Zum „Trauerspiel der Justiz“ sei der elendslange Prozess gegen Ex-Finanzminister Karl-Heinz Grasser geworden, klagt Andreas Unterberger auf seinem Blog das-tagebuch.at. Rechtlich sei die Sache eigentlich klar: Der Oberste Gerichtshof (OGH) hätte das Urteil der ersten Instanz aufheben müssen – tat es aber nicht.

OGH wollte Justiz-Skandal vermeiden

Laut Unterberger hätte der OGH einräumen müssen, dass die erstinstanzliche Richterin Marion Hohenecker nie über Grasser urteilen hätte dürfen. Doch damit hätte er „den größten Justizskandal der letzten 40 Jahre“ ausgelöst – und genau das wollte man offenbar um jeden Preis vermeiden.

„Das war ihre innere Hauptmotivation“, urteilt der frühere „Presse“-Chefredakteur. Der Preis dafür: massiver Vertrauensverlust in die Justiz.

Richterin Marion Hohenecker (Bild) hätte das Verfahren gegen Ex-Minister Grasser niemals führen dürfen, urteilt Unterberger.APA/HERBERT NEUBAUER / APA-POOL

Schuldspruch trotz fehlender Beweise

Schon im ersten Verfahren sei Grasser ohne Beweise verurteilt worden, kritisiert Unterberger. Die Anklage habe nie belegen können, woher Grasser die Angebotshöhe der knapp überbotenen Partei im BUWOG-Verfahren gekannt haben soll. Der Ex-Minister beteuerte vor dem OGH erneut: „Ich habe keinen Geheimnisverrat begangen.“

Andreas Unterberger (Bild) macht sich ernsthafte Sorgen um Ansehen und zustand der Justiz.OBS/Thomas Preiss

Befangenheit? Ehe-Tweets sprechen Bände

Hohenecker ist laut Unterberger aufgrund ihres Ehemanns offenbar befangen gewesen: Der Richter Manfred Hohenecker hatte 2015, vor Prozessbeginn, vier hasserfüllte Tweets gegen Grasser und die ÖVP abgesetzt. Wer will schon Angeklagter in einem Prozess sein, wenn man vom Ehepartner der Richterin gehasst wird. Die Optik ist verheerend – und genau darum geht es im Rechtsstaat: um den Anschein von Befangenheit.

Unterberger schlussfolgert: Jeder unvoreingenommene Mensch müsse erkennen, dass Marion Hohenecker bei der Beweiswürdigung nicht mehr neutral sein konnte. „Sie wollte garantiert keinen ehelichen Konflikt riskieren.“ Das Argument, sie sei mit den Aussagen ihres Mannes nicht einverstanden gewesen, lässt der prominente Journalist nicht gelten. Hätte sie das Ansehen der Justiz schützen wollen, hätte sie den Fall abgeben müssen – vermutlich auf die Gefahr hin, ihre Ehe zu belasten.

Karl-Heinz Grasser spricht nach dem OGH-Urteil von einem Angriff auf seine Rechte und sein Leben.APA/HANS KLAUS TECHT

OGH mitschuld an überlanger Verfahrensdauer

Bereits früher habe Hohenecker laut Unterberger einen ehemaligen FPÖ-Politiker auffallend unfair behandelt. Beim Grasser-Verfahren habe der OGH nun möglichst rasch „den Deckel draufmachen“ wollen. Auch wegen der überlangen Verfahrensdauer von 16 Jahren wegen einer mutmaßlich vor 21 Jahren begangenen Tat, sei der Skandal bei einer Aufhebung des Urteils besonders groß geworden.

Die Verantwortung für die lange Zeitspanne liege unter anderem auch beim OGH: „Sie haben fünf Jahre seit der ersten Instanz vergehen lassen.“ Für Unterberger ist das „Folter“ – fast so schlimm wie eine Haftstrafe. Der Begriff „Folter“ sei deshalb gerechtfertigt.

Blick auf die Justitia am OGH in Wien: Wollten die Richter eine Kollegin schonen?APA/GEORG HOCHMUTH

Standesdünkel statt Rechtsstaat

Besonders besorgniserregend: Der Fall habe gezeigt, dass in der Justiz Standessolidarität oft wichtiger sei als Objektivität. „Rechtsstaat existiert nur, wenn Richter auch bereit sind, sich gegenseitig weh zu tun“, warnt Unterberger. Genau das sei hier nicht geschehen.

