Chinas neue Digitalwährung DCEP (für China Digital Currency Electronic Payment) ist nicht mehr zu stoppen. Sie wurde in dieser Woche vorgestellt und nimmt den Kampf mit dem US-Dollar auf. Das könnte die Situation der Weltwährungen dramatisch verändern. Die USA und ihre Verbündeten dürften nicht lange zuschauen, wie der Analyst J.G. Collins in einer ausführlichen Analyse prognostiziert. Collins berät als Geschäftsführer von “The Stuyvesant Square Consultancy” Geschäftsleute, Investoren und auch politische Kandidaten. Er rechnet nun mit einem Wettkampf zwischen digitalen Zentralbankwährungen, dem der Bitcoin und andere Kryptowährungen zum Opfer fallen werden. Der Bitcoin Hype, der eben durch den Börsengang von Coinbase ein weiteres Mal beflügelt wurde, wäre bald vorbei.

China: Mit einer digitalen Währung zur Supermacht

Das Wall Street Journal hat Anfang der Woche bereits berichtet, dass die Chinesische Volksbank, die Zentralbank der Volksrepublik China, einen digitalen Renminbi vorgestellt hat. Damit führt zum ersten Mal eine große Volkswirtschaft eine digitale Währung ein. Vor seiner offiziellen Einführung wurde der digitale Yuan bereits in kleinen Pilotprogrammen in einigen Städten bereits ausprobiert. Die Beamte dort erhielten die Hälfte ihres Gehalts in Form der digitalen Währung.

Es dürfte für Staatspräsident Xi Jinping ein entscheidender Schritt sein, um die Volksrepublik China bis zum Jahr 2050 zur dominierenden Supermacht zu machen. Jinping möchte dabei auch die Regeln für digitale Zentralbankwährungen weltweit festlegen. Mit dem digitalen Yuan erlangt die chinesische Zentralbank einen beträchtlichen Marktanteil gegenüber anderen digitalen Währungen.

Olympische Spiele in Peking als geopolitische Bedrohung

Von einem solchen digitalen Yuan geht aus westlicher Sicht ein erhebliches Risiko aus. Er dürfte zumindest einer der Gründe dafür sein, dass die USA und andere Staaten daran denken, die Olympischen Winterspiele 2022 in Peking zu boykottieren. Dank der Technologie des digitalen Yuan können Besucher der Olympischen Spielen die dortigen Verkäufer mit ihrem Smartphones bezahlen, ähnlich wie Apple Pay. Die Folge: Alle Teilnehmer der Olympischen Spiele verfügen über die Technologie, die an ein digitales Yuan-Konto gebunden ist, und nehmen sie mit nach Hause. Dabei kann der digitale Yuan vom Gerät des Zahlungsempfängers sofort in die Währung des eigenen Landes umgerechnet werden.

J.G. Collins zufolge würde der Yuan damit zur globalen Währung, einer Art gebührenfreien American Express Debitkarte, die überall akzeptiert wird, ohne Transaktions- oder Wechselgebühren für den Kunden oder den Händler. Für die USA und ihre Weltleitwährung, den Dollar, stellt das eine bedeutende geostrategische und politische Bedrohung dar.

"USA müssen eigene Finanzinfrastruktur modernisieren"

Das Wall Street Journal unterstreicht: “Dass ein autoritärer Staat und US-Rivale die Führung übernommen hat, um eine nationale digitale Währung einzuführen, macht das, was einst ein schräges Thema von Kryptowährungstheoretiker war, zu einem Gegenstand ernster Besorgnis in Washington.” Das Journal zitiert Kevin Warsh, einen ehemaligen Fed-Gouverneur, der zurzeit an der Hoover Institution der Stanford University arbeitet: “Chinas digitale Schritte lenken die Aufmerksamkeit darauf, wie die USA ihre eigene Finanzinfrastruktur modernisieren müssen.” Auf keinen Fall sollten die USA fünf oder zehn Jahre warten.

Jerome Powell, Vorsitzender der Federal Reserve, unterstreicht, dass die Entwicklung einer von der Fed unterstützten digitalen Zentralbankwährung – eine sogenannte Central Bank Digital Currency, kurz: CBDC – ein Projekt von sehr hoher Priorität ist. Allerdings sei hier die Volksrepublik China den USA vermutlich weit voraus.

Online-Bezahlungen ohne Geschäftsbanken

Die Digital-Yuan-App würde eine Funktion haben, die dem derzeitigen chinesischen Onlinebezahlsystem Alipay fehlt: Nutzer können durch Antippen des Telefons Geld zwischen Konten transferieren, genauso wie physisches Bargeld den Besitzer wechselt. Die Währung als gesetzliches Zahlungsmittel könnte ohne eine Bank als Vermittler umgetauscht werden. Damit könnte die Volksrepublik China ihr Wirtschaftssystem widerstandsfähiger machen.

