Die UN-Generalversammlung wirft Israel in einer Resolution eine „anhaltende Verletzung des Rechts des palästinensischen Volkes auf Selbstbestimmung“ vor. Deshalb wandte sie sich in diesem Jahr an den Internationalen Gerichtshof, damit dieser ein Gutachten über die „rechtlichen Konsequenzen“ abgibt. Bis Februar wird mit einer Entscheidung gerechnet.

Der britische Rechtsanwalt und Experte für Völkerrecht Jonathan Turner (Jahrgang 1958) kritisiert diese Vorgangsweise scharf. Von den Vorwürfen gegen Israel hält er nichts, gerade mit Blick auf die internationalen Verträge und das Völkerrecht wie er im eXXpress-Interview unterstreicht.

Die Vereinten Nationen verabschiedeten in den vergangenen Jahren mehr Resolutionen gegen Israel als gegen den gesamten Rest der Welt.APA/AFP/Leonardo Munoz

„Das Versagen liegt auf der palästinensischen Seite“

30 Jahre nach den Osloer Verträgen warten die Palästinenser noch immer vergeblich auf einen eigenen Staat. Ist das nicht ein massiver Verstoß gegen ihr Selbstbestimmungsrecht?

Es gibt keine „andauernde Verletzung des Selbstbestimmungsrechts des palästinensischen Volkes“ seitens Israels. Erstens haben die Palästinenser zwar keinen eigenen Staat, aber sie verfügen über ein erhebliches Maß an Selbstverwaltung. Die Palästinensische Autonomiebehörde verwaltet fast 90 Prozent der palästinensischen Bevölkerung im Westjordanland. Der Gazastreifen wurde ab 2007 – zumindest bis vor kurzem – vollständig von einer palästinensischen Terrororganisation, der Hamas, kontrolliert.

Außerdem werden die Palästinenser von Israel nicht daran gehindert, ihre eigenen Vertreter zu wählen, weder im Gazastreifen noch unter der Palästinensischen Behörde. Die Tatsache, dass in den palästinensischen Gebieten seit 2006 keine Wahlen mehr stattgefunden haben, ist ein innerpalästinensisches Problem. Das Versagen liegt hier auf der palästinensischen Seite.

Der Internationale Gerichtshof ist das Hauptrechtsprechungsorgan der Vereinten Nationen und hat seinen Sitz in Den Haag.Abdullah Asiran/Anadolu Agency/Getty Images

In den Osloer Verträgen wurde ein Weg zur palästinensischen Selbstbestimmung vereinbart. Ein zentraler Bestandteil war, dass es eine gewählte palästinensische Behörde geben sollte, die die weiteren notwendigen Verhandlungen mit Israel führen sollte. Selbstbestimmung bedeutet, den Willen des Volkes anzuerkennen, und das kann man nicht, wenn man nicht weiß, was es will.

In Wirklichkeit müssen zwei Vorbedingungen erfüllt sein, um die volle palästinensische Selbstbestimmung zu erreichen. Erstens muss man herausfinden, was das palästinensische Volk tatsächlich will, und seine Ansichten von Menschen vertreten lassen, die es wirklich repräsentieren. Zweitens müssen – im Einklang mit den Osloer Verträgen – Vereinbarungen zu einer Reihe kritischer Fragen getroffen und umgesetzt werden, insbesondere zu Jerusalem, den Flüchtlingen, Siedlungen, Sicherheitsvorkehrungen und den Grenzen. Die Lösungen müssen das Selbstbestimmungsrecht beider Völker sowie andere Rechte, insbesondere das Recht auf Sicherheit und Leben, miteinander in Einklang bringen. Diese schwierigen Fragen konnten noch nicht gelöst werden, vor allem weil es keine palästinensisch-arabische Führung gibt, die die palästinensischen Araber repräsentiert und dem Frieden verpflichtet ist.

89 Prozent der Menschen im Westjordanland stehen unter Kontrolle der Palästinensischen Autonomiebehörde

Sie sagten, dass die Palästinensische Autonomiebehörde 90 Prozent selbst verwaltet. Wie kommen Sie auf diesen Prozentsatz? Seit den Osloer Verträgen stehen 60 Prozent des Westjordanlandes unter vollständiger israelischer Kontrolle.

