Daniela Holzinger: Wo sind die Erklärer? Politik in der PR-Falle
Was den Politiker vom Staatsmann unterscheidet, ist nicht das Amt, sondern die Sprache. Während die Einen mit Luftschlössern verführen oder sich in sozialen Medien bloßstellen, erklären die Anderen, warum es Kompromisse braucht, um weiterzukommen. eXXpress Kolumnistin Daniela Holzinger über eine Politik in der PR-Falle.
Unspektakulär.
Bei der Recherche zu meiner letzten Kolumne bin ich auf eine ganz außergewöhnliche Tonaufnahme gestoßen. Bruno Kreisky, in den 1950ern Staatssekretär für auswärtige Angelegenheiten, schildert darin den Ablauf der Neutralitätsverhandlungen mit Moskau. Unspektakulär auf 3:44 Min., ruhig, sich bei der kleinsten Erregung sofort wieder fangend und dennoch mit unüberhörbar charmantem „Augenzwinkern“. Fast so, als würde einem der Oberkellner des Sacher seine ganz persönlichen Spezialitäten des Hauses empfehlen.
Man hört gerne und aufmerksam zu. Fühlt sich ernst- und mitgenommen. Als Staatsbürger, als Souverän, der nun darüber in Kenntnis gesetzt wird, was sein Vertreter für ihn erreichen konnte.
Enttäuschung, dass offensichtlich manche Verhandlungsziele nicht durchsetzbar waren, stellt sich weder auf der einen noch der anderen Seite des „Rundfunkgerätes“ ein. Klar, weil als Erwachsene wissen wir, dass Verhandlung auch immer Kompromiss bedeutet und am Ende tragfähige Lösungen mehr zählen, als rechthaberisch auf der Stelle zu treten.
Sich auszureden auf genauso namen-, wie zahllose Expertinnen und Experten, Plattitüden und vorgefertigte Stehsätze aneinanderzureihen, Zielgruppen mit Triggern zu füttern, um ein möglichst lautes Gezwitscher zu provozieren und „Likes“ abzustauben – all das spielte damals keine Rolle. Wenn Erwachsene miteinander reden, reicht es – REICHTE es – zu sagen, was Sache ist. Auf Augenhöhe.
Geschäftstüchtige Sophisten.
In seiner letzten Kolumne bringt das mein Kollege Bernhard Heinzlmaier ganz gut auf den Punkt, wenn er die „Sophisten postmoderner Politik“ und jene, die ohne sie bloß wortlose Marionetten wären, gleichermaßen an den Pranger stellt.
„Authentisch“ ist heute nicht mehr, wer zu seinen Überzeugungen steht, sagt was er will, und erklärt, was er tut, sondern wer sich zu Hampelmann und -frau jedes noch so infantilen Trends auf TikTok, Twitter und Co. degradiert.
„Wir müssen die Jungen erwischen und dort abholen, wo sie sind“ lautet das, unseren Politikern den täglichen Obolus an Selbstentwürdigung abverlangende, Mantra. Und sie liefern bereitwillig:
Die Staatssekretärin liest aus Harry Potter. Kanzler und Minister zittern vor der Herausforderung ihre österlichen Eier nur Spitz auf Spitz und Arsch auf Arsch zu pecken. Und Wiens Vizebürgermeister zappelt zu „Che La Luna“ sein feudales Büro ab, während die Stadt-Grünen selbiges, davor am Rathausplatz veranstalten.
#Challenge nennt man das, wenn einer anfängt und alle nachhüpfen, weil man sonst… Ja sonst? Ich weiß auch nicht. Vielleicht wird man dann gehänselt. Die (Regierungs-) Kollegen kleben einem Zetterl auf den Rücken, wo dann so Gehässigkeiten stehen, wie „Ich bin doof. Bäh!“ Kann sein.
Da lob ich mir noch Verfassungsministerin Karoline Edtstadler, die ihren TikTok-Followern in zugegeben sehr bezaubernder Art und Weise erklärt, wie ihr denn ein „romantischer Heiratsantrag“ zu stellen sei oder auch, dass der „Lipgloss“ auf Reisen nicht fehlen darf.
Und da reden wir bitte nur von der Spitze jenes Eisberges, an dem das Ansehen heimischer Politik täglich aufs Neue zerschellt.
Zeiten ändern sich.
Klar, die Zeiten ändern sich. Politiker wie Kreisky, Adenauer, Brandt, Schmidt, De Gaulle und viele andere kann man nicht kopieren und soll es auch nicht. Geprägt von der zerstörerischen Kraft zweier Weltkriege, mitten im Spannungsfeld des Ost-West-Konfliktes wussten sie genau, was auf dem Spiel steht. Politik war für sie kein Spaß, sondern die Chance Europa in eine Zeit der Sicherheit, des Friedens und des Wohlstandes zu führen.
