
Ruth Pauli: Ruf nach Unabhängigkeit
Die ORF-Generaldirektoren-Kür im August wirft ihre Schatten voraus, im Verfassungsgericht ist ein Posten frei – und für beides gilt: Jeglicher, der bei Türkis anstreifte, ist chancenlos, alle anderen Partei-Kandidaten sind bestens geeignet und in Wirklichkeit wären zwei Bewerber gefragt, die nicht im österreichischen Saft kochen.
Wer dachte, Wolfgang Brandstetter hat Mut, dass er nach seinem Rückzug aus dem Höchstgericht zum ZiB-Verhör antrat, der irrte. Er musste in eigener Sache richtigstellen, wozu sich der ORF nicht verpflichtet sah: Die Redakteurin der ORF-Investigativ-Abteilung, die die bewussten Chats bearbeitet hatte, ordnete vor dem großen ZiB1-Publikum die sexistisch-rassistischen Worte Brandstetter zu. Sie entschuldigte sich im Nachhinein ganz privat bei Brandstetter, der ORF aber stellte öffentlich nichts richtig.
Das ist medienrechtlich mehr als bedenklich – das hätte sogar Alexander Wrabetz auffallen müssen, der seine ohnehin schon viel zu lange Amtszeit verlängern will. In 15 Jahren (so lange regiert er den ORF) versteinern Strukturen und Fehlentwicklungen werden Normalbetrieb. Es hat sich eingebürgert, dass Wahnsinns-Summen aus Zwangsgebühren für ein Programm ausgegeben werden, das die Privaten auch und oft viel besser haben (das zeigen die Quoten). Es hat sich eingeschliffen, dass die Verpflichtung zur Objektivität durch das Recht auf Meinung der einzelnen Redakteure ersetzt wurde, die vielfach – siehe oben – nicht einmal dem Faktencheck aus dem eigenen Haus standhalten würde. In den Bundesländern wiederum herrschen die Landeskaiser, was eine Berichtsqualität verursacht, die eher nach Nord-Korea passen würde.
Manchen bringt dieser eingerissene Missbrauch von Medienmacht natürlich Vorteile und sie werden Himmel und Hölle in Gang setzen, damit sich nichts ändert.
Der Kultursender Ö1 richtete darum in einer halbstündigen Sendung dem Stiftungsrat bereits aus, wer Generaldirektor des Unternehmens werden darf und wer nicht: Jemand, der eine ZiB-Spezial mit einem Kanzler-Interview verantworte, sicher nicht! Und überhaupt: „Wir wollen keinen Thomas Schmid des ORF“ tönte es mehrfach als leicht verständliche Botschaft.
Bei den immensen Kosten und dem zweifelhaften Output (gemessen in Reichweite der Sender, wir wollen ja objektiv bleiben) wäre ein Kurswechsel mehr als nötig. Vorschläge dazu hat es in den vergangenen Jahren genug gegeben. Sie reichen vom Privatisieren zumindest eines der TV-Kanäle bis zur Beschränkung der Programme auf Information, Kultur und Österreich-Spezifisches. Seilschaften müssten aufgedröselt, Qualitäts-Standards gesetzt und überprüft werden. Das und noch viel mehr war bereits in Diskussion – freilich ohne die geringste Konsequenz.
Ein Ausländer muss her, am besten einer, der niemanden in diesem Land kennt
Bezieht man das Minenfeld in die Überlegungen ein, über das ein Kandidat erst einmal auf den Küniglberg gelangen muss (hat er je eine WhatsApp mit dem Bundeskanzler ausgetauscht? Hat er je in einer Handy-Nachricht geblödelt oder vielleicht nach einem Glas zuviel ein politisch inkorrektes Wort gebraucht?), dann gibt es nur eine Lösung: ein Ausländer muss her, am besten einer, der niemanden in diesem Land kennt.
Die Auslands-Lösung in leicht abgewandelter Form empfiehlt sich auch für die Brandstetter-Nachfolge am Verfassungsgerichtshof.
Es wäre mehr als klug, dafür einen österreichischen Richter vom Europäischen Gerichtshof zurückzuholen. Der wüsste nämlich, dass dort am 2. März ein Urteil gefällt wurde, das den „Behörden zur Verhütung, Ermittlung, Feststellung und Verfolgung von Straftaten“ – darunter fallen auch unser Verfassungsgerichtshof und die WKStA – Grenzen setzt. Die Beschlagnahme von Chats, Mails, Anrufdaten, SMS etc. darf demnach nur im Falle einiger weniger verfolgter Delikte erfolgen. Und zwar dann, wenn es um „schwere Kriminalität“ oder die „ernste Bedrohung der öffentlichen Sicherheit“ geht. Juristen nennen als Beispiel für derartige Delikte Terrorismus.
