Der mehrfach ausgezeichnete Polit-Analyst Andreas Unterberger spricht eine selten deutliche Warnung aus: „Wenn die ÖVP nicht in den nächsten Tagen handelt, dann hat sie wirklich alles verspielt.“ Der Anlass für den Appell des erfahrenen Journalisten sind die jüngsten Ereignisse rund um den SPÖ-Bundesparteitag. Beim „erstmals korrekt“ gewählten Parteichef Andreas Babler zeige sich eine „inhaltliche Rückkehr zum Klassenkampf der Zwanziger Jahre – des vorigen Jahrhunderts“, schreibt Andreas Unterberger auf seinem Online-Blog.

Andreas Unterberger war von 1995 bis 2004 Chefredakteur der Tageszeitung „Die Presse“.APA-Fotoservice/Preiss

Bundes-SPÖ hat sich in „linksradikale Partei“ verwandelt

Spätestens seit dem Parteitag in Graz „machen zahllose gravierende Punkte von Bablers Politik eine Koalition mit ihm völlig unmöglich“. Babler habe nämlich „von keiner einzigen seiner zahllosen Schlaraffenland-Forderungen und Kommunismus-artigen Attacken auf alle Unternehmen und Leistungsträger“ Abstand genommen. Im Gegensatz zum „vernünftigen Kurs“ der SPÖ in Tirol, Kärnten und der Steiermark „ist die Bundespartei mit den Kommunisten weitestgehend deckungsgleich geworden.“

Aus einer „lange seriös-gemäßigten Partei“, sei nun eine „linksradikale Partei“ geworden. Unterberger: „Die SPÖ hat sich mit ihrem Absturz in eine wirklichkeitsferne Linksradikalität begeben, bei der auch nur eine teilweise Realisierung für Österreich eine absolute Katastrophe wäre. Praktisch sämtliche Programmpunkte, die von den Genossen jubelnd angenommen wurden, sind für bürgerliche Wähler der ÖVP absolut inakzeptabel.“

General-Absage an Babler-SPÖ statt an Kickl-FPÖ

Die ÖVP müsse sich nun – und nicht erst knapp vor der Wahl – gegenüber diesem Programm klar und unmissverständlich abgrenzen, andernfalls drohe ihr der Untergang. Wenn Karl Nehammer keine klaren Konsequenzen ziehe, „werden sich viele ÖVP-Wähler von ihm abwenden und ins Lager der Nichtwähler oder der FPÖ wechseln. Wenn er jetzt nicht klar sagt: ‚Mit diesem Programm und mit diesem Parteiobmann ist die SPÖ für uns kein akzeptabler Koalitionspartner!‘, dann wird er schuldig am Abstieg der ÖVP in Richtung Einstelligkeit.“

SPÖ-Chef Andreas Babler hat seine Bewährungsprobe beim Bundesparteitag in Graz bestanden. Für bürgerliche Wähler ist eine Koalition mit seiner Partei seither ein No-Go, sagt Unterberger.APA/ERWIN SCHERIAU

Bisher hat die ÖVP sehr wohl eine Koalition abgelehnt, allerdings mit der Kickl-FPÖ, nicht mit der Babler-SPÖ. Davon müsse sie abkommen, fordert Andreas Unterberger. Der Anlass für das Nein der Volkspartei zu den Freiheitlichen war Kickls Widerstand gegen Sky Shields. Die Einwände des FPÖ-Chefs gegen das Raketenabwehrsystem überzeugen auch Unterberger nicht. „Eine daraus erfolgende Generalabsage an die Kickl-FPÖ ist aber nicht legitim und schon gar nicht klug. Diese Haltung wird geradezu absurd, wenn die ÖVP nicht jetzt erkennt – und es auch deutlich ausspricht –, dass Bablers Linksradikal-Kurs noch viel mehr eine Generalabsage rechtfertigt. Die neuen SPÖ-Inhalte sprechen mindestens zwölf Mal so stark gegen eine Koalition mit der Babler-SPÖ, wie es die Sky-Shield-Frage gegen eine Koalition mit der FPÖ tut.“

Unterberger kritisierte schon mehrfach FPÖ-Chef Herbert Kickl (Bild). Allerdings sei eine Koalition mit ihm für viele Wähler weit akzeptabler, als mit der Babler-SPÖ.xMartinxJuenx SEPAxMedia

Neuer Migrations-Kurs von Babler für Österreicher No-Go

Dass sich die Österreicher ohne klare Distanzierung von der Bundes-SPÖ in Scharen von der ÖVP abwenden würden, liege vor allem an Bablers Migrationspolitik. „Wenn da die SPÖ von zusätzlichen legalen Migrationswegen schwätzt und österreichische Mithilfe bei der Schlepperei übers Mittelmeer (die als ‚Seenotrettungsmissionen‘ getarnt werden) verlangt, dann wird für jeden bisherigen Wähler ein neuerlicher Stimmzettel für die ÖVP unmöglich, solange diese nicht noch viel deutlicher als bei Kickl sagt: ‚Mit uns kommt diese SPÖ sicher nicht in die Regierung.‘“

Es bräuchte eine Liste inhaltlicher Sachbedingungen für eine Koalition mit der SPÖ. Sie würde gemäß dem langjährigen Polit-Journalisten folgendermaßen aussehen: „Mit uns gibt es keine neuen Steuern, keine Erleichterung für die illegale Migration, keine neuen unfinanzierbaren Wohltaten, keine Erleichterungen für das Modell AMS+Pfuschen, keine Gesamtschule, keine populistischen Versprechungen in der Verfassung, keine De-Facto-Enteignung der Wohnungseigentümer. In all diesen Bereichen muss es vielmehr sogar in die Gegenrichtung gehen. Denn wir können keine Verantwortung auch nur für den kleinsten Schaden für Österreichs ohnedies durch Corona und zwei Kriege angeschlagene Lage übernehmen.“

Andreas Unterberger ist nicht optimistisch: „Die ÖVP scheint, so sieht es zumindest zur Stunde aus, nicht imstande zu sein, den Elfmeter zu verwandeln, den Babler und sein Kurs für sie bedeuten.“