So viel Lärm – um nichts? „Viel mehr als eine Luftnummer“ seien Chinas Spionageballons, titelte im Februar die „Zeit“. Heute erscheinen sie tatsächlich als Lachnummer.

General Mark Milley: Der Ballon hat nicht spioniert.

Ein Ballon hatte die Beziehungen zwischen den Vereinigten Staaten und China Anfang Februar in eine schwere Krise gestürzt. Er war erstmals am 28. Jänner über dem US-Bundesstaat Montana aufgetaucht. Ein U-2-Spionageflugzeug folgte ihn daraufhin. US-Außenminister Antony Blinken sagte eine wichtige Reise nach Peking ab. Am 3. Februar bezeichnete er Chinas Entscheidung, einen „Überwachungsballon“ über das Festland der Vereinigten Staaten fliegen zu lassen, als „inakzeptabel und unverantwortlich“.

US-Außenminister Antony Blinken sagte seinen geplanten China-Besuch empört ab.APA/AFP/POOL/Brendan Smialowski

Medienberichte schlugen Alarm: China spioniert Nachbarländer aus

Tagelang versetzte der „chinesische Spionageballon“ Öffentlichkeit und Politik in helle Aufregung. Am 4. Februar schickte Washington die besten Kampfjets des Landes los, um die weiße Kugel abzuschießen. Präsident Joe Biden hatte die Luftwaffe zuvor angewiesen, das ominöse Flugobjekt vom Himmel zu holen, sobald es den Atlantischen Ozean erreicht.

Unzählige Medienberichte warnten vor der großen Bedrohung, die von dem vermeintlichen Spionageobjekt ausgehen soll. US-Sicherheitskreisen zufolge soll es Teil einer ganzen Ballonflotte gewesen sein, berichtete die „Washington Post“.

Die „Washington Post“ berichtete von Chinas Ballonflotte

Die Ballons seien von verschiedenen Orten in China aufgestiegen, einer davon sei eine Militärbasis in der südchinesischen Hainan-Provinz. Seit 2018 seien schon Dutzende Ballone von dort gestartet. Peking hätte mit ihnen seine Nachbarländer – Japan, Indien, Vietnam, Thailand und die Philippinen – ausspioniert. Die Volksrepublik wollte deren militärische Fähigkeiten erkunden und sich so auf künftige Konflikte vorbereiten, berichtete die „New York Post“.

China spioniert die militärischen Fähigkeiten anderer Länder aus, berichtete die „New York Times“.

Die Wochenzeitung „Zeit“ berichtete: „Chinas mutmaßliche Spionage wirkt altbacken. Doch Militärstrategen sehen sie als Teil der Kriegsführung von morgen.“

General Milley: „Dieser Ballon hat keine nachrichtendienstlichen Informationen gesammelt“

Sieben Monate später ist alles anders: Die diplomatische Krise, das Säbelrasseln zwischen Washington und Peking, die schweren Vorwürfe – all das erscheint nun als Sturm im Wasserglas, als helle Aufregung um viel heiße Luft, im wahrsten Sinne des Wortes. Das räumt nun General Mark Milley (65), der Vorsitzende des Vereinigten Generalstabs der US-Streitkräfte, gegenüber „CBS News“ ein. Fest stehe mittlerweile: Der Ballon hat nicht spioniert.

Die Route des Ballons

Wörtlich erklärte der ranghöchste US-General: „Die Geheimdienste sind zu der Einschätzung gelangt – und es handelt sich um eine sehr zuverlässige Einschätzung –, dass dieser Ballon keine nachrichtendienstlichen Informationen gesammelt hat.“ Was der Ballon dann über den Vereinigten Staaten zu suchen hatte – darüber gebe es verschiedene Theorien.

Zunächst hatte er sich auf dem Weg nach Hawaii befunden, doch die Winde in 18 Kilometer Höhe hätten offenbar die Kontrolle übernommen. „Diese Winde sind sehr stark“, unterstrich Milley gegenüber CBS. Der Ballon schwebte anschließend über Alaska und Kanada und war in Billings, Montana, von dem Fotografen Chase Doak entdeckt worden.

Joe Biden klagte: „Dieser dumme Ballon...“

Nachdem das weiße Objekt abgeschossen worden war und die Marine es vom Grund des Atlantiks gehoben hatte, stellten technische Experten fest: Die Sensoren des Ballons waren nie aktiviert worden, als er sich über den Vereinigten Staaten befand.

„Doch zu diesem Zeitpunkt war der Schaden für die Beziehungen zwischen den USA und China bereits angerichtet“, kommentiert CBS. Am 21. Mai bemerkte Biden: „Dieser dumme Ballon, der Spionageausrüstung im Wert von zwei Güterwaggons an Bord hatte, flog über die Vereinigten Staaten und wurde abgeschossen, und damit änderte sich alles in Bezug auf die Gespräche zwischen den beiden Ländern.“

Milley meint heute: „Ich würde sagen, es war ein Spionageballon, von dem wir mit hoher Sicherheit wissen, dass er keine Informationen erhalten hat und auch keine Informationen nach China zurückgeschickt hat.“

Der Ballon wurde zunächst über der Stadt Billings von einem Fotografen gesichtet.

Star-Journalist Seymour Hersh: So viel Aufregung – wegen eines Ballons!

Nun, möglicherweise war alles nur ein Irrtum. Möglicherweise hatte der US-Geheimdienst in seiner ersten Einschätzung geirrt. Doch die helle Aufregung, in die das Polit-Establishment im Frühjahr geraten ist, hat schon damals kritische Beobachter verwundert.

Spöttisch kommentierte etwa Star-Reporter Semyour Hersh im März auf eXXpressTV: „Wir haben einen Außenminister, der vor drei Wochen nicht zu seinem Amtskollegen nach China gefahren ist – wegen eines Ballons! Eines Ballons!“