Bild-Journalist Paul Ronzheimer traf Selenskyj im Präsidentenpalast von Kiew. Er führte dort ein Gespräch mit einem Mann, der nicht selten nur zwei Stunden pro Nacht schläft. Es scheint im Interview fast, als hätte die Ankündigung der großen Gegenoffensive den Druck auf den ukrainischen Präsidenten noch einmal erhöht. Die Erwartungen im eigenen Land sind groß – die im Westen, der Waffen und Geld liefert, enorm.

Putins Truppen kontrollieren Gebiet um den Staudamm

Gefragt, ob er beweisen könne, dass Russland den Damm gesprengt hat, der die Region um Kherson in eine Flut-Katastrophe stürzte, wird er wütend: „Welche Beweise können wir haben? Wenn wir vor Ort sein werden, dann werden wir Beweise sammeln. Welche Beweise sollen wir jetzt vorzeigen?“. Das Gebiet um den Staudamm wird von Putins Truppen kontrolliert. Die Ukrainer kommen aktuell tatsächlich dort nicht hin.

Der zerstörte Staudamm Kachowka

Würde Selenskyj sein Kind an die Front schicken?

Wut ist nicht die einzige Emotion, die Selenskyj im Gespräch mit dem deutschen Journalisten zeigt. „Kein Kind hat den Krieg verdient und mein Kind ist keine Ausnahme“, antwortet er auf die Frage, ob er denn seinen eigenen Sohn an die Front schicken würde. “An den ersten Frontlinien sind unsere Helden, sie sind die Mutigsten. Diese Eltern verdienen den größten Respekt und wir sind so stolz auf sie“, zitiert Ronzheimer Selenskyj.

Schläft oft weniger als zwei Stunden: Ukraines Präsident Wolodymyr Selenskyj (45)

"Es ist besser zu leben"

Der Interviewer der Bild-Zeitung schildert Stimmungsschwankungen. Selenskyj wirke in einem Moment müde, im nächsten wach und überdreht. Ob die Gegenoffensive schon begonnen hat? „Wenn Sie es sehen und spüren, dann werden Sie verstanden haben, dass es begonnen hat“, antwortet er witzig.
Bei der nächsten Frage vergeht ihm das Lachen schon wieder. Nord-Stream. Ein heikles Thema, bei dem sich die Schlinge immer enger um die Ukraine zieht – eXXpress berichtet.

„Ich bin Präsident und ich gebe entsprechende Befehle. Nichts dergleichen hat die Ukraine getan. Ich würde nie so handeln“, stellt Selenskyj klar, bevor er gleich wieder sentimental wird. „Ich habe genauso wie alle anderen Angst zu sterben“. Aber er denke darüber nicht nach, denn er habe eine große Verantwortung für sein Land. „Es ist besser zu leben, ganz einfach.“