Gemäß den Osloer Vereinbarungen hat die Palästinensische Autonomiebehörde derzeit die volle zivile und sicherheitspolitische Kontrolle über 18 Prozent des Westjordanlandes (Gebiet A). In weiteren 22 Prozent des Gebiets hat sie die zivile Kontrolle und die Verantwortung für die öffentliche Ordnung, doch Israel trägt die Hauptverantwortung für die Sicherheit (Gebiet B). Das restliche Westjordanland bleibt in Bezug auf territoriale Angelegenheiten unter israelischer Kontrolle, aber wichtige Aufgaben betreffend die Palästinenser in diesem Gebiet stehen ebenfalls unter palästinensischer Verwaltung.

Die Gesamtbevölkerung des Westjordanlands (ohne Ostjerusalem) beträgt zirka 2,6 Millionen Menschen. Etwa 11 Prozent davon – also 290.000 – leben im Gebiet C, die restlichen 89 % in den Gebieten A und B, die unter vollständiger palästinensischer Autonomie stehen.

Jonathan Turner arbeitet seit 1982 als Anwalt in England und Wales. 2011 gründete er mit anderen Anwälten die Vereinigung UK Lawyers for Israel (UKLFI).

Die UNO widerspricht internationalem Recht: Israel besetzt nicht den Gazastreifen

Die Vereinten Nationen betrachten Israel nicht nur als Besatzungsmacht des Westjordanlandes, sondern auch des Gazastreifens. Teilen Sie diese Einschätzung?

Nein. Israel besetzt den Gazastreifen nicht mehr, seit es seine militärische und zivile Präsenz im Jahr 2005 dort vollständig aufgegeben hat. Nach internationalem Recht gilt ein Gebiet als besetzt, wenn es tatsächlich unter der Befehlsgewalt einer Besatzungsarmee steht. Dabei erstreckt sich die Besatzung gemäß Artikel 42 der Haager Regeln ausschließlich auf das Gebiet, in dem eine solche Befehlsgewalt errichtet wurde und ausgeübt werden kann.

Dies wurde unter anderem vom Internationalen Gerichtshof (im so genannten „Mauerbau“-Fall“), vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (im Fall Sargsyan) und im britischen Handbuch zum Recht der bewaffneten Konflikte bekräftigt.

Weihnachten in Bethlehem, im WestjordanlandJakub Porzycki/NurPhoto via Getty Images

Wie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte feststellte, erfordert eine Besetzung die tatsächliche Kontrolle über das Gebiet durch eine Besatzungsmacht mit Truppen vor Ort. Wie das britische Handbuch feststellt, endet die Besetzung, sobald die Besatzungsmacht vertrieben wurde oder das Gebiet verlassen hat.

Die Annahme der Vereinten Nationen, dass Israel den Gazastreifen auch nach der Evakuierung dieses Gebiets im Jahr 2005 weiterhin besetzt hält, widerspricht dem grundlegenden Verständnis des Rechts, das auch allgemein gültige Regeln festlegt. Die Auffassung der UNO ist auch unvereinbar mit den Verpflichtungen, die das Völkerrecht einem Besatzer auferlegt, und die er nicht erfüllen kann, wenn er keine effektive Kontrolle über das Gebiet hat. Offen gesagt, diese Behauptung ist unsinnig. Sie ist ein eindrucksvolles Beispiel für die ungerechte und unangemessene Behandlung Israels durch die UNO, die selbst ein großes Hindernis für weitere Fortschritte darstellt.

„Israel hat kein einziges Gebiet seit 1967 annektiert, außer vielleicht die Golanhöhen“

Nach Ansicht der UNO ist die Besiedlung und Annexion der seit 1967 besetzten palästinensischen Gebiete ein Haupthindernis für die palästinensische Selbstbestimmung. Das gilt vor allem für den fortgesetzten Bau von Siedlungen. Sehen Sie das nicht so?

Die israelischen Siedlungen im Westjordanland sind kein Hindernis für die palästinensische Selbstbestimmung. Die Räumung der israelischen Siedlungen im Gaza-Streifen und im nördlichen Westjordanland hat in keiner Weise zur Förderung des Friedens beigetragen, ganz im Gegenteil. Darüber hinaus sind die israelischen Gemeinden in Judäa, Samaria und Ostjerusalem grundsätzlich legitim. Jüdische Menschen haben ein Recht darauf, dort zu leben.