Ist Sebastian Kurz ein Terrorist? Ist Gernot Blümel ein verkappter Massenmörder? Sind die Herren Schmid, Brandstetter oder Pilnacek, so unappetitlich manche ihrer Worte auch sein mögen, Schwerverbrecher?
Hierzulande begründet die WKStA Hausdurchsuchungen und Anzeigen mit Chat-Nachrichten.
Und die Corona unserer Juristerei – Höchstgerichtspräsidenten, pensionierte Verfassungsrechtler, Standesvertreter und die Justizministerin – sind wortreich „sprachlos“, „bestürzt“ und „entsetzt“ über die geleakten privaten Chats. Man könnte auch über etwas anderes sprachlos sein. Nämlich darüber, dass dieses Erkenntnis übergangen wird.
Da die Rechtssprechung des EuGH über der österreichischen steht, gibt es dafür eigentlich nur wenige mögliche Erklärungen. Entweder die Höchstjuristen kennen das Erkenntnis nicht oder sie wollen es nicht kennen. Ein Zuwiderhandeln, wie das seit Monaten geschieht, wäre nämlich ein eindeutiger Rechtsbruch durch diese rechtsstaatlichen Stellen. Oder das Urteil gilt nicht mehr für uns, weil „die Justiz“ den Öxit vollzogen hat – und wir haben es alle nicht bemerkt.
Nachzulesen ist das Erkenntnis des EuGH unter:
Unbeeindruckt von dystopischen Meinungstrends und spitzzüngig gegen Nonsense-Gerede artikuliert sich auch Ruth Pauli (70). „Erst denken, dann twittern“, warnte die Autorin und langjährige ehemalige Innenpolitik-Redakteurin einmal. Schon früh blickte die gebürtige Wienerin über den österreichischen Tellerrand, ihre Studien- und Forschungsjahre führten sie in die USA, die Sowjetunion und nach Frankreich. Nach der Promotion über russische Literatur arbeitete sie unter anderem bei der „Wochenpresse“, der „Presse“ und dem „Kurier“. Sie brachte mehrere Bücher heraus, ob als Übersetzerin, Autorin oder als Herausgeberin.
Kommentare
Wenn es bei der ORF-Wahl diesmal endlich nicht schafft, endlich die widerliche rote Dominanz zu entfernen, dann ist ihr wirklich nicht mehr zu helfen!
Treffender Kommentar!
Der ORF beschäftigt allein für die ZiB rund 160 Redakteure. Da weiß natürlich eine jeder, welche Nachrichten er fabrizieren muss, um eine Chance zu haben, dass sie auf Sendung gehen. Vorauseilender Gehorsam ist da durchaus nützlich.
Für mich stellt sich eine einfache Frage: Hat die WKStA für die paar Brotkrummen die sie an persönlichen kompromittierenden Informationen bei den Durchsuchten bis jetzt aufwartet wirklich das Recht verdient diese schweren Eingriffe in persönliches Recht durchzuführen?
Bis jetzt weiß ich nur von Ergebnissen die man an den UA geliefert hat damit der mit diesen sensiblen persönlichen Daten eine Schmutzkampagne führen kann.
Ist das wirklich die Aufgabe einer Korruptionsstaatsanwaltschaft der Opposition zuzuarbeiten indem man mit Methoden der Beschlagnahmung den politischen Gegner durchleuchtet?
Es gibt den konkreten Fall das die WKStA den NEOs Informationen gab welche diese umgehend veröffentlichten. Dieses Zusammenspiel ist eines Rechtsstaates nach meiner Meinung unwürdig.
Wenn Staatsanwaltschaften nicht für Gerichte sondern für Oppositionsparteien Material sammeln so Frage ich mich wo wir leben.
Perfekt erkannt: “Es hat sich eingeschliffen, dass die Verpflichtung zur Objektivität durch das Recht auf Meinung der einzelnen Redakteure ersetzt wurde,” Eine apriori bzw absolute Objektivität ist ohnehin Illusion. Es würde schon genügen, dass die jew Redakteure sich deklarieren und gleichzeitig die Auswahl breit gefächert wird. Interessant wären dann auch konfrontative Diskussionsrunden in solchen Kreisen. Spätestens dann trennt sich die Spreu vom Weizen.
Richtig! Der ORF muss unabhängig und neutral berichten. Private Unternehmen wie der Exxpress, der Fellner oder auch das Nischenblatt Falter können machen was sie wollen, denn die Leserschaft hat die Wahl das weiterzufinanzieren oder eben nicht. Der ORF wird von uns allen bezahlt und sollte daher auch eine objektive Berichterstattung bringen, und kein Einschleimen bei der irrelevanten aber selbstzufriedenen Twitter-Blase. Ich verstehe echt nicht, warum der Kurz, so medienbewusst wie er ist, diese Oppositionspropaganda noch nicht abgestellt hat. Ich denke niemand will, dass ein Parteisoldat egal welcher Farbe den ORF als Propagandamedium missbraucht. Weder Rot noch Grün noch Türkis. Leider ist es eben immer noch so, dass der ORF immense Macht besitzt. Daher muss die Berichterstattung objektiv sein. In den letzten Monaten hat sich der ORF aber echt radikalisiert.
