Jene, die am meisten von der Corona-Krise betroffen waren, sind in der Öffentlichkeit am wenigsten zu Wort gekommen. Zu diesem Befund gelangen die Studien des Jugendforschers und eXXpress-Kolumnisten Bernhard Heinzlmaier. Am meisten gelitten haben demnach die gesellschaftliche Mitte und die Unterschicht. Das obere Drittel ist eigentlich ganz gut durch die Pandemie gekommen, doch genau hier wurde am meisten gejammert. “Während die einen still ihren Job gemacht haben, ist die Oberschicht vor dem Fernseher gesessen und hat sich beschwert, sie würde im Home-Office immer durch die Kinder gestört”, erläutert Heinzlmaier im eXXpress-Talk.

Politik erreicht die kleinen Leute nicht mehr

Somit wurde die gesamte Debatte nur mehr aus der Perspektive des oberen Drittels geführt. Die alleinerziehende Mutter, die in der Früh im Supermarkt arbeiten muss und nicht weiß, was ihre Kinder gerade tun, kam nicht vor. Überhaupt sind nur 30 Prozent aller Jobs “homeoffice-fähig”, wie Heinzlmaier im Gespräch mit eXXpress-Chefredakteur Richard Schmitt unterstreicht.

Bernhard Heinzlmaier hält den alarmistischen Diskurs in Österreich für schädlicheXXpress

Die Folgen für die Demokratie sind aus Sicht der Jugendforschers gravierend. Bei Mittel- und Unterschicht vertraue man überhaupt nicht mehr der Politik und der Regierung, weil die Botschaften  dort überhaupt nicht mehr ankommen. Die Regierung kommuniziere nur mehr für das obere Drittel, vergesse aber dabei auf jene darunter. “Das führt leider zu einer Repräsentationskrise.”

Die junge Generation verliert das Vertrauen in die Politik

“Es gibt eine massive Vertrauenskrise”, unterstreicht der Jugendforscher. “In Österreich war die Debatte um Corona immer sehr alarmistisch und übertrieben. Das hat dazu geführt, dass nur noch knapp 33 Prozent der Jugendlichen der Regierung vertrauen”. Die deutsche Regierung habe hingegen weitaus sachlicher kommuniziert. Ergebnis: Noch 50 Prozent der Jugendlichen in Deutschland vertrauen der Regierung, in Österreich gerade einmal 33 Prozent. Für Bernhard Heinzlmaier zeigt sich darin: „Man kann mit Kommunikation schon auch sehr viel falsch machen.“

Mittlerweile haben 70 Prozent der Unter-30-Jährigen nicht mehr das Gefühl, dass sie die Politik noch vertritt. Was die Jugendlichen darüber hinaus besonders belastet: Sie sind abgeschnitten von den Gleichaltrigen, und die sind besonders wichtig beim Weg ins Erwachsenenalter: “Nun sind sie nur mehr ihren Eltern ausgeliefert, die Elternkontrolle ist stärker und darunter leiden sie.”

Die heutigen Jugendlichen sind keine Rebellen mehr

Allerdings sind die heutigen Jugendlichen keine Rebellen, berichtet Bernhard Heinzlmaier: “Sie reagieren pragmatisch.” In den 1970er Jahren hätte es noch einen Aufstand gegeben. Nun tun die Jugendlichen so, als wären sie eh mit allem einverstanden, und suchen Freiräume, wo sie unbeobachtet die Bestimmungen umgehen können. “Wir ziehen da eine Generation groß, die nach dem Konzept ‘Aufstieg durch Anpassung’ funktioniert. Diese sehr angepasste Jugend reagiert nicht, auch wenn sie mit den Corona-Maßnahmen nicht einverstanden ist.” Der Tenor der meisten Jugendlichen sei gewesen: “Ich versuche halt das Beste daraus zu machen.”

Das neueste Buch des Jugendforschers Bernhard Heinzlmaier handelt vom Erwachsenwerden in der Corona-Pandemie.eXXpress

Ein weiteres Problem für die Demokratie heute sei: “Man getraut sich nicht mehr zu sagen, was man sich denkt.” Dem konservativen US-Philosophen Michael Sandel zufolge hätten deshalb 73 Millionen Amerikaner für Donald Trump gewählt, weil sie von den linksliberalen Eliten als rechte Idioten und Rassisten gebrandmarkt wurden. Ähnlich würde es auch heute jenen Menschen ergehen, die sich kritisch über die Corona-Politik äußern, warnt Heinzlmaier: “Alles wird weggecancelt. Das hat in der Jugend zu ziemlichen Verwerfungen geführt. Man überlegt sich heute jedes Wort.”

Die Klimabewegung ist eine "Rebellion der Angepassten"

In Greta und ihrer Klimabewegung sieht der Jugendforscher keine neue Revolte. Das sei “die Rebellion der Angepassten” – höhere Töchter und Söhne demonstrieren gemeinsam mit ihren linken Professoren, mit denen sie vorher gemeinsam die Schilder des Klimaprotests angefertigt haben. “Diese ganze Klimabewegung ist die Revolte der Oberschichtkinder.“ Von der Mitte abwärts könne niemand etwas damit anfangen.