Zurzeit sei es kaum möglich, auf ein Ende des Krieges hinzuarbeiten, sagt der langjährige Kriegsreporter. Schuld sei das öffentliche Meinungsklima, an dem Christian Wehrschütz scharfe Kritik übt: Er komme sich „wirklich vor wie bei Orwell in einer absoluten Verquerung der Umstände“. Es gelte: „Wer für Frieden ist, ist automatisch ein Putin-Versteher.“

Gegenwärtig sei natürlich „ein ungünstiger Zeitpunkt“ für die Ukraine, um in Verhandlungen einzutreten, räumt der Korrespondent ein, „weil die Russen jetzt glauben, gewinnen zu können.“ Hinzu käme noch: „die US-Wahl im November und die EU-Wahl. Ich sehe daher nicht, dass sich vor Jahresende noch etwas bewegen wird.“ Das könne also noch eine Weile so weitergehen. Doch das Fehlen eines Willens, eine politische Lösung überhaupt zu finden, hält der ORF-Journalist für bedenklich.

Politische Elite schätzt Lage bei Ukrainern zurzeit falsch ein

Zurzeit will die Ukraine 400.000 ihrer geflohenen Bürger von der EU zurück bekommen. „Wie soll das gehen?“, wird Wehrschütz gefragt. „Gar nicht“, lautet seine Antwort. Im Land selbst stoße er auf „interessante Widersprüche“, berichtet er: „einerseits die vielen Kriegswitwen, die sagen: ‚Jetzt sind so viele gefallen, dass es nicht sinnlos gewesen sein darf. Wir müssen durchhalten und gewinnen.‘ Und dann gibt es Umfragen, dass 70 Prozent gegen eine erzwungene Mobilisierung sind und nicht kämpfen wollen.“

Was die politische Elite in Kiew noch nicht verstanden habe: „Die Leute kriegen mit, dass sich die Siegeserwartungen nicht erfüllt haben.“ Es gebe eine Kriegsmüdigkeit, allerdings mangle es den Menschen zurzeit an Alternativen. „Was man wirklich immer hört: zurück zu Moskau wollen sie auf gar keinen Fall. Das ist wie bei Geschiedenen nach 30 Jahren Rosenkrieg. Das Mantra geht eindeutig Richtung NATO und EU.“ Der Weg dort werde aber lang, wie Wehrschütz mit Verweis auf die polnischen Bauernproteste gegen ukrainisches Billiggetreide meint.

Die Ukraine verweigert Wehrschütz die Akkreditierung ohne Grund zu nennen

Das Regime in Kiew ist dem ORF-Star offenbar auch nicht nur wohl gesonnen. Im vergangenen Herbst hat es ihm die Akkreditierung für Militärgebiete versagt. Wehrschütz hat sie mittlerweile „neu beantragt, aber im Gegensatz zu den anderen nicht bekommen. Sogar die Bearbeitung wird verweigert. Ich verlange, dass mir die Ukraine den Grund nennt, und hoffe, dass sich das offizielle Österreich für mich einsetzt. Es geht nicht nur um meine Sicherheit, sondern immerhin um das demokratische Recht der Pressefreiheit. Die Ukraine ist schließlich EU-Beitrittskandidat.“