
Telegramgruppe rund um Neonazi greift zwei jüdische Studenten in Wien an
Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien, ist empört: Eine rechtsextreme Telegramgruppe bedroht zwei jüdische Studenten. Der Grund: Die beiden haben Straßen in Wien, die nach Nazis benannt sind, mit den Namen von Widerstandskämpfern überklebt.

Eine Telegram-Gruppe rund um den österreichischen Neonazi und Shoah-Leugner Gottfried Küssel wettert gegen Juden und selbst Holocaust-Überlebende. Zur Entscheidung der türkis-blauen Koalition, den Nachkommen von NS-Opfern Doppelstaatsbürgerschaften zu verleihen, meint sie: “Die Überfremdung unsrer Heimat geht munter weiter.” Dass Innenminister Karl Nehammer (ÖVP) heimische Polizisten gegen Antisemitismus sensibilisieren will, kommentiert die radikale Gruppe mit: “Die Gehirn- und Charakterwäsche wird ausgeweitet.” Nun haben die Rechtsextremen zwei jüdische Persönlichkeiten in Wien zu Feinden erklärt – zur Empörung von Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde Wien.
Die Telegram-Gruppe bedroht Bini Guttmann, Präsident der European Union of Jewish Students, und seine Schwester Lara Guttmann, Co-Präsidentin der Jüdischen österreichischen Hochschüler. “Einige Juden zeigen was sie von unserer deutschen Kultur halten”, hetzt die Gruppe auf dem sozialen Netzwerk. “Im Dunkel der Nacht vergreifen sie sich an Straßentafeln die an die großen unseres Volkes erinnern.”
Junge Gemeindemitglieder, die sich gegen Antisemitismus und Rechtsextremismus engagieren, werden bedroht. Das ist scharf zu verurteilen!
— Oskar Deutsch (@DeutschOskar) November 15, 2021
Aber ich weiß, dass sich @Bini_Guttmann, @LaraGuttmann und viele andere Aktivisten nicht einschüchtern lassen! https://t.co/CLVQmOpmfQ
Die “Großen”, um die es dabei geht, sind einstige Antisemiten und Nationalsozialisten, nach denen 23 Wiener Straßen benannt sind. Anlässlich des 83. Gedenktags an die Novemberprogrome haben die beiden Geschwister gemeinsam mit anderen jüdischen Aktivisten die 23 Straßennamen überklebt, und zwar mit den Namen wichtiger Widerstandskämpfer.
Betroffen davon war etwa die Kloepferstraße im 22. Wiener Gemeindebezirk, benannt nach dem steirischen Arzt und Dichter Hans Kloepfer (1867-1944), der 1938 Hitlers Einmarsch euphorisch im “Bekenntnisbuch österreichischer Dichter” bejahte und einschlägige Gedichte verfasste. Er erhielt im Dritten Reich zahlreiche Preise, Ehrenmitgliedschaften und eine NSDAP-Nummer aus dem Kontingent für “verdiente” Österreicher. Ein Wien-Bezug lässt sich in Kloepfers Wirken nicht nachweisen. Die Aktivisten überklebten den Straßennamen mit “Chana-Szenes-Straße” zur Ehrung der ungarischen Widerstandskämpferin Hannah Szenes (1921-1944), die von den Nazis hingerichtet wurde.
Aktivisten fordern auch Umbenennung nach christlichen Widerstandskämpfern
Aus der Müller-Guttenbrunn-Straße im 14. Bezirk wiederum wurde die Franz-Jägerstätter-Straße, benannt nach Österreichs berühmten Widerstandskämpfer und Kriegsdienstverweigerer Jägerstätter (1907-1943), der 2007 von der katholischen Kirche selig gesprochen wurde. Adam Müller-Guttenbrunn(1852-1923) hingegen war ein Schriftsteller. Als Direktor des “Kaiserjubiläums-Stadttheaters” (heutige Volksoper) verfolgte er einen “judenreinen” Kurs mittels dezidiert antisemitischem Spielplan. Dieser ging so weit, dass es seitens der Statthalterei Niederösterreich zu Aufführungsverboten bestimmter Stücke (“Söhne Israels” von Litwin Kriloff und S. K. Litwin oder “Harte Hände” von Roman Bozykowski) kam und sich sogar der damalige Wiener Bürgermeister Karl Lueger davon distanzierte.
