Seit Donnerstag sorgen Infos auf dem Handy des aktuell suspendierten Justiz-Sektionschefs Christian Pilnacek für Medienwirbel. Mittlerweile gibt es Hinweise, wonach möglicherweise eine undichte Stelle in der Justiz Infos weitergegeben haben könnte. Am vergangenen Donnerstag wurden Informationen über Pilnaceks Handy erstmals den Medien zugespielt. Pilnacek steht seither in Verdacht, Finanzminister Gernot Blümel (ÖVP) bei Ermittlungen gegen ihn unterstützt zu haben.

Die Suspendierung von Christian Pilnacek war aufgehoben worden, das Ministerium legt dagegen nun Rechtsmittel ein.APA/GEORG HOCHMUTH

Allerdings ist das alles aus Sicht der Bundesdisziplinarbehörde offensichtlich weder strafbar, noch ein Disziplinarvergehen. Dort wurde nämlich die Suspendierung Pilnaceks aufgehoben – der eXXpress berichtete. Wenn sich auch das Bundesverwaltungsgericht dieser Einschätzung anschließt, bleibt also nichts übrig, außer viel Wirbel und ein Image-Schaden für Pilnacek. Viel spannender ist daher eine andere Frage: Wie sind die internen Dokumente in die Hände der Medien geraten, wo doch die zuständigen Beamten gemäß Bundesverfassung und Beamtendienstrecht zu Verschwiegenheit verpflichtet sind, und zwar im Interesse jedes Bürgers?

Verschiedene Szenarien möglich

Theoretisch gebe es zwei Möglichkeiten, wie die Infos ohne die Justiz an die Öffentlichkeit gelangt sind:

Variante eins: Ein involvierter Anwalt, der im Besitz der Beweisstücke ist, spielte die Unterlagen den Medien zu.
Zurzeit ist kein einziger Anwalt, der hier Akteneinsicht gehabt hätte, bekannt, außer Pilnaceks eigener Anwalt. Es ist aber schlicht aberwitzig, wenn dieser um seinem Mandanten zu schaden, die Öffentlichkeit informieren wollte.

Variante zwei: Die Ermittlungsergebnisse landeten im Ibiza-Untersuchungsausschuss und wurden von dort Medien weitergegeben.
Das klingt wahrscheinlicher: Der Untersuchungsausschuss besteht aus sechs Vorsitzenden, 13 Mitgliedern sowie weiteren 13 Ersatz-Mitgliedern, die allen fünf Parlamentsparteien angehören. Keine Frage: Hier können Unterlagen leicht Füße kriegen und in alle möglichen Richtungen wandern. Doch – und hier ist der Haken: Geht sich das zeitlich auch realistischerweise aus?

Der Akt, in dem sich die Informationen zu Pilnacek befinden, landete am Donnerstag um die Mittagszeit beim Untersuchungsausschuss. Die Auswertung der vielen hundert Seiten dauert normalerweise einen Tag. Doch am Nachmittag folgten schon die ersten Medienberichte, die ausschließlich um Pilnacek kreisten.

Es scheint, als wussten einige schon, wonach sie suchen müssen. Möglich ist daher auch der Verdacht: Hier war schon vorher jemand eingeweiht.

Unrealistisch – es sei denn, jemand war eingeweiht

Eingeweiht waren zunächst die Beamten jener beiden Behörden, die über das Handy miteinander per Email korrespondierten: die Oberstaatsanwaltschaft Innsbruck und die WKStA. Dass sich der Verdacht eher gegen letztere richten könnte, liegt an Vorfällen in der Vergangenheit: Schon mehrfach wanderten nämlich Unterlagen gegen Beschuldigte an Medien, ohne dass die Betreffenden überhaupt gewusst haben, dass die WKStA gegen sie ermittelte. Der im Raum stehende Verdacht führte im vergangenen Jahr bereits zu einem Verfahren gegen die WKStA, das im Februar aber eingestellt wurde. Bis heute wurde keine vollständige Evaluierung nach Abschluss des Verfahrens vorgelegt.

Das Leak vom Freitag hat bis dato keine neuerliche Untersuchungen über mögliche undichte Stellen in der Justiz eingeleitet. Justizministerin Alma Zadic (Grüne) ist zwar aktiv geworden, aber nicht um zu eruieren, ob Beamte hier gegen die Amtsverschwiegenheit verstoßen haben, sondern um die Suspendierung von Sektionschef Christian Pilnacek durchzusetzen. Die Justizministerin wird, wie nun bekannt wurde, eine Beschwerde gegen die Entscheidung der Disziplinarkommission einlegen, die befunden hat, dass die Suspendierung Pilnaceks nicht angebracht ist. Entscheiden wird in wenigen Wochen daher das Bundesverwaltungsgericht.

Viele Fragen offen

Bei Christian Pilnacek stand am Anfang nur ein schwach begründeter Verdacht: Der Sektionschef soll dem ehemaligen Justizminister und VfGH-Richter Wolfgang Brandstetter den Termin einer Hausdurchsuchung bei Immobilieninvestor Michael Tojner verraten haben. Deshalb wurden Staatsanwälte bei Pilnacek vorstellig und kassierten sein Handy. Seither ermittelt die Staatsanwaltschaft Innsbruck wegen des Verdachts des Amtsgeheimnisverrats. Die nun gefundenen Dokumente auf Pilnaceks Handy haben nichts mit der Causa Brandstetter und Tojner zu tun, rücken den langdienenden Beamten aber in einem  anderen Fall in ein schiefes Licht, der aber wiederum nichts mit seiner Suspendierung zu tun hatte.