Vor fast genau einem Jahr wurde die Gaspipeline Nord Stream 2 gesprengt. Anfangs waren sich westliche Kommentatoren einig: Hinter dem Spionageakt stecken die Russen. Bis zum Frühjahr war das die gängige Erklärung. Dann enthüllte Pulitzer-Preis-Träger Seymour Hersh gestützt auf Insider-Informationen: Hinter dem Angriff steckte kein geringerer als US-Präsident Joe Biden selbst. Wenige Wochen später lieferten deutsche und US-Medien eine neue Versionen. Demnach wurde der Spionage-Angriff von Kiew angeordnet, geplant und durchgeführt.

Für Scholz stand zu Beginn nur eines fest: Die Amerikaner waren es nicht

Ein Jahr später macht Oppositionspolitikerin Sahra Wagenknecht vor allem eines fassungslos: die Widersprüche, in die sich die Ampelkoalition seither verheddert hat, und wie sich Medien und Politik weigern, ehrliche Schlüsse aus dem Vorfall zu ziehen. In ihrem neuen Wochenschau-Video geht die Politikerin vor allem mit der Regierung hart ins Gericht.

Bundeskanzler Olaf Scholz hatte zunächst erklärt keine Ahnung zu haben, wer hinter dem Spionage-Akt steckte, erinnert Wagenknecht. Aber zumindest eines stand für ihn schon zu Beginn fest: „Die Theorie, dass das die Amerikaner waren, ist es eine, für die es keinerlei Indizien gibt, um es sehr klar zu sagen.“

„Ukraine tut nichts, was die Amerikaner nicht wollen“

Beweise gibt es dafür bisher tatsächlich nicht. Aber ausgerechnet bei Indizien – und von solchen sprach Scholz – sah es schon damals anders aus. Linken-Politikerin Wagenknecht erinnert an die Worte Joe Bidens im Februar 2022, zweieinhalb Wochen vor Beginn der Ukraine-Invasion. „Wenn Russland einmarschiert, wird es Nord Stream 2 nicht mehr geben“, hatte damals der US-Präsident erklärt. „Dann setzen wir dem ein Ende. Ich verspreche Ihnen, wir werden dazu in der Lage sein.“

Dass die Amerikaner mit dem Spionage-Krimi rein gar nichts zu tun haben, hält Wagenknecht auch ein Jahr später für eine aberwitzige Behauptung. Das gehe paradoxerweise nämlich ausgerechnet aus der „offiziellen“ Ukraine-Version hervor: „Die Ukraine tut nichts, was die Amerikaner nicht wollen, weil sie sich das überhaupt nicht leisten kann. Noch unwahrscheinlicher ist, dass sie einen solchen Anschlag überhaupt allein vorbereiten könnte, ohne dass die Amerikaner das mitbekommen würden.“

Falls die offizielle Version stimmt: Warum unterstützt Berlin noch Kiew?

Der „Zeit“ zufolge hätten die USA versucht, „den Anschlag zu verhindern – erfolglos“. Wagenknecht bezweifelt aber, dass Kiew tatsächlich gegen den Willen Washingtons vorgegangen ist: „Dass die Ukraine wirklich riskieren würde, ihren wichtigsten, existenziellsten, von niemandem ersetzbaren Unterstützer zu brüskieren, indem sie sich über die ausdrückliche Ansage, die Pipeline nicht zu sprengen, einfach hinwegsetzt – diese Annahme ist so abwegig und so absurd, dass die Wahrscheinlichkeit eines solchen Verlaufs gegen null geht.“

Doch falls die offizielle Ukraine-Version dennoch „im Kern stimmt“ und Kiew eigenmächtig gegen Deutschland vorgegangen sein sollte, „dann muss man schon fragen: Wie bescheuert sind wir eigentlich, einem Land, das unsere wichtigste Energieinfrastruktur zerstört, als wäre nichts gewesen, weiterhin Waffen und Geld in Milliardenhöhe zukommen zu lassen, während bei uns schon bei Gesundheit, Pflege und bei armen Kindern gekürzt wird. Wieso stellt niemand in den Medien, die diese Geschichte recherchiert haben, diese Frage?“

Wagenknecht kritisiert: Deutschland sollte nicht mehr sündteures LNG aus den USA importieren

Aber noch eine zweite Frage beschäftigt die Politikerin. Sie betrifft das LNG, das Deutschland nun aus den USA importiert: „Wie bescheuert sind wir eigentlich, die Abhängigkeit von russischem Gas jetzt durch Abhängigkeit von wesentlich teurerem Gas just jenes Landes zu ersetzen, das diesen Anschlag auf die Infrastruktur unseres Landes mindestens gebilligt und den Tätern den Rücken frei gehalten hat?“

Wagenknechts vernichtender Befund: „Eine Regierung, die so handelt: Was sind das für unterwürfige, blamable Figuren, die offenbar überhaupt nicht mehr wissen, was sie in ihrem Amtseid geschworen haben? Womit haben wir es verdient, von solchen trüben Tassen regiert zu werden?“

PS: Der offizielle Narrativ, wonach Kiew hinter dem Anschlag steckt, weist nach wie vor mehrere Fragezeichen auf. Der eXXpress hat darauf von Anfang an hingewiesen.