Claudine Gay war die erste schwarze Frau an der Spitze von Amerikas berühmtester Universität. Doch ihre Präsidentschaft wurde gleichzeitig zur kürzesten. Seit Oktober steht sie zunehmend in der Kritik. Der Anlass dafür waren aber weder ihre Hautfarbe, noch ihr Geschlecht.

Zunächst war Gay rabiaten antisemitischen Protesten auf ihrem Campus, bei dem jüdische Studenten bedroht wurden, nicht entschieden entgegen getreten. Später erklärte sie vor dem US-Kongress: Aufrufe zum Völkermord an Juden könnten „je nach Kontext“ den Harvard-Regeln widersprechen. Das sorgte für allgemeine Empörung. Später entschuldigte sich Gay dafür.

Dann wurden immer mehr Plagiate in ihrer wissenschaftlichen Arbeit entdeckt. Sie hatte sogar die Danksagung in ihrer Doktorarbeit von anderswo übernommen. Nicht hilfreich war dabei, dass Gay bisher nur elf wissenschaftliche Artikel veröffentlicht hat und kein einziges Buch (außer einem mit drei Mitherausgebern).

Opfer einer „Kampagne“ von „Demagogen“

Heute sieht sich Claudine Gay primär als Opfer. Bereits in ihrem offiziellen Rücktrittsschreiben erwähnte sie die Vorwürfe gegen sie mit keinem Wort. Dafür klagte sie über „Spannungen und Spaltungen“. Es sei „beängstigend, persönlichen Angriffen und Drohungen ausgesetzt zu sein, die durch rassistische Animositäten angeheizt wurden“. Mittlerweile berichtete sie von unzähligen Morddrohungen und Beschimpfungen mit dem N-Wort per Email.

In einem Kommentar für die New York Times legt Gay nun nach – mit Attacken gegen ihre Kritiker. Sie sei Opfer einer „Kampagne“, mit der „Demagogen“ jene Ideale untergraben wollten, „die Harvard seit seiner Gründung beseelt haben: Exzellenz, Offenheit, Unabhängigkeit und Wahrheit.“

Umfassender Krieg gegen die Säulen der USA

Dann warnt Gay vor einem umfassenden Krieg gegen die Grundwerte der Vereinigten Staaten: „Zum Abschied möchte ich noch einige Worte der Warnung aussprechen. Bei der Kampagne gegen mich ging es um mehr als nur eine Universität und eine Führungskraft. Es handelte sich lediglich um ein einzelnes Scharmützel in einem umfassenderen Krieg, der darauf abzielt, das öffentliche Vertrauen in die Säulen der amerikanischen Gesellschaft zu erschüttern.“

Claudine Gay spricht nach ihrer Ernennung zur nächsten Präsidentin der Harvard University. Für John McWhorter, Professor für Linguistik an der Columbia Universität, warnte in der New York Times: Ihr Verbleib im Amt „würde den Eindruck erwecken, dass an einer fortschrittlichen Institution mit zweierlei Maß gemessen wird, wenn es um eine schwarze Frau geht.“Erin Clark/The Boston Globe via Getty Images

Überdies – so Claudine Gay – sei sie selbst „eine ideale Leinwand für die Projektion aller Befürchtungen über den Generationswechsel und den demografischen Wandel auf dem amerikanischen Campus: eine schwarze Frau, die zur Leiterin einer traditionsreichen Institution gewählt wurde.“

Harvard-Studenten bei Plagiaten von Universität ausgeschlossen

Darüber hinaus verteidigte Claudine Gay ihre wissenschaftliche Arbeit. Die Plagiatsvorwürfe änderten nichts an ihren „Forschungsergebnissen“. Gays Kritiker hatten zuvor darauf hingewiesen, dass Harvard-Studenten bei solchen Plagiaten die Universität umgehend verlassen müssen.

Auch auf den Antisemitismus ging die Ex-Präsidentin ein: „Ja, ich habe Fehler gemacht.“ Sie hätte deutlicher die Hamas als „terroristische Organisation, die den jüdischen Staat auslöschen will“ benennen müssen. In Bezug auf ihre Aussagen vor dem Kongress sieht sie sich erneut in gewisser Hinsicht als Opfer: „Bei einer Kongressanhörung im letzten Monat tappte ich in eine gut gestellte Falle“! Gay räumt aber ein: „Ich habe es versäumt, klar und deutlich zu sagen, dass Aufrufe zum Völkermord am jüdischen Volk verabscheuungswürdig und inakzeptabel sind“.

Bereits vor der Kongress-Anhörung hatten 30 Studentengruppen in Harvard in einem gemeinsamen Brief erklärt: Für die Massaker am 7. Oktober sei nicht die Hamas verantwortlich gewesen, sondern Israel selbst. Gay erklärte damals: Es handle sich um eine kontroverse, aber dennoch akzeptable Form der Meinungsäußerung. Das wurde als Freibrief für Israel-Hasser an Harvard angesehen, die mit Anti-Israel-Demos den Uni-Betrieb lahmlegten.