Blick auf die Trennmauer im Westjordanland in der palästinensischen Stadt Al-Ram, zwischen Jerusalem und der palästinensischen Stadt RamallahGetty

Die Siedlungen bieten auch wirtschaftliche Vorteile für die Palästinenser. Tatsächlich beschäftigen die Unternehmen in den Siedlungen Zehntausende von Palästinensern zu Löhnen, die weit höher sind als jene, die sie in der palästinensischen Wirtschaft erhalten können. Dies trägt erheblich zum palästinensischen Nationaleinkommen bei. Eine Räumung dieser Siedlungen, wie im Gazastreifen, würde die Palästinenser vor erhebliche Probleme stellen.

Israel hat kein einziges Gebiet annektiert, das 1967 unter seine Kontrolle kam, außer vielleicht die Golanhöhen. Es hat die Souveränität über die wiedervereinigte Stadt Jerusalem ausgeübt, wozu es gemäß dem Völkerbundsmandat, Artikel 80 der UN-Charta und der „Uti possidetis“-Lehre des Völkerrechts berechtigt ist. Die israelische Herrschaft über Jerusalem entspricht auch dem Willen der Bevölkerung Jerusalems (siehe unten) und ihren besten Interessen, und so wäre auch die Situation, wenn der UN-Teilungsplan für Palästina (Resolution 181 (II) von 1947) umgesetzt worden wäre.

Präsident Mahmoud Abbas von der Palästinensischen Autonomiebehörde benützte im September seiner Rede vor der Generalversammlung der Vereinten Nationen für antisemitische Attacken auf Israel.APA/AFP/PPO/Thaer GHANAIM

Die Osloer Verträge verbieten keine Errichtung israelischer Gemeinden im Westjordanland

Aber hat Israel nicht gegen die Oslo-Abkommen verstoßen, indem es die Siedlungen ausbaute? Seit 1993 hat sich die Zahl jüdischer Siedlungen im Westjordanland verfünffacht. Ein Kommentator der israelischen Zeitung „Jediot Achronot“ sagte, dass beide Seiten gegen Oslo verstoßen: „Die Palästinenser mit dem Terror, die Israelis mit den Siedlungen.“

In den Osloer Verträgen gibt es keine Bestimmung, die die Errichtung israelischer Gemeinden im Westjordanland verbietet. Sie stellen kein Hindernis für den Frieden dar. Viele dieser Gemeinden wurden auf Land errichtet, das entweder von Israelis oder jüdischen Organisationen privat erworben wurde oder bei dem es sich um öffentliches Land handelt, das für jüdische Siedlungen vorgesehen ist.

Teilansicht der israelischen Siedlung Har Homa in OstjerusalemAPA/AFP/AHMAD GHARABLI

Es gibt ein oder zwei Beispiele, bei denen Land, das sich im Privatbesitz von Palästinensern befindet, fälschlicherweise für israelische Siedlungen verwendet wurde. Aber im Großen und Ganzen wurde das Land, das genutzt wird, entweder von Israelis privat gekauft oder von jüdischen Organisationen oder Einzelpersonen vor der Gründung des israelischen Staates im Jahr 1948 erworben, oder es handelt sich um öffentliches Land, das sich nicht im Besitz von Privatpersonen befindet und das die Behörden gemäß dem Mandat des Völkerbundes für jüdische Siedlungen zuweisen dürfen. Darin heißt es ausdrücklich, dass öffentliches Land für die Ansiedlung von Juden in dem Gebiet westlich des Jordans zur Verfügung gestellt werden soll. Dies bleibt gemäß Artikel 80 der UN-Charta in Kraft.

„Die Geschichte seit 1967 zeigt: Die Araber in Jerusalem haben von Israels Herrschaft profitiert“

Die UN-Resolution erwähnt auch den „Charakter und Status Jerusalems“ und die „damit verbundenen diskriminierenden Gesetze und Maßnahmen“. Warum ist Israel nicht bereit, Jerusalem entlang der ursprünglichen alten Waffenstillstandslinie von 1949 zu teilen?

