Rochaden sollen in Russlands Verteidigungsministerium bevorstehen – und zwar in der Führungsebene. Das berichteten russische Staatsmedien. Die Änderungen betreffen demnach Verteidigungsminister Sergej Schoigu – einen langjährigen Putin-Freund – und ebenso den Generalstabschef der Armee, Waleri Gerassimow.

Später bestritt der Kreml, darüber mit Prigoschin verhandelt zu haben. Über Schoigus Zukunft herrscht aktuell Unklarheit. Sicher ist aber eines: Moskau lässt die Aufständischen glimpflich davonkommen. Vorerst.

Putins um zwei Jahre jüngerer Verteidigungsminister Sergej Schoigu (r., 68) ist schon lange ein Vertrauter des Präsidenten. Jüngst machten Gerüchte die Runde, das Verhältnis zwischen den beiden würde sich abkühlen.Contributor/Getty Images

Die Umstellungen sind Bestandteil der Vereinbarung mit Wagner-Boss Jewgeni Prigoschin (62). Der Deal konnte in buchstäblich letzter Sekunde den Marsch auf Moskau stoppen. Von „einer absolut großzügigen und akzeptablen Einigung“ spricht der Pressedienst Weißrusslands. Weitere Punkte beinhalten die „Sicherheit der Wagner-Gruppe“.

Vollständige Amnestie nach abgebrochener Meuterei

So wird etwa die strafrechtliche Verfolgung der Wagner-Kämpfer und ihres Chefs eingestellt, erklärte der Kreml am Abend. Jene Söldner, die sich an Prigoschins Marsch auf Moskau nicht beteiligt haben, werden nicht zur Wagner-Einheit zurückkehren, sondern einen Vertrag mit dem Verteidigungsministerium unterzeichnen. Der Wagner-Boss selbst soll seinen Aufenthaltsort nach Weißrussland verlagern.

Seit Monaten hat Jewgeni Prigoschin die russische Militärführung offen beschimpft und ihr zuletzt sogar Fake News über die Offensive vorgeworfen.

Mit anderen Worten: Der Kreml erlässt vollständige Amnestie für Kämpfer, die gegen die Staatsspitze offen revoltiert und gekämpft haben. Zu einem Putsch ist es zwar nicht gekommen, das aber primär deshalb, weil sich maßgebliche russische Militärs an Prigoschins Aufstand nicht beteiligen wollten. Von einer abgebrochenen Meuterei muss man im Rückblick hingegen sehr wohl sprechen.

Lukaschenko hat einen Tag lang mit Prigoschin verhandelt

Vermittelt wurde der Deal vom weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko. Er hatte sich diesbezüglich Samstagfrüh mit Putin abgestimmt, wie der Mitteilung des Pressedienstes der Republik Weißrussland zu entnehmen ist: „Heute Morgen informierte der russische Präsident Wladimir Putin seinen weißrussischen Amtskollegen über die Lage im Süden Russlands beim privaten Militärunternehmen Wagner“, heißt es in der Aussendung. „Die Staatsoberhäupter einigten sich auf gemeinsame Aktionen. Im Rahmen der Ausarbeitung der Vereinbarungen führte der Präsident von Weißrussland Gespräche mit dem Leiter der Wagner-Gruppe Jewgeni Prigoschin“.

Die Beziehung zwischen Lukaschenko (r.) und Putin (l.) hat ebenfalls schon mehrere Hochs und Tiefs durchlaufen. Seit der Niederschlagung der Proteste in Weißrussland sind beide beide wieder merklich aneinander gerückt.APA/AFP/Sputnik/Alexei Druzhinin

Über den gesamten Tag sollen sich die Verhandlungen erstreckt haben. Schließlich sei man überein gekommen, „dass die Anstiftung eines blutigen Massakers auf dem Territorium Russlands unzulässig sei. Jewgeni Prigoschin nahm den Vorschlag des weißrussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko an, die Bewegungen bewaffneter Truppen der Wagner-Firma auf dem Territorium Russlands zu stoppen und weitere Schritte zur Deeskalation der Spannungen zu unternehmen.“

Nun liege „eine absolut großzügige und akzeptable Lösung der Situation mit Sicherheitsgarantien für die Wagner-Kämpfer auf dem Tisch.“

Militär-Experten sind verblüfft

Jedoch dürfte die Wagner-Truppe Putins Armee durchaus schmerzhafte Verluste zugefügt haben. Mehrere Hubschrauber sollen durch die Wagner-Kämpfer abgeschossen worden sein: drei Mi-8MTPR-1, und je ein Mi-8 , Ka-52, Mi-35 und IL-18. Kurz vor Ankunft der Wagner-Söldner wurde überdies eine Brücke zwischen dem Dorf Anna und der Stadt Borisoglebsk in der Region Woronesch gesprengt.

Einige Beobachter können kaum glauben, dass Prigoschin tatsächlich ungeschoren kommen wird. So meint etwa der US-Militärexperte Tyler Rogoway, Chefredakteur von „The War Zone“: Der Kreml habe „einen Deal mit einem Mann gemacht, der eben mit seiner Privatarmee einen ganzen Militärbezirk mit vorgehaltener Waffe übernommen hat, Flugzeuge abgeschossen hat, die Gründe für den Krieg als unbegründet bezeichnet hat und als Verräter angesehen wurde.“ Das sei eine „erstaunliche und aufschlussreiche Wendung“. Nun müsse man abwarten, wie sich die Lage entwickelt. Es sei aber „sehr schwer zu sehen, wie Prigoschin das überlebt.“