Von der Leyens Demokratie-Schild: Wählen wir nur noch nach Brüsseler Regeln?
Brüssel arbeitet unter Ursula von der Leyen an einem „Schutzschild für die Demokratie“. Offiziell soll es Fake News im Netz bekämpfen, Milliarden fließen in Faktenchecker-Netzwerke. Kritiker warnen: Im Extremfall könnte das System Wahlkampf-Debatten lenken – und beeinflussen, welche Parteien als „vertrauenswürdig“ gelten.
Mit „Democracy Shield“ will Von der Leyen (Bild) Europa offiziell vor Desinformation abschirmen – oder eher kritische Stimmen zum Schweigen bringen?APA/AFP/Brendan SMIALOWSKI
Europas Eliten und Institutionen stehen unter massivem Druck: Das Misstrauen der Bürger wächst, wovon Desinformationskampagnen profitieren können. In dieser Lage präsentiert EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen ihr neues Prestigeprojekt: den European Democracy Shield. Ein „Schutzschild für die Demokratie“, wie Brüssel es nennt.
Großprojekt aus Brüssel: Vormundschaft statt Schutz
Kritiker warnen jedoch: Schlimmstenfalls werde diese neue und teure Kreation eher zu einem machtvollen Instrument gegen die Demokratie. Die EU könnte künftig selbst bestimmen, was gesagt werden darf – auch bei Wahlkämpfen – und welche Parteien als „zulässig“ gelten.
Der Democracy Shield setzt laut Kommission auf drei große Säulen: Schutz des Informationsraums, Absicherung freier Wahlen und Stärkung von Medien & Bürgerbildung. Auf dem Papier klingt das nach Stabilität für eine digitale Welt. Doch die konkrete Ausgestaltung alarmiert Beobachter.
Die Gefahr wird aufgebläht, „Desinformation“ bleibt undefiniert
Die internationale Denkfabrik „The Future of Free Speech“ – ein unabhängiges Forschungsinstitut an der Vanderbilt University (USA) – warnt: Der neue „Democracy Shield“ der EU bedroht genau das, was er angeblich schützen soll – die Meinungsfreiheit. Die Gefahr von Desinformation werde politisch massiv überhöht – selbst EU-Stellen fanden bei der letzten Europawahl keine Hinweise auf koordinierte Manipulation. Trotzdem plane Brüssel laut Ursula von der Leyen, „bösartige Informationen schnell zu entfernen und zu blockieren“, was den Kern der freien Rede bedrohe.
Der Begriff „Desinformation“ sei juristisch überdies unbrauchbar und politisch hochriskant: Niemand könne neutral definieren, was darunter fällt – und genau darin liege das Missbrauchspotenzial.
Schon jetzt sollen Plattformen legale Inhalte löschen
Besonders brisant: Die EU setze Plattformen längst unter Druck, auch legales Material als „Desinformation“ zu löschen. Aus Angst vor Strafen würden Inhalte vorsorglich entfernt, gedrosselt oder markiert – eine stille Zensur durch die Hintertür. Noch problematischer: Brüssel überträgt Entscheidungen über Wahrheit an NGOs und Faktenchecker, die selbst nicht neutral sind. Viele sind staatlich finanziert, politisch verzerrt oder haben bereits nachweislich falsche Bewertungen abgegeben. Die Denkfabrik fasst zusammen: „Fact-Checking ist keine Wunderwaffe“ – und: „Top-down-Wahrheitserzwingung funktioniert im Internet nicht.“
Positivbeispiel Taiwan: Transparenz und Vertrauen statt Verbote und Druck
Statt demokratische Resilienz zu stärken, entstehe so eine Wahrheitsinfrastruktur, die offenen Diskurs zunehmend durch Filter, Verbote und regulatorischen Druck ersetzt – und damit autoritären Staaten ähnlicher werde als westlichen Demokratien. Plattformregeln, Inhalte-Filter und Prüfmechanismen legen fest, welche Positionen politisch „erwünscht“ sind.
Als Gegenmodell verweist die Denkfabrik auf Taiwan: Dort bekämpft man Desinformation nicht durch Löschungen, sondern durch Transparenz, offene Daten und Vertrauen in mündige Bürger – genau jenes Vertrauen, das in Brüssel immer stärker verloren geht.