Das würde ein Chaos verursachen. Es wäre ein Alptraum für die Sicherheit und würde die Menschen daran hindern, zu ihren Arbeitsplätzen zu gelangen und ihre religiösen Stätten zu besuchen. Es würde die Wirtschaft der Stadt zerstören, die seit der Wiedervereinigung unter israelischer Herrschaft im Jahr 1967 eigentlich floriert. Die Aufteilung der Stadt Jerusalem in verschiedene Länder wird nicht funktionieren. Israel hat daher die realistische und richtige Entscheidung getroffen, die Souveränität über ganz Jerusalem auszuüben, zumindest bis eine bessere und alternative Lösung gefunden wird.

In Umfragen befürworten die meisten Araber in Jerusalem die israelische Herrschaft.Getty

Die Araber in Jerusalem haben von der israelischen Herrschaft über die Stadt enorm profitiert. Die arabische Bevölkerung Jerusalems hat stark zugenommen, von 69.000 im Jahr 1967 auf 376.000 im Jahr 2021, von 26 Prozent der Gesamtbevölkerung auf 39 Prozent. Israel hat das jüdische Viertel der Altstadt von Jerusalem wieder aufgebaut und die jüdische Gemeinde wiederhergestellt. Damit wird jener Charakter der Altstadt wiederhergestellt, der vor der Zerstörung des Viertels und der ethnischen Säuberung durch die arabische Legion Jordaniens im Jahr 1948 bestand.

In den Osloer Verträgen wird ausdrücklich darauf hingewiesen, dass Jerusalem ein Thema ist, das in den Verhandlungen zusammen mit den Grenzen und anderen wichtigen Fragen behandelt werden muss.

Das arabische Viertel Silwan in der Nähe der Altstadt von Jerusalem bei SonnenuntergangGetty

In Umfrage stimmen 93 Prozent der Araber in Jerusalem für Fortsetzung von Israels Herrschaft

In Jerusalem leben nicht ganz eine Million Menschen, von denen 38 Prozent Araber sind. Ist eine friedliche Koexistenz unter den derzeitigen Bedingungen möglich?

Spätestens seit 1870 hat Jerusalem eine jüdische Mehrheit, deren Wurzeln bis in die Antike zurückreichen. Heute gibt es nicht nur unter der jüdischen Mehrheitsbevölkerung Jerusalems, sondern auch bei einem großen Teil der arabischen Bevölkerung eine Präferenz für die Fortsetzung der israelischen Herrschaft über die Vereinigte Stadt. Eine große Mehrheit der Araber in Ostjerusalem bevorzugt eine Fortsetzung der derzeitigen israelischen Herrschaft. 93 Prozent der Araber in Jerusalem würden lieber unter israelischer Verwaltung als unter der Palästinensischen Autonomiebehörde leben. Dies ergab eine Umfrage, die das Palestine News Network Ende 2021 durchführte. Angesichts dieser überwältigenden Mehrheit für eine Fortsetzung der israelischen Herrschaft ist es daher falsch, hier von einer Verletzung des Selbstbestimmungsrechtes der Araber zu sprechen. Die israelische Herrschaft über Jerusalem steht im Einklang mit dem Selbstbestimmungsrecht der Araber in der Stadt und verletzt es nicht.

Trotz der massiven Aufstachelung zur Gewalt in palästinensischen Schulen und Medien herrscht in Jerusalem heute ein hohes Maß an friedlicher Koexistenz.

„Israel hat aus Hoffnung auf einen Frieden auf historische Rechte des jüdischen Volkes verzichtet“

Noch einmal: 30 Jahre nach Oslo gibt es immer noch keinen palästinensischen Staat. Bleibt dies nicht ein schweres Ungleichgewicht und eine Einschränkung der Grundrechte der Palästinenser?

Was die Grundrechte beider Parteien betrifft, so muss man weiter zurückgehen als bis Oslo. Der Völkerbund, der Vorläufer der Vereinten Nationen, entschied über die Aufteilung der vom türkischen Reich befreiten Gebiete im Nahen Osten. Er beschloss, dass 96,3 Prozent des Gebiets arabische Staaten werden sollten, was auch geschah, und dass 3,7 Prozent für die Errichtung einer nationalen Heimstätte für das jüdische Volk reserviert werden sollten. Zu diesem Zweck wurde das gesamte Gebiet westlich des Jordans, zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer, zugewiesen. Großbritannien erhielt das Mandat, diese Entwicklung zu beaufsichtigen.

