Ruth Pauli: Es lebe die Streitkultur!
Um Himmels willen! Es werden „Spannungen“ wahrgenommen! Eine „Spaltung“ droht! Wirklich? Darf es in einer Bevölkerung von mehreren Millionen Menschen nicht zwei oder mehrere stark ausgeprägte Meinungen nebeneinander geben? Brauchen wir die Friedhofsruhe real existierender Diktaturen? Irgendwie scheinen wir mit diesem Harmoniebedürfnis das Wesen unserer Demokratie misszuverstehen.
Als die Pandemie vor eineinhalb Jahren über uns hereinbrach, da standen wir angesichts der unsichtbaren Gefahr zusammen. Alle (wirklich alle?) sahen die Notwendigkeit der Isolation ein – man schützte sich selbst und die Alten und Vulnerablen, blieb zu Hause und stand hinter der Regierung – ein einig Volk von Vorsichtigen.
Mit anhaltender Virusgefahr und steigender Maßnahmen-Müdigkeit kam der Widerstand an die Oberfläche. Wilde Verschwörungstheorien heizten die Stimmung an, besonders, als der völlig neuartige Impfstoff endlich da war. Die Demos (gegen den Fortschritt) schwollen an und der blaue Kickl ritt auf der Welle als Anti-Corona-Führer. Manche haben sich gewundert, manche geärgert, doch man hat es hingenommen.
Aber jetzt, bei einer Impfrate von fast 65 Prozent, wird plötzlich die große „Spaltung“ diagnostiziert. Halten wir es nicht aus, dass es Menschen gibt, die Angst vor der Impfung haben? Ob aus rationalen oder irrationalen Gründen ist egal: Wer Angst hat, hat Angst. Und wenn ein ehemaliger deutscher Bundespräsident diese Menschen als „Bekloppte“ bezeichnet, was in heimischen Medien gerne übernommen und mit „Deppen“ eingeösterreichert wird, dann sind’s diese Hochmütigen, die „spalten“.
Wer sich impfen lässt (lassen kann), ist geschützt. Fast eine Million Unter-12jährige können noch nicht geimpft werden. Dann gibt es Menschen, die aus gesundheitlichen Gründen ablehnen müssen. Und der Rest, vielleicht 15 Prozent, hat eine andere Meinung, lehnt den Stich ab. Ja, es ist nur eine andere Meinung, denn festes Wissen gibt es bei diesem neuen Virus nicht. Man kann den Wissenschaftlern trauen oder nicht. Die Entscheidung, sich durch Impfung zu schützen oder ungeimpft die Krankheit zu riskieren, fällt jeder für sich. Wir werden sie aushalten, diejenigen, die sich nicht überzeugen lassen – und die niemand das Recht hat, Deppen zu nennen.
2015 kam die Moral ins Spiel
Es hat schon bei so vielen Themen mindestens zwei Meinungen gegeben, die diametral entgegengesetzt waren. Wir haben für und gegen „das Atom“ gekämpft – knapp dagegen gestimmt und sind langsam zu einer eingeschworenen „atomfreien“ Nation geworden. Wir waren für und gegen den EU-Beitritt, wir haben abgestimmt und sind mit manchen Auf und Ab‘s doch ein Volk von Europäern. Wir haben für und gegen ein Berufsheer plädiert, die Frage per Abstimmung geklärt. Waren das Spaltungen? Vielleicht, am Höhepunkt der Diskussionen. Aber eigentlich wurde das immer als etwas Natürliches, absolut nicht Explosives wahrgenommen: Zwei entgegengesetzte Meinungen, das hält ein Land leicht aus. Nur eines war bisher immer: Man hat dem Andersdenkenden nicht die Intelligenz abgesprochen. Was eigentlich die Grundlage für jede ernst gemeinte Diskussion ist.