Eine Zeit die nun zu Ende geht. Mit dem russischen Überfall auf die Ukraine krochen auch die Geister des Kalten Krieges wieder aus ihren Löchern.
Frieden und Sicherheit sind kein Zustand mehr, sondern erneut Auftrag.
Ich wäre deshalb froh, wenn auch hierzulande Politiker und Politikerinnen diesen Auftrag und sich selbst wieder ernst nehmen würden. Und wenn sie darüber hinaus auch noch die Gnädigkeit besäßen, uns, den Bürgerinnen und Bürgern des Landes, auf Augenhöhe zu erklären, warum und wie das unser Land weiterbringt. Ganz ohne PR-Falle, Tik und Tok.
Kommentare
Das Problem an unseren Politikern ist ,es geht nicht mehr um das Volk …..Geld ..Gier…Macht..… Wenn man sich die Plakate von unseren Politikern ansieht die wir Steuerzahler bezahlen ..…es kommt einen schon vor Herr Nehammer lacht uns von seinen Plakaten aus …. Leistung muss belohnt werden …Hand reichen und und….Es hat keinen WERT, diese Versprechungen ( egal ob auf Plakaten oder in Worte)werden verschoben oder nicht eingehalten ….Das gleiche bei den Grünen Versprechungen ohne Wertigkeit da diese nicht eingehalten werden ( nur Geschwafel) …Werden wir von den Werbeplakaten der Politiker schon ausgelacht???
Ich lese den exxpress hauptsächlich wegen Kolumnen wie dieser und Kolumnisten, die sich im besten Sinne der Selberdenker noch eine Meinung zutrauen. Bei Standard, Falter und Co, weiß man schon vor dem Aufschlagen der Zeitung, was drinn geschrieben steht (stehen darf!) und der Krone-Jeannee ist mir einfach zu plump und zu tief.
Ein hervorragender Kommentar! Wir sollten uns alle bemühen wieder “erwachsen” zu werden.
viel besser wäre es noch, wenn die angesprochenen Politiker nicht primär “erklären” sondern die politische Welt-Ordnung als Organismus begreifen, der lebt und sich verändert, und der – bzw dessen “Organe” – auf Reize und Reizungen reagiert bzw reagieren. Das Gleichgewicht ist hier wie dort fragil und bedarf umsichtigen und weitsichtigen Handelns.
Daher sollten angesprochene Politiker nicht auf “einen Überfall Russlands auf die Ukraine” reagieren, sondern aktiv den Organismus Weltordnung verstehen und – gemäß ihrer Möglichkeiten – versuchen proaktiv zu gestalten, will hier heißen: auch das ist nichts was über Nacht aus dem Nichts kam und unvermeidlich war.
Ein Kreisky hätte das sicher gewusst. Er hätte vermutlich gesehen, dass die annektionistische Einverleibung großer Teile des ehemaligen Warschauer Pakts in die Nato und die aggressive Weiterexpansion in den Vorgarten Russlands eine Gegenreaktion wahrscheinlich macht und er hätte verstanden, dass man gegensteuern muss.
Im Sinne des organischen Gleichnisses hätte er vermutlich auch die Rolle Österreichs richtig gedeutet – etwa als Milz, die zwar klein und im Notfall verzichtbar, aber auch blutbildend und reinigend agieren kann. Am besten im Vorfeld. Anstatt in das allgemeine Aufstachelungsgeheul ex post einzustimmen.
Das Problem stellen aber nicht nur die angesprochenen Politiker dar, sondern vor allem das (Wahl-)Volk selbst, das sich fortwährend mit kruden Untergangsszenarien am Nasenring führen und mit neuen Heilslehren angeblicher Bessermenschen am Gängelband halten lässt und bereitwillig die schlimmsten Vertreter der angesprochenen Politkaste widerspruchslos in höchste Ämter hievt – der letzte Oktober gibt uns da ein dramatisches Beispiel.
