Schon bisher verlief die EU-Erweiterung schneller als geplant. Doch wenn es nach Annalena Baerbock geht, dann sollte sie in eben diesem Tempo fortgesetzt werden. Daher hat sie auch alle EU-Außenminister am Donnerstag nach Berlin geladen, darunter auch Alexander Schallenberg (ÖVP). Überdies sind auch noch die Amtskollegen aller EU-Beitrittsländer angereist. Hier wird die Liste immer länger. Mittlerweile haben zehn (!) Staaten eine EU-Perspektive erhalten. Da bekommen einige Kopfschmerzen. Schon jetzt ist es schwer genug, 27 EU-Staaten auf einen gemeinsamen Nenner zu bringen. Wie soll das erst mit 38 Staaten klappen?

Bereits zehn EU-Beitrittskandidaten!

Schon seit langem gehört die Türkei zu den Beitrittskandidaten – die Ansicht der Österreicher dazu ist bekannt. Zudem erhielten nach Russlands Invasion auch noch die Ukraine, Georgien und die Republik Moldau Beitrittsaussichten. Darüber hinaus wuchs die Zahl der Westbalkanstaaten mit EU-Perspektive auf sechs. Bei mehreren dieser Länder gibt es teils massive Bedenken. Doch für Baerbock ist der Beitritt dieser Kandidaten schon ausgemachte Sache: „Die Frage ist inzwischen nicht mehr, ob eine EU-Erweiterung stattfinden wird, sondern ‚wie‘ und ‚wann‘ dies geschieht“, unterstreicht das deutsche Außenministerium im Vorfeld des Treffens.

Es wird sich zeigen, ob Österreichs Außenminister Schallenberg die Vorbehalte der Österreicher zur Sprache bringen wird. Es gibt nämlich einige – aus guten Gründen!

Schallenberg ist gefordert: Österreich darf nicht noch mehr einzahlen!

Österreich ist schon jetzt Netto-Zahler. Niemand hat Lust, noch weitere EU-Staaten durchzufüttern. Umstrittene Aktionen wie die Corona-Hilfesgelder von mehreren hundert Milliarden Euro kamen uns schon teuer genug. Ein offenes Geheimnis ist überdies, wie es um Korruption und Rechtsstaatlichkeit in einigen dieser Beitrittskandidaten bestellt ist. Kurz vor der Ukraine-Invasion wusste das auch noch der Europäische Rechnungshof. Zurzeit hält er sich mit kritischen Berichten zurück.

Was besonders verwundert: Annalena Baerbock wünscht sich ebenso ein Europa, das mit einer Stimme spricht, wie sie unterstreicht. Die EU solle ihre Rolle als „starke Stimme in der Welt“ beibehalten, erklärt sie im Vorfeld des Treffens. Damit blendet die Außenministerin aus, dass es diese gemeinsame Stimme schon jetzt vielfach nicht gibt. Zurzeit zeigt sich etwa bei den Kriegen in der Ukraine und in Israel: 27 Staaten haben unterschiedliche geopolitische Interessen. Das eine und einzige europäische Interesse ist oft in Wahrheit eine Illusion. Mit 38 Ländern wird es nicht leichter sein, einen Konsens zu finden.

Schallenberg wird die Gelegenheit haben, um in Berlin Österreichs Einwände vorzubringen –  oder alles brav abzunicken. Zweiteres würde seine Beliebtheit bei einigen Amtskollegen zweifelsohne erhöhen, aber ganz bestimmt nicht bei den Wählern.