In China wird viel seltener Bargeld verwendet als anderswo. Die chinesische Wirtschaft wäre nahezu lahmgelegt, wenn eine Katastrophe den Mobilfunkdienst unterbricht. Doch dank der Möglichkeit, Überweisungen ohne Internetverbindung durchzuführen, könnte die Digital-Yuan-App sicherstellen, dass der Handel so lange fortgesetzt werden kann, wie Strom verfügbar ist, sagt J.G. Collins.

Der US-Dollar als Weltleitwährung gerät in Bedrängnis

Die Stellung des US-Dollar als Währung des globalen Handels würde damit in Frage gestellt werden. Dank des digitalen Yuan kann die Volksrepublik China nämlich Sanktionen der USA umgehen. Und: China könnte von Erdbeben oder Sanktionen in Mitleidenschaft geratenen Nationen viel schneller finanzielle Hilfen zukommen lassen als die USA, wie J.G. Collins unterstreicht. Sie müsste die digitale Währung nur über die Telefonnummer an ein Gerät senden. Chinas politischer Einfluss würde enorm wachsen.

Grenzüberschreitende Zahlungen könnten dank des digitalen Yuan viel einfacher und effizienter an ein Mobiltelefon gesendet werden als an SWIFT oder andere Interbank-Zahlungssysteme, die eine Bankinfrastruktur zur Übermittlung von Geldern benötigen. Chinas digitaler Yuan – der DCEP – untergräbt, wie jede digitale Währung einer Zentralbank, sowohl SWIFT als auch die Debit- und Kreditkarten der Banken. Allein die geopolitischen Folgen wären schwerwiegend. Bisher konnten die USA und die EU noch über das SWIFT-System “Finanzblockaden” gegen Staaten wie den Iran und Nordkorea verhängen.

Das Rennen um digitales Zentralbankgeld beginnt

Unabsehbar wären auch die Konsequenzen für die US-Wirtschaft, sollte der US-Dollar seine herausragende Stellung als Weltreservewährung verlieren. Ein Rückgang der Nachfrage nach US-Dollar-Anlagen, einschließlich von US-Dollar, die von ausländischen Zentralbanken als Reserven gehalten werden, würde zu einem Anstieg der längerfristigen US-Zinsen führen. Eine Yield Curve Control wäre denkbar.

Damit ist das Rennen um die Vorherrschaft unter den Zentralbanken in vollem Gange. Chinas Kommunistische Partei hat bereits einen enormen Vorsprung, den es über die Olympischen Spiele ausbauen könnte. J.G. Collins verweist auf die Teilnahme von Entwicklungsländern, in denen große Teile der Bevölkerung keine Bankverbindung haben.

Bitcoin wird verboten und/oder ausgebootet

Chinas digitales Zentralbankgeld bietet einige Vorzüge, die andere digitale Zentralbankwährungen – kurz CBDCs – wohl übernehmen werden. Sie ist leicht verwendbar, stabil und garantiert eine vom Staat kontrollierbare Anonymität: Käufer und Verkäufer können untereinander anonym bleiben, aber die Regierung kann die Identität beider bei verdächtigen Transaktionen ermitteln. Das Ergebnis: Digitale Zentralbankwährungen sind am Ende die einzigen “legalen” digitalen Währungen.

Deshalb könnten sämtliche Regierungen schon bald den Besitz oder die Verwendung von Bitcoin und anderer digitaler Währungen kriminalisieren, wie J.G. Collins zumindest vermutet, da sie anonym ausgetauscht werden können. Die Entscheidung könnte schon in wenigen Monaten fallen, meint Collins, sobald es einen digitalen US-Dollar gibt. Die Nachfrage nach Bitcoin würde einstürzen und damit auch der Bitcoin-Preis. Vor allem würden digitale Zentralbankwährungen die gleichen oder vielleicht sogar noch mehr Vorteile bieten als Bitcoin; für Transaktionen wären sie genauso leicht verfügbar wie Bargeld. J.G. Collins kommt zur Schlussfolgerung: Bitcoin würde verschwinden, und durch eine neue Kryptowährung ersetzt werden.

Im geopolitischen Wettkampf würden sich die EU, das Vereinigte Königreich, Japan, Südkorea, Australien und Indien den USA anschließen und dieselbe Technologie verwenden, wie der digitale US-Dollar. Schließlich werden sie nicht wollen, dass China die Zahlungssysteme der Welt kontrolliert.