Reduktion des Strafmaßes wirft neue Fragen auf

Verwirrend sei zudem die drastische Reduktion des Strafmaßes von acht auf vier Jahre. Für Unterberger ein Hinweis auf ein „schlechtes Justizgewissen“. Beobachter müssten sich nun fragen: „Wird bei Strafgerichten gewürfelt? Oder beweist nicht gerade die absurde Höhe der Erststrafe, dass die Richterin voreingenommen war?“

Es drohen Zustände wie in der Türkei und in Russland

Unterberger warnt zum Schluss eindringlich: Wird das Vertrauen in den Rechtsstaat verspielt, sei der Weg frei für autoritäre Tendenzen. „Dann haben die Feinde der Demokratie freie Bahn“ – wie in der Türkei oder in Russland.

Hier können Sie den exxpress unterstützen

Ihr Beitrag hilft, unsere Berichterstattung noch weiter auszubauen und diese weiterhin kostenlos und top-aktuell zu Verfügung zu stellen.

Jetzt unterstützen!

Kommentare

  • Angelika Kasner sagt:

    Politische Zweilklassenjustiz.

    Innerhalb einer Woche hat man Grassers Haftstrafe von 8 auf ein Jahr reduziert..

    Offen gesagt glaube ich nicht, dass Österreich Rechtsstaat ist.

    Was bleiben wird ist heiße Luft und Einer der wieder einmal bewiesen hat, dass man sich alles erlauben kann, wenn man die richtigen Politiker kennt.

    2
    1
  • Dealer sagt:

    Beim Grasser haben alle Mitleid inklusive der Medien die anderen aber viel viel schlimmeren Fällen interssieren die Medien weiter nicht.
    Irgendwann aber bin ich mir sicher wird das alles einmal auf den Tisch kommmen müssen?

  • Roland Müller sagt:

    Solche Machenschaften wie bei der Wiener Justiz sind in Russland seit dem Ableben der Sowjets nicht mehr bekannt.

    5
    3
  • Franz Deutsch sagt:

    Beneidenswert ! Unsere Ex-Minister ,aber z,Z . noch im Amt ,degradieren Deutschland weltweit zur Lachnummer und fügen uns Milliardenschäden zu .
    Ein Her Grasser hätte in Deutschland das Zeug zum Kanzler .

    3
    3
  • Ger7 sagt:

    Wenn es sich hier um einen Justitzskandal handelt, besteht der meiner Meinung nach darin, dass sie Strafe halbiert wurde.

    6
    6
  • Maria Englstorfer sagt:

    Ich habe bei dem Ganzen (als Beobachterin) nur folgende einfache Frage: Wenn alle sich gar so unschuldig fühlen, warum hat man dann die 10 Millionen so lange in der ganzen Welt herum überwiesen wenn nicht aus Verschleierungsgründen?

    5
    1
  • Poigner sagt:

    Völlig verrückt was der schreibt, eine Befangenheit kann nicht durch einen Dritten herbeigeführt werden, und die Lange Verfahrensdauer beruht auf der besonderen Perfidität der Tatausführung und deren nachfolgenden Verschleierung. Ich danke allen Ermittlern die sich die jahrelange Mühe machten, dass das doch noch aufgeklärt werden konnte.

    6
    10
  • gössendorfer sagt:

    sehe ich auch so, weil die str afe halbiert wurde !

    8
    3
  • Daniel Düsenschieb sagt:

    “Nach Urteil: Auf Grasser kommen Millionenkosten zu”
    titelt die auflagenstärkste Zeitung Österreichs.

  • Gesiebte Luft sagt:

    Ich kann die Tr:änen des Mitleids kaum unterdrücken!
    Die besten Advo:katen und jetzt das!
    Und noch etwas, wenn der eine Herr, der ebenfalls verur:teilt wurde, nicht “gezwitschert hätte wie ein Lercherl”, wäre es vermutlich zu keiner Veru:rteilung gekommen.

    12
    4
  • Alle anzeigen