postmoderner Träumer.
Postmoderne Manager produzieren auch in der Privatwirtschaft Schäden, was in erster Linie ihren Firmen und Geldgebern auf den Kopf fällt. In der Politik richten postmoderne Knallchargen regelmäßig Schäden an, die uns alle betreffen. Zum Dank werden sie gewählt, manchmal sogar mehrmals.
Rudolf Öller ist promovierter Genetiker der Universität Tübingen und seit Jahrzehnten sowohl als Kolumnenschreiber als auch als Buchautor publizistisch tätig. Öller ist gebürtiger Oberösterreicher, hat in AHS und BHS Naturwissenschaften und Informatik unterrichtet und war ehrenamtlicher Rettungssanitäter, Blaulichtfahrer und Lehrbeauftragter beim Roten Kreuz. Er lebt heute in Vorarlberg.
Kommentare
Herr Öller, das Flugtaxi ist nicht an der Physik gescheitert sondern sehr wohl an der Unfähigkeit der Ingenieure dieser Firma. Es gibt nämlich längst solche batteriebetriebenen Flugtaxis. Sie werden sogar in Österreich in St.Martin, für ein chinesisches Unternehmen hergestellt. In Österreich dürfen sie, vermutlich von Politikern die nicht an Visionen glauben, noch nicht zum Einsatz kommen.
Somit ist nunmehr auch klar:
Diese ekelhaften Blutschüttbilder sind also postmoderne (selbsternannte) Kunst und Kultur.
In den Naturwissenschaften regeln die Naturgesetze, was geht und was nicht. Die “Sozial- und Geisteswissenschaften” verkommen immer mehr zu einem Sammelsurium abstruser Glaubensinhalte.
Postmodernes Denken ist in den letzten Jahren auch und vor allem ein gefährliches Phänomen der politisch Rechten geworden: Die Republicans mit ihren “alternative facts” (wie z.B. die gestohlene Wahl), enorme Wissenschaftsfeindlichkeit in Bezug auf Klimawandel und Corona (Bolsonaro: Wer sich impfen lässt könnte sich in einen Alligator verwandeln). Bei uns war türkis sehr postmodern: Blümel nannte sich “konservativ-progressiv”, Kurz meinte auf die Kritik seine Politik sei alles andere als christlich, was man unter christlich verstehe sei völlig subjektiv und er verstehe halt was anderes darunter.
Klassisches Framing, deshalb muss ich Ihnen leider widersprechen, Hr. Öller. In 12 Jahren werden bloß keine NEUEN Verbrenner mehr zugelassen, nicht alle bestehenden verboten. Heißt, alle bereits angeschafften fahren weiter bis zum letzten Tropfen Benzin oder Diesel. Ich würde mir jedenfalls schon heute keinen NEUEN Verbrenner mehr anschaffen. Man wird ihn in wenigen Jahren kaum noch verkaufen können.
Der Urmeter ist wie vieles ein Konstrukt. Ohne Konstruktivismus geht gar nichts
Das Urmeter ist im Gegensatz zur Lichtgeschwindigkeit kein Naturgesetz und keine Naturkonstante. Es ist eine definierte Vergleichsgröße zum Zwecke der Vereinheitlichung von Messungen.
Das “Urmeter” (ein Stab aus Platin) gibt es meines Wissens noch. Aber der Meter ist längst mit der Lichtgeschwindigkeit als Konstante definiert — die Strecke, die das Licht im Vakuum während eines Zeitintervalls von 1/299 792 458 Sekunden durchläuft.
Man soll nichts kritisieren, was man nicht verstanden hat. Wikipedia meint “Der Wert der Lichtgeschwindigkeit wurde hierfür auf exakt 299792458 m/s festgelegt.“ – und dann kommt die Aufzählung der Bedingungen, unter denen der – konstruierte- Wert zutrifft oder auch nicht. Im Übrigen hat die Quantenphysik, aber auch die Physik-Grundlagenforschung, längst erwiesen, wie dynamisch Gravitation ist und wie sehr sie Lichtwellen beeinflusst. Unpassender kann man ein Beispiel nicht auswählen.
Die Vakuumlichtgeschwindigkeit ist eine Konstante und überall als Konstante angegeben. Sie ist sogar so radikal konstant, dass sie in allen Bezugssystemen gleich ist. Raum, Zeit und Masse sind hingegen relativ.