2015 kam dann die Moral ins Spiel. Da waren die „Welcome“-Bewegten, die die Skeptiker, denen die Flüchtlingswelle zu groß schien, als „unmoralisch“, „unchristlich“, unmenschlich“ diffamierten. Auch jetzt, angesichts der Afghanistan-Krise, reden die einen wieder vom Gebot der Menschlichkeit (ausgerechnet bekennende Atheisten strapazieren besonders gern das Diktat der christlichen Nächstenliebe) und sprechen damit denjenigen, die vor dem Überstrapazieren der sozialen Fundamente warnen, jede Moral ab. Nur: Wer sich im Alleinbesitz der Moral glaubt, lässt keine andere Meinung gelten. Und diese Spaltung lässt sich dann nicht mehr überbrücken. Da steht dann nicht mehr Argument gegen Argument – da gibt es nur die eine, allein-seligmachende Wahrheit.
Nur Diktaturen verordnen ihrem Volk eine einzige Meinung
Unterschiedliche Meinungen sind der Alltag einer Demokratie. Welche vorherrscht, dafür gibt es Wahlen – da kandidieren Parteien, was an sich schon die Normalität einer „Spaltung“ signalisiert: Parteien sind eben nur Teile („pars“) der Gesellschaft. Und auch wenn in unserem Parlament viereinhalb sozialistische Parteien sitzen, sind sie Abspaltungen, Teile und haben bei manchen Themen zum Glück immer noch unterschiedliche Auffassungen. Wenn man so will, dann ist Demokratie nichts anderes, als mit der natürlichen Spaltung der Gesellschaft friedlich umgehen zu können. Nur Diktaturen verordnen ihrem Volk eine einzige Meinung.
Darum sollte uns die „Spaltung“ durch die Impfgegner, die sich ja selbst am meisten gefährden, weniger beschäftigen als die Tatsache, dass immer mehr Österreicher sagen, dass sie nicht mehr wagen, ihre Meinung öffentlich zu äußern. Darin liegt eine größere Gefahr für unsere Freiheit als in jeder 1-G-Regel.
Unbeeindruckt von dystopischen Meinungstrends und spitzzüngig gegen Nonsense-Gerede artikuliert sich auch Ruth Pauli (70). „Erst denken, dann twittern“, warnte die Autorin und langjährige ehemalige Innenpolitik-Redakteurin einmal. Schon früh blickte die gebürtige Wienerin über den österreichischen Tellerrand, ihre Studien- und Forschungsjahre führten sie in die USA, die Sowjetunion und nach Frankreich. Nach der Promotion über russische Literatur arbeitete sie unter anderem bei der „Wochenpresse“, der „Presse“ und dem „Kurier“. Sie brachte mehrere Bücher heraus, ob als Übersetzerin, Autorin oder als Herausgeberin.
Kommentare
Lieber Knatterton!
“Eine Glaskugel, wer in Zukunft eine Gewalttat begeht hat natürlich keiner. ”
Dann können Sie sicher aufklären, warum Sie ständig Werbung für die Identitären machen 🤣
Kontakte zwischen einem Terroristen und Massenmörder und Herrn Sellner sind nicht zu leugnen, auch wenn er den Mailverkehr mit dem Attentäter zu löschen versuchte hatte und ein Handy im Blumentopf zu verstecken versuchte. Wenn da der Verfassungsschutz nicht weiter ein Auge darauf hat wäre das grob fahrlässig.
Die guten Kontakte von Martin Sellner zu einem Terroristen und Massenmörder sind jetzt trotz des im Blumentopf versteckten Handys, und dem Versuch die Emailnachrichten zu löschen aufgeflogen. Wenn der Verfassungsschutz da nicht weiter ein Auge draufhaben würde, wäre das eine weitere grobe Fahrlässigkeit. In diesem Sinne mache ich gerne Werbung für die Identitären. Jeder Spender sollte sich darüber im Klaren sein, dass auch er näher durchleuchtet werden könnte. Wer drauf steht….
Die guten Kontakte von Martin Sellner zu einem SPÄTEREN Terroristen und Massenmörder ..
D.h.: Jeder Bekannter ist ein potentieller Terrorist und Massenmörder!