Rosenfelder: „Brüssel baut eine gepanzerte Diskursfestung“
In ein ähnliches Horn bläst Andreas Rosenfelder, Chefkommentator der Welt: Er beschreibt das Vorhaben der EU als Versuch, Brüssel zu einer zentralen Wahrheitsbehörde auszubauen. Die EU sei auf dem Weg, „eine gepanzerte Diskursfestung mit Meinungsmonopol“ zu errichten. Das geplante „Zentrum für demokratische Resilienz“ sieht er als politisch getarnten Schiedsrichter, der künftig definiert, welche Positionen legitime Kritik sind – und welche als „Desinformation“ gelten.
Wer entscheidet, was „Desinformation“ ist?
Eine zentrale Frage zieht sich durch fast alle Kritiken: Wer bestimmt die Grenzen zwischen Kritik, Meinung und angeblicher Manipulation? Ein EU-Abgeordneter fragte die Kommission bereits offiziell: „Welche Schutzmaßnahmen verhindern, dass der Democracy Shield nicht die Meinungsvielfalt einschränkt – insbesondere gegenüber patriotischen Parteien?“
Rosenfelder warnt – ähnlich wie die Denkfabrik „The Future of Free Speech“: Die EU will NGOs, Aktivisten und ein Netzwerk von Factcheckern einsetzen. Unter ihnen auch Akteure wie das umstrittene European Fact-Checking Standards Network, zu dem Correctiv gehört – jene Plattform, die mit einer fragwürdigen AfD-Story das politische Klima in Deutschland eskalierte.
Brüssel lässt sich das alles etwas kosten. Neun Milliarden Euro – des Steuerzahlers, wohlgemerkt – sollen für diese „Zivilgesellschaft“ bereitgestellt werden. Rosenfelder spricht von einer „Schattenarmee von Informationswächtern“ – ohne Wählerauftrag, ohne demokratische Kontrolle, was besonders problematisch ist.
Wahlkontrolle durch die Hintertür?
Ganz besonders heikel: Die EU plant ein „Europäisches Kooperationsnetzwerk für Wahlen“. Offiziell soll es fremde Einflussnahme bekämpfen. Kritiker fürchten jedoch: Dieses Netzwerk könnte im Extremfall selbst Einfluss auf nationale Wahlen nehmen.
Rosenfelder verweist auf konkrete Beispiele: die annullierte Präsidentschaftswahl in Rumänien, der Ausschluss eines AfD-Kandidaten in Ludwigshafen. Mit dem neuen „Werkzeugkasten“ gegen „Desinformation“ und „Hassrede“ könne Brüssel künftig definieren, welche Parteien antreten dürfen, welche Themen noch sagbar sind und welche Wahlkämpfe als „sauber“ gelten. Das beträfe ausdrücklich auch Parteien, die der EU nicht gefallen – oder eines Tages einer anderen Machtmehrheit in Europa.
Warnsignale aus den USA
Auch international sorgt der Democracy Shield für Unbehagen. „Washington könnte den Plan als direkten Angriff auf die freie Rede betrachten“, berichtet Euractiv. Die Plattform ReclaimTheNet spricht von einem „Maulkorb für freie Meinungsäußerung“.
Wenn die EU ihren Regeln globale Plattformen unterwerfen will, könne dies zu einer Lenkung der öffentlichen Meinung führen – und nicht nur zu mehr Sicherheit.
Ein autoritäres Politikmuster im Namen der Demokratie
Rosenfelder kritisiert: Die EU übernehme zunehmend Methoden, die sie offiziell bekämpfen will. Ihre Diagnose über autoritäre Regime – sie spalten, diskreditieren Medien, unterwandern Wahlen – sei korrekt. Doch seine Warnung ist deutlich: Wer glaubt, man könne Demokratie nur schützen, indem man die Debatte kontrolliert, übernimmt selbst autoritäre Politikmuster. Eine freie Gesellschaft brauche kein Wahrheitsministerium, sondern Vertrauen in die eigene Resilienz.
Der Digital Services Act – die Blaupause
Für Rosenfelder hat diese Entwicklung mit dem Digital Services Act (DSA) begonnen. Die Flut neuer Meldestellen und NGO-gestützter „Hassrede“-Beschwerden habe bereits eine Atmosphäre der Einschüchterung geschaffen.
Als Beispiel nennt er die Hausdurchsuchung bei Kulturwissenschaftler Norbert Bolz, ausgelöst durch einen sarkastischen X-Post. Für ihn ein Vorgeschmack darauf, was mit einer verstärkten EU-Überwachung drohen könnte.
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