Jeder Etrusker, jeder Maya ist/war gebildeter, logischer als das ganze Sammelsurium der Konstruktivisten !! Ich höre diesen Wahnsinn gelegentlich bei Gesprächen von Grün*nnen im Bekanntenkreis der Schwester meiner Frau – unpackbar , diese Dummheit , einfach unpackbar !!! Unpackable , engl. 🙂 🙂
Hochgebildete Leute wie z.B. die grünen Ricarda Lang und Annalena Baerbock schaffen sich eine neue Welt, die nach ihren – und nur nach ihren – Gesetzen funktioniert und die sie in ihren div. Bastelstuben und elitären Denkfabriken zusammengeschraubt haben.
Cool! 😎
Immerhin, Robert Habeck hat einen Magisterabschluss mit einer Abhandlung zu den Gedichten von Casimir Ulrich Boehlendorff.
Und mit einer literaturwissenschaftlichen Arbeit über literarische Ästhetizität wurde er sogar mit dem Dr. phil. geehrt!
Ich finde, das sind wohl die allerbesten Voraussetzungen, um Vizekanzler und Bundesminister für Wirtschaft (!) und Klimaschutz zu werden!
Generell ist die hohe Bildung der grünen Politiker*innen lobend hervorzuheben, wie der Bachelorabschluss der Sigrid Maurer in Soziologie, nachdem sie das Studium der Musik- und Politikwissenschaften wegen nachlassendem Interesse hat sein lassen. Einfach so.
Sollte es jemand noch nicht wissen: Frau Maurer hat somit wohl auch die allerbesten Voraussetzungen erworben, demnächst als Vizekanzlerin (und Wirtschaftsminister*in wie Robert Habeck?) die Geschicke Österreichs mitzulenken!
Ich finde, das ist schon mehr als 😎, das ist schon geil! 😍
@Bruno : guter, auch lustiger Beitrag ! Bravo !! Aber mit dem finalen, sentenziellen Wortspiel “Maurer-geil” haben Sie mir jetzt den lauen Abend verdorben. Jetzt muß ich mein Augenblicklich Herausgestülptes selbst wegräumen…. 🙁
Paul Feyerabend meinte: Ihr könnt forschen wie ihr wollt, ihr werdet den Fortschritt nicht aufhalten.
Die Vakuumlichtgeschwindigkeit ist 299.792,458 km/s, das sind rund 300 Millionen Meter pro Sekunde. Was soll da nicht stimmen?
In verschiedenen Zeitungen (FAZ, Kurier, etc) war zu lesen, dass im Bundesstaat Oregon das “Lehrpersonal sensibilisiert werden soll” um mit der rassistischen Mathematik der weissen Bevölkerung richtig umzugehen. Das erinnert an Zeiten der Sowjetunion , da gab es an Universitäten “Institute für dialektische Logik”. Als die UdSSR dann in die Raumforschung eingestiegen ist und erste Satelliten ins All schoss, hatte man diese Institute wieder geschlossen. ( Die formale Logik / Mathematik war halt doch wichtiger).
Der Autor des Beitrages müsste gar nicht nach Amerika schauen. Ein Blick in die Literaturliste einer ehemaligen Vbg. Politikerin besagt, dass auch sie einer Satire aufgesessen ist. “Wer hat Dornröschen wachgeküsst?” ein von Iring Fetscher verfasstes Buch ist, laut Aussage von I.F, eine Parodie auf Grimms Märchen. Geschrieben währen endloser und unsinniger Sitzungen an der Uni Frankfurt. Er hätte sich aus Jux diesen Spass erlaubt. Um aber Einwände zu entkräften, die Aufnahme in die Literaturliste erfolgte aus wissenschaftlichen Gründen!
Das mit der Lichtgeschwindigkeit kann wohl nicht ganz stimmen….
Die Längeneinheit Meter ist über die Lichtgeschwindigkeit im Vakuum definiert. Der Wert der Lichtgeschwindigkeit wurde hierfür auf exakt 299.792.458 m/s festgelegt.
Mit irgendeiner Einheit muss ja gemessen werden, um die Geschwindigkeit für alles was sich im Himmel und auf Erden bewegt einheitlich zu definieren. Ich finde das metrische Einheitensystem recht vernünftig.
Sie können aber auch das angloamerikanische Maßsystemverwenden verwenden, wenn Sie das irgendwie lustiger finden. Das Licht wird deshalb nicht schneller oder langsamer.
LG und einen ☀️ Sonntag!
Hmmm , sind Sie Konstruktivist ?? Ich denke schon, denn sogar auf Lügen-Wikipedia ist das nachzulesen….. 🙁