Nach seinen Enthüllungen rund um ÖBB-Chef Andreas Matthä – der eXXpress berichtete – stellt Plagiatsforscher Stefan Weber klar: Es gibt keinen geheimen Auftraggeber, der ihn auf den Bahnchef angesetzt habe. „Mein Team hat sich ab 2021 die Abschlussarbeiten einiger Führungskräfte von ÖBB, OMV und anderen angeschaut. Plan war, ein Führungskräfte-Screening zu machen. Aus einem Sample von fünf Arbeiten ist Matthä sofort als monströses Plagiat herausgestochen.“

Für den Salzburger Kommunikationswissenschaftler zeigt speziell der Fall Matthä ein Grundproblem in Österreich. Man habe es nämlich mit einer „bewussten Entscheidung zur Täuschung“ zu tun, wie er gegenüber dem „Kurier“ nun mit Nachdruck festhält.

Die Enthüllungen Stefan Webers werfen kein gutes Licht auf Österreichs Hochschulen und auf Österreichs Führungspersonal.Joachim Bergauer

Wissentlicher Betrug?

Der Bahnchef hatte zu Beginn seiner Diplomarbeit immerhin in einer Erklärung versichert, „dass ich die Diplomarbeit selbständig verfasst, andere als die angegebenen Quellen und Hilfsmittel nicht benutzt und mich auch sonst keiner unerlaubten Hilfe bedient habe.“ Gegen dieses Versprechen habe Matthä „vielfach verstoßen“ und zwar wissentlich, wie Stefan Weber nahelegt: „Warum wird ein akademischer Großbetrüger der Chef von mehr als 40.000 Menschen? Wenn man jetzt noch sagt, da läuft nichts schief in diesem Land, sollte man zum Arzt gehen.“

Gegen den ersten Punkt hat Matthä merfach verstoßen, sagt Stefan Weber.

Unzitierte Internet-Quellen, falsche Quellen in den Fußnoten

Auf Nachfrage, weshalb das Werk des ÖBB-Chef so schlimm ist, fasst Weber zusammen: „Plagiate zuhauf in der gesamten Arbeit, von durchwegs unzitierten Internet-Quellen. Zum Teil seitenweise am Stück, damit ein massiver Verstoß gegen die abgegebene Ehrenerklärung. Es sind empirische Fakten, daran gibt es nichts zu rütteln. Mir liegen mittlerweile Bestätigungen von drei Originalautoren vor.“ Sogar Beistrich- und Grammatikfehler hat Matthä von seinen nicht genannten Quellen übernommen, kritisiert Weber.

Stefan Weber: Passagen der Diplomarbeit des Bahnchefs befinden sich in der linken Spalte, rechts die – nicht genannte – Quelle.
Manchmal werden auch Quellen angeführt – aber die falschen, wie Stefan Weber herausarbeitet.

Die Täuschungsabsicht sei evident, nicht nur weil abgeschrieben wurde, sondern auch weil „die entsprechenden Quellen nie angegeben wurden, ja mehr noch: wenn immer andere Quellen angegeben wurden, in denen sich die Formulierungen so aber nie finden.“ Mit anderen Worten: Der Vorstandsvorsitzende der ÖBB hat demnach auf Quellen verwiesen, die er aber nie benützt hat, die tatsächlichen Texte, von denen er abgeschrieben hat, aber nicht übernommen. Das passt tatsächlich nicht zur Ehrerklärung am Beginn, „die Diplomarbeit selbständig verfasst“ zu haben, und keine anderen Quellen, „als die angegebenen“ benutzt zu haben.

Sogar Beistrich- und Grammatikfehler hat der ÖBB-Vorstandsvorsitzende einfach übernommen.

Weber: „Matthä hat die Plagiate mit anderen Quellen ‚garniert‘, um eigene Literaturarbeit vorzutäuschen. Das war eine bewusste Entscheidung für Täuschung, kein Fehler. Die Arbeit ist so verlogen, dass einem das Grausen kommt.“ Und: „Selbst das Schlusswort wurde dreist plagiiert.“

Stefan Webers vernichtender Befund

„Eklatante Schwachstellen im Universitätsgesetz“

Stefan Weber überführte in der Vergangenheit schon andere prominente Persönlichkeiten des Plagiats, wobei, wie er unterstreicht, Matthä nun besonders hervorsticht. Angesprochen darauf, dass etwa Justizministerin Alma Zadic (Grüne) ihren Doktortitel dennoch behalten durfte: „Ich nehme das Bildungsministerium nicht mehr ernst. Ich bin mittlerweile nicht der einzige Wissenschaftler, der eklatante Schwachstellen im Universitätsgesetz zu guter wissenschaftlicher Praxis erkannt hat.“

Durfte ihren Doktortitel behalten, trat trotz schwerer Vorwürfe nicht zurück: Justizministerin Alma Zadic (Grüne).APA/EVA MANHART

Wäre sein Vorwurf falsch gewesen, hätten ihn ja Zadic oder auch Ex-Arbeitsministerin Christine Aschbacher (ÖVP), die wegen der Vorwürfe immerhin zurücktrat, wegen „vermeintlich falschen Tatsachenbehauptungen“ klagen können. „Sie tragen halt ihre Titel weiterhin, das hat in Österreich und in der Slowakei aber nichts mit Plagiatsdetektion, sondern mit Hochschulkorruption zu tun.“

Fragwürdiges Sittenbild an Unis und in Führungsetagen

Fazit: Sollten die heimischen Universitäten bei ihrer Qualitätssicherung nicht nachbessern, wird es bald leichter, einen Magister zu erhalten, als eine Lehre abzuschließen. Schließlich genügt es dann mittels Copy/Paste seitenweise Texte vom Internet zu übernehmen und mit anderen – sprich: falschen – Literaturverweisen zu versehen. Ohne auch nur ansatzweise den Willen zu wissenschaftlicher Arbeit erkennen zu lassen, ist man auch schon zum Magister geworden. Was für Berufsausbildungen gilt, trifft dann auch auf akademische Studien zu: Bei geringeren Standards leidet das Niveau, und das wird zunehmend spürbar.

Bemerkenswert ist auch die Selbstverständlichkeit, mit der sich Personen in Führungsetagen ohne erkennbares Schuldbewusstsein ihre akademischen Titel erschleichen. Hier zeigt sich ein mehr als fragwürdiges Sittenbild. Von ernsthaftem Arbeiten zeugt das nicht.