
Ruth Pauli: Es reicht mit der Ein-Themen-Politik!
Am Anfang dieser Regierung stand die Hoffnung: die wilde Frische des türkis-grünen Experiments könnte unser Land entstauben. Aber das will nicht und nicht Fahrt aufnehmen. Es gibt immer nur ein Thema – zuerst die Pandemie (zurecht alles beherrschend), dann die afghanische Katastrophe, immer wieder das Klima. Aber war da nicht noch einiges? Mehrthemen-Politik kann doch nicht so schwer sein, besonders in einer Zeit des obligaten Multi-Tasking?
Mit der Pandemie ist das Gesundheitsministerium zum Dreh- und Angelpunkt unser aller Schicksal geworden. Ausgerechnet jenes Ministerium, das seit seiner Einführung in den Siebziger Jahren als das unwesentlichste angesehen, auch personell lieblos bestückt und schließlich unter Türkis-Blau als Wurmfortsatz dem Sozialministerium eingemeindet wurde. Aber plötzlich war der Gesundheitsminister der wichtigste Mann im Land und das riesige Sozialministerium der Wurmfortsatz.
Bei einer Durchimpfungsquote von immerhin 60 Prozent und der schon vierten Welle müsste der nicht mehr ganz neue Minister langsam anfangen können, reformerisch zu arbeiten. Aber Werner Mückstein ist vor allem mit seinem Image als alternativer Gesellschaftspolitiker beschäftigt. Vegane Turnschuhe statt Ledertreter, E-Scooter statt Dienst-Diesel (ginge es ihm um Vorbildwirkung, hätte er, der Arzt, wenigstens einen Helm dabei getragen, was Mediziner wegen der vielen Kopfverletzungen längst besorgt fordern). Auch die Reichen zu besteuern, hat er sich schon zum Ziel gesetzt – diesmal sollen sie für Corona zahlen.
1-G ist vollkommen berechtigt
Das alles scheint ihn mehr zu beschäftigen als sein Ressort. Er braucht Wochen, bevor er sich vom Bundeskanzler endlich ein zaghaftes Bekenntnis zur 1-G-Regel abringen lässt. Das verwundert: Schon im November hat die Bioethik-Kommission ein Gutachten vorgelegt, das den Umgang mit der Freiheit Geimpfter behandelt. Ethisch und juridisch abgesichert steht dort unmissverständlich, dass die Grundrechte, die in der Pandemie arg beschnitten waren, einschränkungslos wiederherzustellen sind, sobald jemand den vollen Impfschutz hat. Also ist 1-G vollkommen berechtigt. Hätte ihm viel Zögern und Zaudern erspart, hätte er sich im eigenen Haus informiert.
Die katastrophalen Folgen der jahrzehntelang aufgeschobenen Gesundheitsreform sind in der Pandemie nicht nur sichtbar, sondern auch spürbar geworden
Derartige Schätze könnte Mückstein sicher noch mehr finden – nur leider, leider sucht er nicht. Vielleicht aus Vorsicht. Denn wenn er zu viel sucht, könnte er womöglich auf die Monsterprobleme stoßen, die da schlummern – oder eher lauthals schnarchen. Man muss schon ein Meister im Ignorieren sein, um sie zu überhören.
Die katastrophalen Folgen der jahrzehntelang aufgeschobenen Gesundheitsreform sind in der Pandemie nicht nur sichtbar, sondern auch spürbar geworden.
Finanzierungs- und Kompetenzwirrwarr: Daran krankt unser System. Dass Landeskaiser die Impfung nutzen können, um die eigene Klientel zu bedienen, dass die Verantwortung für unerlässliche, aber unpopuläre Maßnahmen zwischen Bund und Ländern bis zum Überdruss hin und hergeschoben wird, bis alles zu spät passiert, dass Krankenhäuser in jedem Bundesland nach wahltaktischen Überlegungen in die Landschaft gesetzt werden statt nach einem gesundheits- und finanzpolitisch fundierten nationalen Plan, dass die datenschützerische Geheimniskrämerei unsere Gesundheit gefährden darf – das ist nur ein Teil der langen Liste von Problemen, die gelöst gehören. Und zwar jetzt. Nicht irgendwann.
Neue Ansätze und Mut zum Besten aus verschiedenen Welten: Das war doch vom versprochenen türkis-grünem Schwung zu erwarten? Also her damit.
Und weil das ein dringliches Riesen-Unterfangen ist, müsste Mückstein noch Mut beweisen und die Trennung seines Gesundheits- vom Sozialministerium verlangen. Jetzt und sofort: Denn dort warten Pensionsreform, Pflegereform und noch andere gigantische Herausforderungen.
Zu viel für einen Mann. Auch wenn er die Turnschuhe des Marathonläufers trägt.
Unbeeindruckt von dystopischen Meinungstrends und spitzzüngig gegen Nonsense-Gerede artikuliert sich auch Ruth Pauli (70). „Erst denken, dann twittern“, warnte die Autorin und langjährige ehemalige Innenpolitik-Redakteurin einmal. Schon früh blickte die gebürtige Wienerin über den österreichischen Tellerrand, ihre Studien- und Forschungsjahre führten sie in die USA, die Sowjetunion und nach Frankreich. Nach der Promotion über russische Literatur arbeitete sie unter anderem bei der „Wochenpresse“, der „Presse“ und dem „Kurier“. Sie brachte mehrere Bücher heraus, ob als Übersetzerin, Autorin oder als Herausgeberin.
Kommentare
Kickl Fan?
