Zu Jahresbeginn stellten sich alle Parteichefs einem ZiB2-Interview. De facto waren es Kanzlerduelle, denn eine Partei – die Freiheitlichen – will nach der kommenden Wahl den Kanzler stellen, wozu sie laut den Umfragen auch die besten Chancen hat. Auffallend war vor allem eines, meint Politikwissenschaftler Ralph Schöllhammer: ORF-Moderator Martin Thür konnte Herbert Kickl nie am falschen Fuß erwischen. Der FPÖ-Bundesparteiobmann war auf alle Fragen gewappnet. Auf X (Twitter) hagelte es nachher Kritik an Thür, weil er Kickl zu einem so erfolgreichen Auftritt verholfen habe, doch diese Vorwürfe seien „ungerecht“, sagt Schöllhammer: „Kickl ist eben perfekt vorbereitet zum Interview gekommen.“

Gagen-Debatte wird zum aufgelegten Elfmeter

Eines zeichne sich ab: „Ideen auf der linken Reichshälfte, wie man einen Rechtspolitiker vorführt, sind mittlerweile enden wollend.“ Die Gegner der FPÖ müssten sich wohl „warm anziehen“, kommentiert Schöllhammer.

Einen aufgelegten Elfmeter servierte Martin Thür dem FPÖ-Chef aber doch – wohl unabsichtlich: Als der ZiB-Moderator das Gehalt von Niederösterreichs Landeshauptmann-Stellvertreter Udo Landbauer (FPÖ) ansprach, konterte Herbert Kickl sofort mit den hohen Gagen am Küniglberg. Damit hatte er wohl nicht gerechnet, obwohl es eigentlich naheliegend war: „In gewissen Bereichen, ist man so sehr in einer Blase beheimatet, dass einem das gar nicht bewusst ist“, sagt dazu Ralph Schöllhammer.

Kickl punktet mit Verweis auf Hugo Portisch und Jörg Haider

Gut vorbereitet war Kickl auch beim Thema Russland. Hier verwies er auf das im Jahr 2020 von Hugo Portisch veröffentlichte Buch „Russland und wir“, in dem der legendäre und kürzlich verstorbene Journalist erklärte: Man werde mit Russland in den kommenden Jahren und Jahrzehnten kooperieren müssen. Ein Fakten-Check von eXXpress-Chefredatkeur Richard Schmitt zeigte: Das steht dort tatsächlich, der Hinweis war korrekt.

Pointiert war auch Kickls Hinweis auf die FPÖ-Politik der 1990er Jahre unter Jörg Haider. Schon damals hatten die Freiheitlichen gewarnt, dass die Migration falsch läuft. „Hätte man auf uns damals gehört, dann hätten wir jetzt diese Probleme nicht“: So lautet die Botschaft, die zurzeit ihre Wirkung nicht verfehlen dürfte.

Siegessicheres Auftreten der FPÖ zurzeit

Auffallend bei Kickl war die aufrechte Körperhaltung, meinte Schmitt. „Die Freiheitlichen treten mit einer gewissen Siegermentalität auf“, findet Schöllhammer. „Das könnte die Partei noch attraktiver machen. Schließlich möchte man auf der Seite der Sieger stehen.“

Bundeskanzler Karl Nehammer (ÖVP) erinnerte bei seinem Auftritt eher an jemandem, der sich in einem Rückzugsgefecht befindet, bemerkte der Politikwissenschaftler. Überdies belasten nach wie vor zahlreiche Probleme die Österreicher, von denen einige auch noch nicht aufgearbeitet sind, etwa Corona, Teuerung, Migration, Integration. „Die ÖVP kann nicht so tun, als wäre sie jahrelang nicht in der Regierung gewesen. Man kann nicht gleichzeitig Kanzler sein und Opposition“, meint Ralph Schöllhammer.

Besonders verheerend sei es gewesen, die CO2-Bepreisung von Energieministerin Leonore Gewessler trotz Inflationshochs zuzulassen, meint Richard Schmitt. Inmitten einer Rekordinflation mache eine solche CO2-Bepreisung Sprit nochmals teurer  – und in weiterer Folge auch Lebensmittel, Zulieferer, Speditionen.