Angesichts des Krieges in der Ukraine und der wachsenden Spannungen mit Russland fordert NEOS-Abgeordneter Helmut Brandstätter (68) eine eigene EU-Armee. Mit ihr könnte sich die Europäische Union gegen Wladimir Putin, und damit gegen die weltgrößte Atommacht, wehren. Sollten sich alle EU-Staaten daran beteiligen müssen, wäre es um Österreichs Neutralität ein für alle Mal geschehen.

„Europa immer mehr durch Putin bedroht“

In einem Video hält der NEOS-Politiker fest: „Die Themen Verteidigung und Sicherheit werden uns leider beschäftigen. Und wir, die NEOS, haben Ideen dafür.“ Der Nationalratsabgeordnete verweist auf wachsende Gefahren für den europäischen Kontinent: „Wie sehr ist unsere Sicherheit in Europa bedroht? Wenn man Putin zuhört, dann immer mehr. Er droht immer mehr, dass er nicht nur die Ukraine einnehmen will, sondern auch weiter Europa attackieren will.“

Brandstätter sieht daher die EU am Zug und verweist auf ein Profil-Interview des früheren heimischen Generalstabschefs und Vorsitzenden des EU-Militärausschusses, Robert Brieger. Dieser schloss langfristig eine EU-Armee nicht aus. Möglicherweise müsse Europa ohnehin nach den US-Wahlen mehr verteidigungspolitische Verantwortung übernehmen, argumentierte er.

Generalstabschef Robert Brieger (Bild) ist nun Vorsitzender des EU-Militärausschusses.APA/HELMUT FOHRINGER

„Hätten schon vor fünf Jahren damit beginnen sollen“

Helmut Brandstätter zeigt sich davon sehr positiv angetan: „Das hat die Claudia Gamon im letzten EU-Wahlkampf vor fünf Jahren gesagt“, berichtet er. Tatsächlich ist die EU-Parlamentarierin und NEOS-Landessprecherin in Vorarlberg bekannt für ihr Drängen auf eine EU-Armee. Brandstätter ist überzeugt. „Wenn man damals die Idee bereits aufgegriffen hätte, wären wir heute schon ein Stück weiter. Also müssen wir das jetzt endlich tun.“

Die EU-Abgeordnete Claudia Gamon macht sich schon seit Jahren für eine EU-Armee stark.APA/DIETMAR STIPLOVSEK

Man müsse ja nicht gleich mit einem Flugzeugträger beginnen, der vom bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) vorgeschlagen wurde. „Fangen wir einmal klein an, fangen wir mit gemeinsamen Einheiten an, mit dem gemeinsamen Beschaffen von Waffen an, damit wir uns gegen mögliche Angriffe wehren können.“

Auf X (Twitter) hält der NEOS-Politiker fest: „In Europa müssen wir uns gemeinsam verteidigen können, bevor Putin weitere Länder angreift.“

Viele Fragen bleiben offen

Kritiker einer EU-Armee weisen auf die schon jetzt in Wahrheit höchst unterschiedlichen nationalen Interessen innerhalb der EU hin. Im Ukraine-Krieg versucht man zurzeit, die verschiedenen Interessen der EU-Staaten unter den Teppich zu kehren, ohne sie zu lösen.

Zudem stellt die demokratische Kontrolle einer solchen Armee ein Problem dar. Es ist kaum denkbar, dass vor allem die Bürger kleinerer Staaten wie Österreich künftig Einfluss auf eine solche EU-Verteidigungspolitik hätten, obwohl sie ihre Sicherheit massiv betreffen würde. Historisch gesehen sind Demokratien mit ihren eigenen Armeen der beste Garant für Frieden, nicht eine übernationale Armee, auf die das Wahlvolk de facto keinen Einfluss hat.

Was beim Ukraine-Krieg speziell im deutschsprachigen Raum gerne ausgeklammert wird, ist überdies die nukleare Bedrohung, derer sich Staaten ohne Atombombe wie Deutschland und Österreich anscheinend weniger bewusst sind. Russland verfügte im Jahr 2023 über rund 5889 Atomsprengköpfe und besitzt damit das größte nukleare Arsenal der Welt, noch vor den USA, die zurzeit 5244 nukleare Sprengköpfe haben. Diese Tatsache erhöht für Europa die Gefahren im Falle eines Krieges mit Russland massiv.

Frankreich und das Vereinigte Königreich haben gemeinsam 515 nukleare Sprengköpfe. Das reicht zur nuklearen Abschreckung des eigenen Territoriums in etwa aus. Dass Paris die Entscheidung über den Einsatz seiner Atomwaffen einem EU-General überlässt, ist kaum denkbar.