Hierzu zwei wichtige Punkte. Erstens gibt es ein grundlegendes Prinzip des Völkerrechts, das anderswo immer angewandt, aber in Bezug auf Israel meist übersehen wird: Wenn ein neuer Staat aus einem größeren Reich, einem Mandat oder einem Kolonialismus hervorgeht – in diesem Fall war es ein Mandat –, übernimmt er die Grenzen der vorherigen Einheit. Diese Regel wird „uti possidetis juris“ genannt. Nach der Unabhängigkeit Jordaniens im Jahr 1946 lag das restliche Gebiet des britischen Mandats zwischen dem Jordan und dem Mittelmeer. Der einzige Staat, der in diesem Gebiet gegründet wurde, war Israel, also sind dies die Grenzen, auf die es Anspruch hat. Das ist Punkt Nummer eins.

Punkt Nummer zwei ist, dass das Mandat des Völkerbundes das gesamte Gebiet westlich des Jordans als das Gebiet des jüdischen nationalen Heimatlandes bezeichnete. Im Prinzip hätte Israel aufgrund historischer Entscheidungen, internationaler Abkommen und des Grundsatzes des Völkerrechts das Recht, über das gesamte Gebiet westlich des Jordans zu herrschen.

Dennoch war Israel bereit, einige der historischen Rechte des jüdischen Volkes aufzugeben, um einen dauerhaften Frieden zu erreichen und die Rechte des jüdischen Volkes mit den Rechten der palästinensischen Araber in Einklang zu bringen. Dies kann jedoch nicht erreicht werden, ohne die kritischen Fragen – Jerusalem, Flüchtlinge, Siedlungen, Sicherheitsvereinbarungen und Grenzen – zu lösen. Und diese Fragen können nicht ohne palästinensisch-arabische Führer gelöst werden, die sowohl dem Frieden verpflichtet sind als auch die palästinensischen Araber wirklich vertreten.

Seit Jahren häufen sich Kundgebungen gegen Israel, die teils offen antisemitisch sind, auch in Wien (Bild).APA/HERBERT P. OCZERET

Ein negatives Rechtsgutachten würde zu einem erheblichen Anstieg der Gewalt führen

Wenn der Internationale Gerichtshof gegen Israel entscheiden würde: Was wären die Folgen?

Insbesondere nach den Ereignissen der letzten Wochen hoffe ich, dass der Internationale Gerichtshof erkennt, dass es für Israel unerlässlich ist, die militärische Kontrolle im Westjordanland aufrechtzuerhalten und die militärische Kontrolle im Gazastreifen wiederzuerlangen, bis kritische offene Fragen im Einklang mit den Osloer Vereinbarungen gelöst sind.

Ein Rechtsgutachten, das besagt, dass Israels Anwesenheit im Westjordanland und in Ostjerusalem illegal ist und von allen Staaten als solche behandelt werden sollte, würde zu einer erheblichen Zunahme der Gewalt führen. Israel wird jedoch zu Recht den Ratschlag zurückweisen, sich plötzlich aus Ostjerusalem und dem Westjordanland zurückzuziehen. Dies würde zu einer Machtübernahme durch die Hamas und einem Blutbad führen. Das würde Ostjerusalem und das Westjordanland in den Gazastreifen verwandeln.

Jonathan Turner (Jahrgang 1958) wurde 1982 als Anwalt in England und Wales zugelassen. Zuvor hatte er an der Universität Cambridge Rechtswissenschaften und an der Freien Universität Brüssel Europarecht studiert. Er war an einer Reihe bedeutender Fälle im Bereich des geistigen Eigentums im Vereinigten Königreich beteiligt, und sein Buch „Intellectual Property and EU Competition Law“ (Geistiges Eigentum und EU-Wettbewerbsrecht) gilt als führendes Referenzwerk.

Im Jahr 2011 gründete Turner mit einigen anderen Anwälten UK Lawyers for Israel (UKLFI) als freiwillige Vereinigung, um der israelfeindlichen Boykott-Bewegung BDS und anderen antizionistische Aktivitäten auf rechtlichem Weg entgegenzuwirken.