*Facepalm*
♦ Politiker sollten sich begnügen, mit Kompetenz und Verantwortung das Land zu regieren und zu verwalten, alleine dazu hat sie das Volk gewählt.
♦ Heute aber spielen die meisten Volksvertreter***innen die moralisch überlegenen Guten & Anständigen, die Experten für alles, die dem Volk vorschreiben wollen, was es zu tun soll und was nicht. Und was gut und böse ist natürlich auch.
Und wer nicht diskussionslos mitmacht, ist Rechtspopulist, Querdenker und irgendein Leugner und Hasser …
Die Moral glauben meist beide Lager auf ihrer Seite zu wissen. Man erinnere sich an die Äußerung von Dominik Nepp, dass Menschen die Flüchtlinge an den Bahnhöfen willkommen geheißen haben, nach Gewalttaten durch Asylwerber nun selbst Blut an ihren Händen kleben hätten. Absurder geht es kaum noch. Impfgegner sehen es wahrscheinlich als unmoralisch an, sie zur Impfung drängen zu wollen, bzw. Kinder impfen zu lassen. Leider kommt es bei kontroversen Themen oft zu einer eskalierenden Dynamik, die keine faktenbasierte Diskussion mehr zulässt.
Und als ein noch unbescholtener Neuseeländer einem Österreicher Geld spendete, war das ein Jahr später natürlich was ganz, ganz anderes, gell 😈
Es hat sich dadurch gezeigt, dass jemand der für die Identitäten spendet engmaschig. observiert werden sollte.😉 Die SPÖ hat daher die gefeanzte 15 Euro Spende von Martin Sellner nicht angenommen. Man weiß ja jetzt mit wem man es zu tun hat. VdB konnte das “Fanfoto” im Wahlkampf noch nicht abwehren.
Wie offen und ungeniert Sie Ihre Doppelmoral zeigen. Respekt! Nach der Logik ist jeder Muslim der für eine Moschee, bzw. muslimischen Verein spendet engmaschig zu observiert. Dasselbe gilt auch für Spender und Unterstützer von linksideologisierten Vereinen 🤣
Es könnte ja sein, dass der Spender in einem Jahr eine Straftat begeht 😉
Muss ich ihnen jetzt noch die Bedeutung dieses 😉 Smileys erklären. Eine Glaskugel, wer in Zukunft eine Gewalttat begeht hat natürlich keiner. Wer für eine Moschee, einen unbescholtenen Verein oder eine christliche Kirche spendet, muss natürlich nicht observiert werden. Anders verhält es sich, wenn die Moschee Berührungspunkte zu Extremisten hatte; wie eben jetzt auch die österreichischen Identitären durch ihre Emailkontakte und die Spende von einem Terroristen.- Wer für die Grauen Wölfe spendet gehört natürlich ebenso observiert und nach Möglichkeit dem Heimatstaat anempfohlen. Aber in Österreich interessiert es anscheinend nicht einmal besonders, wenn ein Islamist Kriegsmunition kaufen will. Kaspar Einems Spende für das Tatblatt habe ich übrigens auch nie verstanden.
Die Spaltung ist keine Folge von unterschiedlichen Standpunkten.
Was wir im Moment erleben, ist eine noch nie dagewesene Gnadenlosigkeit, mit der dem jeweilig Andersdenkenden jegliche moralische Integrität abgesprochen wird.
Das ist neu.
Lieber Knatterton!
“Eine Glaskugel, wer in Zukunft eine Gewalttat begeht hat natürlich keiner. ”
Dann können Sie sicher aufklären, warum Sie Werbung für die Identitären machen 🤣
Viele geistreiche, gebildete Linke früherer Jahre sahen ihr Ziel darin, den politischen Gegner mit ihrem Intellekt in die Knie zu zwingen. Ihre kümmerlichen Nachfahren entziehen sich der Auseinandersetzung. Es reicht ihnen, auf dem hohen Ross moralischer Überlegenheit zu sitzen und jeden zu diffamieren 😉
R. Pauli: “Darum sollte uns die „Spaltung“ durch die Impfgegner, die sich ja selbst am meisten gefährden….”
Wie bitte? Da lassen sich Impfbefürworter, die ansonsten nur Bio-Gemüse essen und große Angst haben zu erkranken, wenn sie mal keine Bio-Lebensmittel essen, einen chemischen Cocktail spritzen von dem absolut niemand wissen kann welche Auswirkungen er langfristig auf die menschliche Gesundheit hat!