Wir lassen uns von Moderationsclowns und “Experten” des Zwangsfunks täglich indoktrinieren und von Parteikasperln, die Weltuntergangsspinnereien nachbeten, ohne irgendwas von ihrem Geschwappel je selbst wirklich verstanden zu haben, offenbar gern an der Nase herumführen. Da darf man sich nicht wundern, wenn die Politiker es sich leicht machen und anstatt realer Inhalte zwischen Zuckerbrot und Peitsche, sprich Tiktok-Stories zur Zerstreuung und diverser haltloser Untergangsszenarien von “Klima” bis “Covid-Weltuntergang” hin- un her-zirkeln. Solange wir sie dabei ermuntern, werden sie gerne so weitermachen. Es gibt doch nichts Schöneres als ein Haufen armer Irrer als Wahlvolk, der sich problemlos einreden lässt, dass unsere größte Sorge wäre, der Himmel könnte uns auf den Kopf fallen, oder? Es wäre eigentlich köstlich zu beobachten, wenn man nicht ohnmächtig mittendrin säße und selbst des Irrsinns dieser Politgeisterfahrer teilhaftig würde.
Bemerkenswerter und beeindruckender Artikel.
Warum blieb das so lange unbemerkt?
Über die Frisuren und Brustmuskel einzelner Präsidenten weiss ich heute mehr (gegen meinen Willen) als über deren Leistungen (weltweit) … UND Ö ist da nicht der l’ombelico del mondo!
Der Punkt ist die mangelnde Eignung der heutigen Politikergeneration, tatsächliche Probleme zu erfassen und einzuschätzen – oder gar zu lösen. In Zeiten des Wohlstandes und Friedens genügen politisch-korrekte Floskeln weil die Aufgabe der Politik vorwiegend auf Verwaltung beschränkt ist. Krisen erfordern jedoch ein Fundament an Erfahrung und Wissen das auch „Experten“ nicht ersetzen können. Die Biografie der hübschen, schlanken und rhetorisch geschulten „PolitikerInnen“ beschränkt sich, im Unterschied zu den im Artikel genannten Persönlichkeiten, auf Gymnasium, Uni und Partei.
Großartiger Kommentar. Die meisten Politiker stellen heute nichts mehr dar, haben selbst keine Vision der Zukunft. So treten sie dann auch auf.
“ALLE Politiker stellen heute nichts mehr dar, …”
Leider geht es nicht mehr, aber ich hätte gerne die Kommentare von Kreisky gehört über die jetzige Regierung, die Grünen und die EU samt Flintenuschi .
guter Beitrag, danke
Auf den Punkt!!
Komme aus dem Staunen oft nicht mehr heraus,wie lächerlich manche Gestalten sich verhalten.Und ich habe ob meines Alters schon viel gesehen, aber derart tief und billig war es noch nie.
ganz richtig, der Großteil der heutigen meist berufslosen/bildungslosen/kompetenzlosen und niveaulosen Politiker (betrifft hauptsächliche links-grüne Zeitgeister*innen) würden es in der Privatwirtschaft nicht einmal zu einem Vorstellungsgespräch bringen, aber in der Politik erklären sie dem Volke die Welt. Und das in einer stotternden und inhaltslosen, aber belehrenden und arroganten Sprache.
Bei den meisten Politikern (m/w/?) ersetzt linksgrüne Ideologie jede Art von Bildung und Fachkompetenz.
Vieles richtig
Aber welche Rolle spielen Journalisten?
Die Unabhängigkeit der Journalisten ist nämlich völlig verloren gegangen und es wird nur berichtet,was den sog Politikern gefällt
Ganz einfach
Das Lippgloss der Frau Minister dürfte einfach keine Rolle spielen
Vorher abgesprochene und bis ins kleinste Detail vorbereitete Interviews werden nicht angenommen usw
Seh schnell würde sich dieses Politkasperltheater aufhören
Bewegte Bilder wirken mehr als Worte, das zeigt uns die Werbung tagtäglich. Leider lassen sich die Menschen lieber berieseln als sich mit der Materie auseinander zu setzen.
Ein Weniger wäre mehr, Qualität vor Quantität ….
Damals waren in der Regierung noch gebildete, Wort gewandte und charismatische Persönlichkeiten. Vor allem Patrioten, die ein Vorankommen Österreichs garantierten. Heute sitzen dort vom Volk ungewählte, eigennützige Kreaturen, die ohne Experten nicht mal Luft zur Versorgung des eigenen Hirns (falls eine Bildung vorhanden) atmen können. Es sind von der EUdssr eingesetzte, korrumpierte Wendehälse, die sich weit weg vom Patriotismus in einer utopischen Wertegemeinschaft des Kapitalismus verlaufen und dabei Land und Bürger verkaufen. Alles pro EU, nichts für Österreich. Dass der ORF nur positiv über die EU zu berichten hat, sagt alles. Alle großen Staatsmänner des vergangenen Jahrhunderts, samt unserer Vorväter, rotieren in ihren Gräbern. Trotz Frieden, ist das die düsterste Zeit für Österreich seit den dreißiger Jahren.