Mit harten Worten kritisierte Gabriele Aicher, Rechtsschutzbeauftragte der Justiz, kürzlich das Vorgehen der Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKStA) in der Polit-Affäre – der eXXpress berichtete. Hier sei “eine rote Linie des Rechtsstaates überschritten” worden. Die WKStA wies die Kritik bis auf einen Punkt “entschieden zurück”. Doch nun teilen zwei Strafrechtler diese Kritik, speziell im Zusammenhang mit den Ermittlungsschritten gegen die Brüder Fellner und der Hausdurchsuchung beim Medienunternehmen “Österreich”.

Dringender Tatverdacht äußerst zweifelhaft

Wenn Behörden gegen Medienleute und Journalisten ermitteln muss “dringender Tatverdacht” vorliegen. “Es geht um die Pressefreiheit”, sagt dazu Robert Kert von der Wirtschaftsuni Wien zur “Wiener Zeitung”. “Es sollte eine Ausnahme sein, dass Journalisten überwacht werden oder sonstige Ermittlungen gegen sie stattfinden.” Für einen dringenden Tatverdacht müsse “eine hohe Wahrscheinlichkeit gegeben sein, dass der Beschuldigte die Straftat tatsächlich begangen hat”.

Nun bestreitet die Rechtsschutzbeauftragte aber das Vorliegen eines dringenden Tatverdachts gegen Helmuth und Wolfgang Fellner. Robert Kert und Klaus Schwaighofer von der Uni Innsbruck ziehen ihn ebenfalls in Zweifel, wie sie gegenüber der “Wiener Zeitung” unterstreichen. So sei es höchst fraglich, ob wohlwollende Berichterstattung – als Bestandteil eines mutmaßlich illegalen Deals – tatsächlich einen Vorteil im Sinne des Delikts der Bestechung bzw. der Bestechlichkeit darstelle. Die WKStA behauptet das. Bisher ist das durch die Rechtsprechung aber nicht geklärt. Die beiden Strafrechtler wählen deutliche Formulierungen: Kert spricht von einer “zumindest originellen Konstruktion”, für Schwaighofer ist die Bestechungskonstruktion “sehr merkwürdig”.

Auch Prof. Lewisch sieht "keinen Korruptionsvorteil"

Ähnlich dürfte hier die Sicht des Wiener Strafrechtsprofessors Peter Lewisch sein. Er bestreitet nämlich in seinem viel beachteten Gutachten, über das der eXXpress berichtete, an einer Stelle, dass “in einer ÖVP-freundliche Berichterstattung/Blattlinie der Tageszeitung Österreich ein Korruptionsvorteil zu sehen wäre”. Nehme man diese Annahme ernst, “müsste etwa der Theaterdirektor einen Korruptionsstraftatbestand erfüllen, wenn er eine politisch gefällige Stückeauswahl in der Erwartung trifft, deshalb Subventionserhöhungen zu lukrieren und selbst für eine weitere Funktionsperiode wiederbestellt zu werden. Niemand hat bis dato noch eine derartige Position vertreten. Sie wäre auch sachlich nicht zutreffend”.

Nötige Ermächtigung durch Rechtsschutzbeauftragte fehlt

Ein weiterer Fehler geschah gemäß der Rechtsschutzbeauftragten, als die WKStA Auskunft über die Standortdaten der Fellners beantragte. Durch Online-Peilung der Handys wollte die Staatsanwaltschaft feststellen, wo sich die beiden Beschuldigten aufhalten. Noch bevor diese Maßnahme vom Haft- und Rechtsschutzrichter (HR-Richter) bewilligt wurde, hätte die WKStA aber die Ermächtigung der Rechtsschutzbeauftragten einholen müssen – was nicht geschah. Damit haben sowohl der HR-Richter als auch die WKStA gegen die Strafprozessordnung verstoßen, wie die beiden Strachrechtler betonen.

Der Richter hätte die Online-Peilung erst nach Vorliegen der Ermächtigung genehmigen dürfen, und die WKStA hätte die Genehmigung ohne Ermächtigung nicht beantragen dürfen. Die WKStA rechtfertigte sich damit, dass das “Versäumnis” nachträglich erkannt worden sei, weshalb die Standortdaten dann auch tatsächlich nicht erhoben wurden. Doch das ist nebensächlich, sagt Kert: “Ob die Peilung tatsächlich durchgeführt wurde oder nicht, ist nicht das Entscheidende.” Die WKStA ist nicht gesetzeskonform vorgegangen, und kann diesen Fehler rückwirkend nicht reparieren.

Nun ist das Oberlandesgericht Wien am Zug

Nun liegen Beschwerde und die Stellungnahme der WKStA dazu beim Oberlandesgericht (OLG) Wien. Sollte das OLG Wien im zweiten Punkt – der fehlenden Ermächtigung – die Ansicht der Rechtsschutzbeauftragen und der beiden Rechtsprofessoren teilen, hätte dies – vermutlich – keine wesentlichen praktischen Auswirkungen. Robert Kert hält dennoch fest: “Aber man sollte das auch nicht unterschätzen: Es ist wichtig, wenn das OLG feststellt, dass Ermittlungsmaßnahmen rechtswidrig waren. Wozu gibt es sonst die Rechtsschutzbeauftragte und all diese erhöhten Maßstäbe?”

Sollte das OLG Wien freilich auch keinen dringenden Tatverdacht gegen die Fellners sehen, wären die Folgen wohl weitreichender. Denn ohne dringenden Tatverdacht sind Ermittlungen gegen Medienbesitzer und Journalisten unzulässig – und einzustellen.