Die Notkompetenz erlaubt dem Wiener Bürgermeister, in “dringlichen Fällen” Verfügungen zu treffen, für die eigentlich der Gemeinderat oder Stadtsenat zuständig sind. Das darf er dann, wenn jedes Zuwarten “Nachteil für die Sache” bedeuten würde. Unverzüglich muss er danach aber die zuständigen Gremien informieren. Doch auch das hat Ludwig nicht gemacht. Insgesamt 1,4 Milliarden ließ der rote Bürgermeister im Alleingang an die Wien Energie überweisen.

Nachträglich soll im Gemeinderat Ludwigs Handeln nun der "Segen" erteilt werden

Wann wusste Wiederkehr (NEOS) Bescheid?

Nachträglich soll der Gemeinderat nun die beiden Verfügungen über jeweils 700 Millionen Euro genehmigen. Dafür braucht die SPÖ die Stimmen des kleinen Partners in der Stadt-Koalition. Dass die NEOS dem Handeln Ludwigs am 12. September ihre Zustimmung geben werden, scheint mehr als wahrscheinlich. Über die Rolle der Pinken im Finanzskandal um die Wien Energie herrscht Unklarheit. So bestritt Vizebürgermeister Christoph Wiederkehr beim Bekanntwerden der Causa über die insgesamt 1,4 Milliarden Euro vorab informiert gewesen zu sein. Der rote Stadtchef erklärte aber, er hätte seinen Vize bereits am 15. Juli natürlich davon in Kenntnis gesetzt. Mehrere Anfragen des eXXpress an die pinke “Kontrollpartei” blieben zu diesem Thema bisher unbeantwortet.

Wie ernst nimmt er die Rolle seiner NEOS als "Kontrollpartei": Wiens Vizestadtcehf Christoph Wiederkehr

Verordnung aus einer Zeit vor moderner Kommunikation

Zurück zur Notverordnung. Diese findet sich, quasi in identem Wortlaut wie heute, seit mindestens 1920 in der Wiener Stadtverfassung. Die Regelung hat ihren Ursprung natürlich auch in den technischen Gegebenheiten der Zeit. Ohne Email und ohne Telefon hat das Zusammenrufen des Gemeinderats sehr viel Zeit in Anspruch genommen. Mit der Verordnung sei Bürgermeistern so eben das rasche alleinige Eingreifen erlaubt worden. Dass das heute nicht mehr nötig ist, zeigte schon alleine der Umstand, dass ein Umlaufbeschluss zum Darlehensvertrag zwischen Land Wien und dem Bund in der Höhe von zwei Milliarden Euro noch am gleichen Tag beantwortet werden musste. Damit war bewiesen, dass der Stadtsenat auch kurzfristig handlungsfähig ist. Aber vielleicht ist dem Bürgermeister nach dem Interview mit einem vermeintlichen Klitschko einfach die Lust an modernen Kommunikationsmitteln vergangen …