100% ig Ihrer Meinung.
Weil Sie den Falter erwähnen. Auch der “Falter” lebt nahezu ausschließlich von Inseraten der Gemeinde Wien und ihren politischen Stiefzwillingen. Ohne diesen verdeckten Subventionen könnte das linkslinke Blättchen zusperren.
GIS-Verweigerer, Sie schreiben: “Ich verstehe echt nicht, warum der Kurz, so medienbewusst wie er ist, diese Oppositionspropaganda noch nicht abgestellt hat.” Dann stellen Sie sich bitte vor, was von Gramat-Neusiedl bis Brüssel los gewesen wäre, hätte Kurz den ORF “angegriffen”, also Leute entfernt und andere eingesetzt. “Orbanisierung”, “Einschränkung der Pressefreiheit”, XY-Index abgesackt – Falter, Süddeutsche, Böhmermann (ZdF) und EU-Institutionen hätten sich gegenseitig die Bälle zugespielt.
Damit muss ein Kanzler fertig werden.
Chapeau – Frau Pauli! Wieder ein hervorragender Kommentar!
Ich stelle auch mit einigem Entsetzen fest, dass oe24 offensichtlich zum führenden FPÖ-Propaganda-Sender geworden ist, seit sich der Senior – gezwungenermaßen – zurückgezogen hat. In diesem Sender werden die FPÖ-Sympathisanten auf und ab interviewt und je tiefer sie im Niveau sinken, um so “gerner” sind sie dort offensichtlich gesehen!
Fellner war schon immer ein roter. Fast alle Mitarbeiter bei OE24 sind linke und grüne Agitatoren. Aber Meinungsfreiheit ist in diesem Medium noch gegeben.
Unsere Justitz, ganz besonders die WKStA, ist ganz offensichtlich politisch einseitig, ebenso der ORF, bei dem auch das Sendungs-, Nachrichten- und Diskussions-Niveau immer niedriger wird, unsere Oppositionsparteien sind nur mehr Vernaderer und Radikale, aber das niveauloseste das es gibt ist Wolfgang Fellner und sein OE24. Es ist was oberfaul im Staate Österreich!
Der ORF ist ein rein linker Propagandasender, die fehlende Richtigstellung hinsichtlich der Äußerungen von Brandstetter zeigt deutlich, dass man sich nicht der Wahrheit verpflichtet fühlt. Ich verstehe nicht, wie es so weit gekommen ist. Ich verstehe vor allem einen VfgH nicht, der nicht besorgt ist, wenn private chats veröffentlicht werden, ungehemmt, in Deutschland steht Freiheitsstrafe mit bis zu einem Jahr darauf, Inhalte von Ermittlungsakten zu veröffentlichen und der hiesige VfgH sieht nicht einmal ein Problem. In Österreich kann nur noch der Europäische Gerichtshof helfen, das ist wirklich schlimm, der nächste Schritt sind Wanzen in den Wohnungen bei vagen Verdachtspunkten, Telefonüberwachung und dann die flotte Veröffentlichung. In der DDR wurde das geheim gehalten, bei uns geschieht das ungeniert offen. Der Verdacht gegen Pilnacek hätte sehr schnell aufgeklärt werden können, das ist nicht geschehen, statt dessen wurde sein Handy beschlagnahmt, und Privates dem U-Ausschuß vorgelegt. Nachdem sich Pilnacek zur WKStA sehr kritisch geäußert hat, liegt der Verdacht nahe, dass sich Einzelne dafür im Rahmen der rechtlichen Möglichkeiten gerächt haben. Die Neos interessiert nicht, dass die Unterlagen geheim sind, ungeniert wird der Rechtsbruch zugegeben.
Das sind Zustände, die es in einem europäischen Land nicht geben darf. Die kommunistischen Regime sind hier einigen ein Vorbild, dem müssen wir entgegen wirken. Die FPÖ ist verkommen zu einer Partei der Realitätsleugner und Sympathisanten rechter Extremisten nach dem deutschen Vorbild AFD. Umso wichtiger ist es, die ÖVP zu stärken, ansonsten Gute Nacht Österreich 🇦🇹
Bitte vergessen Sie nicht die berühmte Rechercheplattform “Profil-Standard-Orf”. Diese Leute wissen, was politisch correct ist.
Einst war diese Sendegruppe eine Gruppe mit Niveau als rote wie auch rechte Generalintendanten abwechselten. Was ist aus der ursprünglichen Rundfunk-Reform geworden, als der Verstorben Hugo Portisch noch unabhängig war. Die Roten haben ab Bruno Kreisky die Sendergruppe umgebaut.