Europa befindet sich im Niedergang, sein Wohlstand schwindet – nicht erst seit heute, aber mit zunehmendem Tempo. In den USA wächst und gedeiht die Wirtschaft zur gleichen Zeit. Die Amerikaner werden wohlhabender. Zu diesem Ergebnis gelangt eine knallharte Analyse im Wall Street Journal.

Unerbittlich sind die Konsequenzen der Gegenüberstellung in der US-Tageszeitung. Erstens: Die EU wird von den Vereinigten Staaten schon seit Jahren abgehängt. Zweitens: Die Zeiten den wachsenden Wohlstands in Österreich und Europa sind zu Ende gegangen. Drittens: Für die Zukunft sieht es noch viel düsterer aus.

Leere bleibende Tische, Restaurants, die zusperren müssen: Darauf steuert Europa zurzeit zu.Getty

Konsumausgaben in Europa befinden sich im freien Fall

Während die US-Wirtschaft nur vor Kraft und Energie strotzt, „werden die Europäer ärmer“, schreibt das Wall Street Journal. „Die Konsumausgaben in Europa befinden sich im freien Fall. Die Franzosen trinken weniger Wein. Die Spanier geizen mit Olivenöl. Die Finnen saunen nur noch, wenn es windig ist. In Italien gibt es Krisensitzungen wegen der Pasta-Preise und in Deutschland ist der Absatz von Bio-Produkten eingebrochen.“

Harte Zeiten kommen auf Frankreichs Weinbauern zu, wenn ihr Wein nicht mehr getrunken wird.Getty

Nicht alle Gründe für den Niedergang sind neu. Um die Jahrhundertwende setzte der zunehmende Wohlstandsverfall in Europa ein, wie das Wirtschaftsblatt aufzeigt. Allerdings hat zuletzt die Kombination aus Corona-Krise und Ukraine-Krieg Europas Situation nochmals dramatisch verschärft.

Alterung und immer mehr Freizeit

Zum einen altert Europas Bevölkerung, bemerkt das Wall Street Journal. Auch in Österreich gehen zurzeit die Baby-Boomer in Pension, während deutlich weniger junge Menschen nachrücken. Deshalb werden in Österreich innerhalb von zehn Jahren etwa 540.000 Arbeitskräfte (!) verloren gehen, wie die Industriellenvereinigung berechnet hat. Das entspricht in etwa der Größe des Bundeslandes Salzburg.

Gleichzeitig steigt das Verlangen nach mehr Freizeit, wie die US-Zeitung beobachtet. Immer mehr Menschen gehen Teilzeitarbeiten nach. Darauf weist im Falle Österreichs schon seit langem die Wiener Denkfabrik „Agenda Austria“ hin. Schuld sind auch falsche Anreize, wie hohen Steuern auf Arbeit und hohe Sozialausgaben, die Leistung bestrafen und Nicht- bzw. Weniger-Arbeiten belohnen.

Vier-Tage-Woche, schwächelndes China, steigende Energiepreise

Die immer lauter werdende Forderung nach einer Vier-Tage-Woche von Gewerkschaften – oder SPÖ-Vorsitzenden – führt das Wirtschaftsblatt als weiteren Grund an. Hinzu kommt noch Chinas stotternder Wirtschaftsmotor. Auch davor haben Wirtschaftsexperten schon vor Jahren gewarnt: Europas Exporte machen rund 50 Prozent des Bruttosozialproduktes der EU aus. Ein großer Teil davon geht nach China. Vom Aufschwung in China profitierten somit viele Jahre auch die Europäer, ganz besonders Deutschland. Doch es war absehbar: Ewig wird sich Europa nicht mit seinen Exporten retten können. Auch das Wirtschaftswachstum in der Volksrepublik China geht nicht für immer steil bergauf. Für die USA ist das nicht so tragisch: Nur zehn Prozent der US-Wirtschaft hängen an Exporten.

Fatal war zuletzt die Corona-Politik: Sie hat zu Engpässen in der Produktion und bei Lieferketten geführt. Massiv sind aber jetzt die Folgen der Energiekrise im Zuge des Ukraine-Krieges. Explodierende Energiepreise in Deutschland gefährden speziell Metall- und Chemie-Industrie, die besonders viel Energie verbrauchen. Hinzu kommen noch die steigenden Lebensmittelpreise.

Europas Bruttosozialprodukt stagniert, in den USA stieg es seit 2008 um 82 %

Weitere Zahlen verdeutlichen, wie sehr sich der Abstand zwischen der US-Wirtschaft und der europäischen Wirtschaft seit der Finanzkrise vergrößert hat. Laut Weltbank gaben Europäer und Amerikaner im Jahr 2008 jeweils rund elf Billionen Euro aus. Heute sind es in den USA rund 17,8 Billionen (Tendenz steigend), während es in Europa noch immer nur rund elf Billionen Euro sind – Tendenz fallend.

Wohlstandswachstum in den USA vs. Wohlstandswachstum in der EU: So eindeutig war der Kontrast noch nie.Getty

Das Bruttosozialprodukt war im Jahr 2008 beinahe identisch, wie Zahlen des Internationalen Währungsfonds (IWF) zeigen: In Europa lag es bei 12,6 Billionen Euro, in den USA bei 13,1 Billionen Euro. Doch bei uns stagnierte das BIP seither und stieg um magere sechs Prozent auf 13,3 Billionen Euro, in den USA wuchs es auf 23,1 Billionen Euro . Das ist ein Plus 82 Prozent. Was für ein Kontrast!

Wirtschaftsmanager warnen vor Europas Deindustrialisierung

Scharfe Kritik an Europas Wirtschaftspolitik übt der österreichische Unternehmer und Automobilzulieferer Stephan Zöchling (Remus). Gegenüber der „Bild“-Zeitung spricht er offen von der Deindustrialisierung Europas: „Die Regierung in Berlin macht zusammen mit Paris und der EU in Brüssel aus Europa ein Industrie-Freiluftmuseum. Die Industrie zieht sich zunehmend zurück aus Europa und geht nach Nordamerika, China, Asien oder Indien.“ Die Politik konzentriere sich auf „Orchideenthemen und nicht auf das, wovon wir leben“.

Der frühere Siemens-Boss Heinrich von Pierer (82) warnt gegenüber der „Bild“ vor einem Abstieg des Wirtschaftsstandorts Deutschland: „Der Zug bewegt sich leider weiter in die falsche Richtung. Das Umsteuern erfordert viel Kraft und konkrete Maßnahmen, die nicht alle populär sein werden.“ Klar sei: Subventionen werden es nicht richten. Europa kann sich nicht in den Wohlstand hineinsubventionieren.