Papst Franziskus fordert Friedensverhandlungen. Dabei scheint er Zugeständnisse an Russland nicht auszuschließen und deutete an, dass der Krieg für die Ukraine „nicht gut laufe“. Im katholischen Polen geraten manche Zeitungen darüber in Rage. Sie halten jegliches Nachgeben gegenüber Moskau für undenkbar. Der britische „Telegraph“ sieht das anders. Eine Verhandlungslösung ohne schmerzhafte Kompromisse erscheint mittlerweile als unrealistisch, räumt die Tageszeitung ein. Am Ende könnte sie sogar unausweichlich sein.

Am vergangenen Sonntag schwenkten Menschen auf dem Petersplatz ukrainische Flaggen, als Papst Franziskus beim Angelusgebet zur Menge spricht.APA/AFP/Alberto PIZZOLI

Franziskus fordert den Mut zu verhandeln, statt ewig weiterzukämpfen

Dass der Papst scharfe Kritik aus der Ukraine erntet, sei nicht verwunderlich, sagt der „Telegraph“: „Es ist klar, dass dieser geistliche Rat in einem Land, das vor zwei Jahren überfallen wurde und Tausende von Soldaten und Zivilisten bei dem Versuch verloren hat, den Aggressor zurückzuschlagen, nicht willkommen war. Wo blieb die Verurteilung des Aggressors? Darüber hinaus: An Mut hat es den Ukrainern nicht gefehlt.“

Im Interview mit dem italienischsprachigen Schweizer Rundfunk RSI hatte Franziskus erklärt: „Ich denke, dass der stärker ist, der die Situation erkennt, der an das Volk denkt, der den Mut zur weißen Flagge hat, zu Verhandlungen. Und heute kann man mit der Hilfe der internationalen Mächte verhandeln. Das Wort ‚verhandeln‘ ist ein mutiges Wort.“

Dass Russland Krim und besetzte Gebiete nicht behält, „kaum vorstellbar“

Der „Telegraph“ stellt offen eine Frage: „Spricht der Papst vielleicht nur aus, was viele weltliche Führungskräfte in Europa, Amerika und anderswo denken: dass die Ukraine nicht gewinnen kann und versuchen sollte, weiteres Blutvergießen zu vermeiden?“. Die britische Zeitung verweist auf den Kriegsverlauf: „Bisher hat die NATO erklärt, sie werde der Ukraine ‚so lange wie nötig‘ helfen, Russland aufzuhalten. Doch diese Zusage wird durch schleppende Waffenlieferungen an Kiew widerlegt.“

Fazit: „Eine Verhandlungslösung, die nicht vorsieht, dass Russland die 2014 eroberte Krim und die besetzten Gebiete im Osten behält, ist kaum vorstellbar. Weniger als das zu akzeptieren wäre eine Demütigung für Wladimir Putin.“ Nach zwei Jahren „des Gemetzels“ mit schweren Verlusten „will die Ukraine weiterkämpfen – vorausgesetzt, man gibt ihr die Mittel dazu. Wenn sie dem Land verweigert werden, könnten sich die Worte des Papstes als bedrückend prophetisch erweisen.“

Polnische Stimmen: Das wäre kein Friede, sondern Waffenstillstand vor dem nächsten Krieg

Franziskus hatte ebenso bemerkt: „Wenn man sieht, dass man besiegt wird, dass die Dinge nicht gut laufen, muss man den Mut haben zu verhandeln. Du schämst dich, aber wie viele Tote wird es am Ende geben? Verhandle rechtzeitig, suche ein Land, das vermittelt.“ Und: „Schämt euch nicht, zu verhandeln“.

Ukrainische Flagge auf dem PetersplatzAPA/AFP/Alberto PIZZOLI

Die polnische Zeitung „Rzeczpospolita“ in Warschau ist hingegen erzürnt. Sie hält das für eine Sichtweise der russischen Propaganda: „Genauso gut hätte dies Kreml-Sprecher Dmitri Peskow sagen können.“ Dass der Kreml verhandeln will, das leugnet die Zeitung nicht, nur seien Russlands Vorstellungen schlicht unannehmbar. „Russland hat seit langem erklärt, dass es zu Verhandlungen bereit ist – dazu müsse nur die Ukraine 20 Prozent ihres Territoriums abtreten und ihre Souveränität aufgeben. Dann könnten wir wieder billiges russisches Öl und Gas kaufen. Zumindest so lange, bis Russland sein Militär wieder aufrüstet und befindet, dass seine Sicherheit von einem anderen Land bedroht wird – vielleicht Moldawien, vielleicht Estland, vielleicht Polen.“

Der Papst rufe nicht zu Frieden auf, sondern zu einem „Waffenstillstand vor dem nächsten Krieg. Die Lehre der katholischen Kirche besagt, dass der Papst in Glaubensangelegenheiten unfehlbar ist. Sie sagt aber nichts über die Unfehlbarkeit in geopolitischen Fragen. Und in dieser Frage liegt Franziskus einfach falsch.“