Eine Widerstandskämpferin, nach denen eine Straße Wiens den Aktivisten zufolge umbenannt werden sollte, ist die Ordensschwester Anna Bertha Königsegg (1883-1948), die das Euthanasieprogramm der Nazis bekämpfte.
Über Plätze und Straßen, die die Namen ehemaliger Nazis oder prominenter Antisemiten trage, gibt es unterschiedliche Ansichten. Manche wollen mit Schildern auf den Hintergrund der Personen hinzuweisen, ohne die Orte umzubenennen. Die rechtsextreme Telegram-Gruppe geht es um anderes. Sie attackiert die beiden jüdischen Geschwister und bedroht sie unverhohlen: “Köpfe dieser Organisation sind Lara und Bini Guttmann. Namen die man sich merken wird müssen.”
Kommentare
Wenn man sich einen Namen merken wir müssen, ist das schon eine Bedrohung? Die eigentliche Straftat ist aber eigentlich das widerrechtliche Überkleben der Straßennamen und das wird geflissentlich ignoriert. Ich will hier gar keine Rechtsextremen in Schutz nehmen. aber das sieht schon sehr gekünstelt aus. Braucht man wieder Reparationszahlungen?
Vergangene Geschehnisse ungeschehen zu machen oder zu ändern, ist wohl nicht so ganz einfach. Die einseitige und willkürliche Veränderung beantwortet wohl Unrecht mit nur neuerlichem Unrecht.
Um klarzustellen: Ich bin kein Antisemit, habe aber Allergien gegen mainstream-Zionismus.
Also, steht auch Herr Soros unter dem persönlichen Schutz des Herrn Deutsch?
Ist es für ihn auch richtig, wenn die Goldschlaggasse in Wien von Autonomen widerrechtlich umbenannt wird (immerhin hieß eine der “effektivsten” Denunzinantinnen so)?
Ich will weder das eine noch das andere, aber Unrecht von links kann genausowenig durch Vergangenes gerechtfertigt werden, wie Unrecht von Rechts.
Würden sich alle an einen versöhnlichen Verhaltenskodex halten, wäre der gesamten Bevölkerung geholfen. Gegenseitige Anfeindungen und Sticheleien schaden allen. Auch dem Herrn Deutsch hilft einseitige Blauäugigkeit nicht weiter! Oder soll es zumindest nicht. Wir leben hier in einem Land, daß sich wohl vorbildlich für Ausgleich bemüht, das einzige Land Europas, das eine ernsthafte Aufarbeitung der dunklen Zeiten betreibt, da braucht es keiner zionistischen Ausfälle und wehleidiger Zwangserklärungen!
Die Aussage der Telegramgruppe kann man wohl mit Wiederbetätigung ahnden. Wahrscheinlich gibt es da noch mehr Aussagen, die direkte Bedrohung der jüdischen Studenten belegt.
Warum empört sich der Herr Deutsch zur Abwechlsung nicht mal über Islamisten, die Juden auf offener Straße bedrohen, ausrauben, verletzen, Synagogen beschmieren oder anzünden. Ist er dazu zu feig oder hat er etwa Bammel er könnte einer zuwanderungsfeindlichen Politik Vorschub leisten? Wenn dem so sein sollte, gehe ich davon aus, dass er die von den Linken oft und gerne zitierten “Kollateralschäden” in den eigenen Reihen billigend in Kauf nimmt.
Unsinn!! Herr Deutsch hat oft genug die IGGiÖ kritisiert und Maßnahme gegen den Judenhass in deren eigenen Reihen gefordert. Informationen sind sicherlich über Google leicht zu finden. Wenn sich Herr Deutsch aber einmal erlaubt, rechte Judenhasser zu kritisieren, kommen sofort Whataboutism Argumente wie Ihre, die Neonaziterror gegen Juden relativieren sollen. Ausserdem würde mich ganz konkret interessieren, welche Linken in diesem Zusammenhang den völlig danebenen und menschenverachtenden Begriff “Kollateralschäden” verwendet haben. Ich würde den Begriff eher zynischen Kommentaren von Rechten Sympathisanten zuordnen, wie offenbar gerade in ihrem Kommentar zu lesen.
Was für ein Unsinn. Als der Vorsitzender der Grazer jüdischen Gemeinde von einem Syrer angegriffen wurde, hat Herr Deutsch das eindeutig verurteilt. Doch davon werden die Kellernazi um Küssel nicht sympathischer.