“Die Grundrechte, die in der Pandemie arg beschnitten waren, sind einschränkungslos wiederherzustellen” – richtig. Aber nicht – angeblich nach Meinung der Ethik-Kommission – sobald jemand geimpft ist, sondern für alle, sobald das Gesundheitssystem nicht mehr gefährdet ist – das steht in der Verfassung; und die steht über jeglicher Kommission. Und das Gesundheitssystem ist längst nicht mehr gefährdet – und war es auch nie.
Danke. Sehe ich genauso
herzlichen Dank für diesen überaus trefflichen Kommentar. Ich bin Kassenarzt in Niederösterreich und kann dem Politwahnsinn nur bestätigen: inkompetente Politiker lieben es schlecht geplante unnötige Krankenhäuser einzuweihen anstatt auch mal die echten Experten (die, die dort arbeiten müssen) zu WOrt kommen zu lassen. Die Impforganisation war in NÖ eine einzige Katastrophe. Anstatt die vorhandene Infrastruktur zu nützen, wurde um teures Geld eine neue ineffiziente Struktur errichtet. Allein in nÖ sind fast 40 Kassenstellen unbesetzt. Nur der Herr Dr. Mückstein hat keine Ahnung von Landmedizin und glaubt offenbar nach wie vor, dass die DDR-Medizin in der es sich schön und hochsubventioniert gerichtet hat des Rätsels Lösung für Österreich ist. Nur….wo sich kein Arzt findet, finden sich schon gar nicht 5 Ärzte, die es de facto zum Bespielen eines PVZ braucht und die Evaluierung über die Kosten pro Patient wird auch schön unter dem Deckel gehalten, damit die politischen Wunschprojekte nicht als Rohrkrepierer entlarvt werden.
Kickl Fan?
Könnte man in der aktuellen Situation durchaus werden.
Die weißen Turnschuhe sind für moderne linke Weltbürger*innen (m/w/d) ungefähr das, was für Neonazis die schwarzen Springerstiefel sind.
Oder etwa nicht?
PS: Gesundheitsminister Dr Mückstein kennt als Arzt die Probleme im Pflegebereich aus erster Hand, deshalb wartet er nur noch etwas die Corona-Pandemie ab, um endlich die Gesundheitsreform beinhart durchziehen zu können!
Alles wird gut! 😀
Der Schuhvergleich ist außer dämlich, nur dämlich. Solche Kommentare zu schreiben, zeugt von einem “besonderen” Geist. Solche Kommentare zu veröffentlichen ebenso. Ich werde diese Seite nicht mehr besuchen. Unfassbar.
na dann viel Spaß im Standard Forum, wo jede Kritik, rechts der AntiFa zensiert wird, man Vergleiche gegen Rechts von “besonderem” Geist lesen darf und nicht so böse mit der Realität außerhalb der Blase konfrontiert wird.
1G ist Willkür, weil die Genesenen ignoriert werden. Ich glaube nicht, dass die Regelung vor einem Verwaltungsgericht halten würde.
Ob Wolfgang “Werner” Mückstein wohl biologisch abbaubare Tschickstummel versteut?
Sehr geehrte Frau Pauli, ich schätze Ihre Kommentare sehr.
Dennoch muss ich Ihnen in einem Pumkt wesentlich widersprechen: Das Argument dafür, uns alle seit 1 1/2 Jahren massiv in unserer Freiheit einzuschränken, ist, dass von uns “die Gefahr ausgeht, unerkannt mit Corona infiziert zu sein, und damit andere mit Corona anstecken zu können”.
Nachdem diese Gefahr der Infektion und Infektiosität für Corona-Geimpfte weiterhin besteht, ist es nicht ersichtlich, warum diese anders zu behandeln wären als gesunde Nicht-Geimpfte.
Auch die Impfbefürworter sagen mittlerweile, dass der primäre Grund für die Impfung nicht der Schutz vor Infektion, sondern der Schutz vor einem schweren Krankheitsverlauf sei.
Womit ich nicht sagen will, dass die Geimpften irgendwo eingeschlossen werden sollen, nur sollen eben alle anderen nirgendwo ausgeschlossen werden.
Das einzige Recht auf Kontaktbeschränkungen kann es für nachgewiesen Erkrankte geben und für deren Kontaktkreis. So wie bei jeder anderen melde- und isolationspflichtigen Infektionserkrankung auch.
Nicht aufgrund einer Pauschalverdächtigung “könnte möglicherweise infiziert sein”, was de facto für jeden einzelnen von uns gilt.
Also: Stopp mit den Massentests, stattdessen Diagnose von symptomhaft erkrankten Personen, Isolation dieser Erkrankten und mittels Kontaktnachverfolgung von deren Kontakten, Freiheit für alle anderen.
Und bitte an alle Politiker: halten Sie gebildete Bürger nicht mit irgendwelchen “Ethikkommissionen” zum Narren.
Es ist jedem klar, dass diese nur dazu da sind, die von der Regierung gewünschte Linie aus dem Mund eines Dritten darzulegen (der bzw. die noch dazu durch den Titel “Ethikkommission” oder “-rat” besondere Adelung erfahren hat).
Die Ethikkommission ist keine demokratisch gewählte Institution, sondern ein rein von den Regierungsparteien berufenes Gremium. Wie hieß der Spruch “wes Brot ich ess …”
Ja, sie stellen Ungeimpfte als Schädlinge hin – sie sind quasi keine Menschen, sondern Virenträger / Virenverbreiter.
Sie haben durchaus Recht – Geimpfte schützen in erster Linie sich selbst vor schweren Verläufen und Ungeimpfte gefährden in erster Linie sich selbst (und andere Ungeimpfte) – insofern kann ich Ihrer Argumentation folgen.