Wieviele Menschen sind eigentlich schon durch oder an der “lebensrettenden Impfung” gestorben?
Hugo Portisch, der im Radio noch die Impfung propagiert hat, weilt auch nicht mehr unter uns. Muss aber nix mit der Impfung zu tun haben. Das nur so nebenbei.
“Wieviele Menschen sind eigentlich schon durch oder an der “lebensrettenden Impfung” gestorben?” Und, liegen Leichenberge von Geimpften in den Straßen?
Und, liegen Leichenberge von Coronatoten in den Straßen?
Und, liegen Leichenberge von Ungeimpften in den Straßen?
@Rieser beeindruckt durch Schlagfertigkeit.
aber die ungeimpften auf den Intensivstationen
Wie viele Personen mussten insgesamt, seit Beginn der Pandemie bis heute, aufgrund von Covid-19 intensivmedizinisch versorgt werden?
Ganz kann ich nicht zustimmen. Vielen, leider auch mir, droht die Absage / Verschiebung einer OP. Somit entsteht in diesem Fall ein unmittelbarer, persönlich spürbarer Nachteil.
Danke für den allzu treffenden Kommentar!
Eine kleine Anmerkung zum Schlussabsatz und Ihrer Formulierung “„Spaltung“ durch die Impfgegner”:
In diesem sieht man die Problematik der gegenwärtigen Diskussion:
Mittels des Begriffs “Impfgegner” werden pauschal alle bezüglich der Corona-Impfung ablehnend eingestellten Personen in einen Topf geworfen, und unter einem negativ konnotierten Begriff summiert.
Dabei ist diese Gruppe höchst inhomogen:
– ein Teil davon ist gegen jede Impfung
– ein Teil davon bezweifelt, ob Corona tatsächlich eine Pandemie darstellt
– ein Teil davon bezweifelt die Corona-Maßnahmen, deren Wirksamkeit und deren Verhältnismäßigkeit
– ein Teil davon bezweifelt die mRNA-Impftechnologie (und wird sich aber mit konventionellen Impfstoffen impfen lassen, sobald diese verfügbar und freigegeben sind)
– ein Teil davon hat angesichts des ganzen kurzfristigen Hin-und-Her und der ständig sich ändernden “Wahrheiten” das Vertrauen in die Kompetenz der politischen Entscheidungsträger und ausführenden Behörden verloren
Weltbild, Sachkenntnis und Interessenslage dieser Gruppen ist höchst unterschiedlich, und sie alle pauschal in einen Topf zu werfen zeigt eigentlich nur, dass politische Akteure und Medien sich nicht differenziert mit deren Motivation beschäftigen wollen.
Die moralische Keule (“Impfgegner”, “Impfverweigerer”, “Gefährder”, …) wirkt gegen all diese Gruppen, holt aber keine dieser Personen ins Boot.
Wer spaltet da also?
Falls ich den Beitrag von Frau Pauli richtig verstanden habe, geht es hier nicht darum, eine Trennlinie zwischen Geimpften und Ungeimpften zu ziehen und all die Beweggründe für oder gegen die Impfung gegen Covid aufzuzählen, sondern es geht um den respektvollen Umgang in einer Demokratie, der nicht dort enden sollte, wo eine diametrale Meinung geäußert bzw. vertreten wird. Dieser respektvolle Umgang wird seit 2015 mit der sog. “Moralkeule” nämlich zu Grabe getragen. Somit stimme ich Frau Pauli, wenn sie von Spaltung schreibt, zu und danke ihr für ihren sehr zutreffenden Kommentar!