Elon Musk muss Deutschland doch nichts zahlen. Berlin hatte auf Bußgeld-Zahlungen in zweistelliger Millionenhöhe gehofft. Der Vorwurf: X (Twitter) habe Beschwerden über vermeintlich beleidigende, verleumderische, verhetzende Tweets zu wenig ernst genommen. Doch nun war alles umsonst. Die deutsche Justiz darf nämlich gar nicht gegen X vorgehen. Das ist Folge eines Urteils des Europäischen Gerichtshofs, das sich eigentlich gegen ein österreichisches Gesetz – das Kommunikationsplattformen-Gesetz – richtet.

Österreich und Deutschland nicht gegen X vorgehen – denn es hat seinen Sitz in Dublin

So wie Berlin wollte auch Österreich „Hass im Netz“ bekämpfen. Gemäß seinem Gesetz hätten Betreiber von Kommunikationsplattformen für „Hetze, Verleumdung und Hass im Netz“ eine Lösung bereitstellen müssen. Die Sache hat nur einen Haken, wie sich nun zeigt: Österreich darf überhaupt nicht mit eigenen Vorschriften gegen Onlinedienste vorgehen, die ihren Sitz in einem anderen EU-Staat haben. Das sieht das EU-Recht (E-Commerce-Richtlinie) so vor.

Unter dem damaligen Justizminister Heiko Maas (Bild, SPD) ist das umstrittene Netzwerkdurchsetzungsgesetz entstanden und im Jahr 2017 in Kraft getreten.APA/AFP/JOHN THYS

X, und ebenso Google, Meta und TikTok haben aber ihren Sitz in Irland. Daher kann nur der Inselstaat Regeln für diese Online-Unternehmen beschließen und ihre Befolgung überwachen – nicht Österreich, aber auch nicht Deutschland. Was für das österreichische Kommunikationsplattformen-Gesetz gilt, das muss in der Folge auch für das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (kurz: NetzDG) gelten. „Damit können die Vorschriften des NetzDG nicht mehr gegenüber Anbietern mit Sitz in einem anderen EU-Mitgliedsland durchgesetzt werden“, urteilt das Bonner Bundesamt für Justiz.

X soll zu wenig gegen Hass im Netz unternommen haben

Im Frühjahr war der Streit zwischen X (damals noch Twitter) und Deutschland eskaliert. Das Bundesamt für Justiz kündigte an, gegen die Twitter International Unlimited Company, den Betreiber des Netzwerks X, vorzugehen. So wie Österreich wollte auch Deutschland mit dem NetzDG gegen Hass im Netz vorgehen. Der Vorwurf: X verstoße gegen die gesetzliche Pflicht, auf Beschwerden über vermeintlich rechtswidrige Inhalte zu reagieren. Zwei private Nutzer hatten dazu hunderte von Fälle dokumentiert. Demnach soll X Meldungen von deutschen Nutzern über Volksverhetzung oder Beleidigung zu wenig ernst genommen haben.

Sofern Social-Media-Plattformen ihren Sitz in einem EU-Land haben, müssen sie sich nur an Regeln des betreffenden Landes halten, nicht an die eines anderen EU-Staates.Matt Cardy/Getty Images

Justizminister Marco Buschmann (FDP) erklärte vollmundig: „Das Bundesamt für Justiz hat ein Bußgeldverfahren gegen Twitter eingeleitet. Dem BfJ liegen hinreichend Anhaltspunkte dafür vor, dass Twitter gegen die gesetzliche Pflicht zum Umgang mit Beschwerden über rechtswidrige Inhalte verstoßen hat.“ Und: „Das Internet ist kein rechtsfreier Raum.“ Von einem „systemischen Versagen“ im Beschwerdemanagement des Unternehmens war die Rede.

„Zensur“: Deutschlands Gesetz von Anfang an umstritten

Doch nun ist Schluss: X befindet sich in Dublin – und kann demnach nicht nach österreichischem und deutschem Gesetz belangt werden.

Justizminister Marco Buschmann (Bild, FPD) hatte sich X vorgeknöpft – doch er ist dafür überhaupt nicht zuständig.APA/AFP/Kenzo TRIBOUILLARD

Kritiker des NetzDG und des Kommunikationsplattformen Gesetzes haben Grund zur Freude: Sie orten im Vorgehen Berlins und Wiens Zensur. Der Bürgerrechtsaktivist Matthias Spielkamp von „Reporter ohne Grenzen“ nannte das NetzDG etwa „beschämend. Der Journalist Harald Martenstein bezeichnete es im Tagesspiegel als „Erdoganismus in Reinkultur“, es lese sich so, als „stamme er aus dem Roman 1984“. Wegen der kurzen Fristen zum Löschen von Online-Beiträgen werden die Plattformen Beiträge im Zweifelsfall lieber löschen, meinten auch IT-Experten.

Mittlerweile ist die EU Elon Musks Hauptfeind

Doch leider hat die EU mittlerweile mit dem Digital Services Act (DSA) ein viel wirkmächtigeres Zensur-Instrument geschaffen, wie Kritiker beklagen – der eXXpress berichtete. Prompt hat auch der zuständige EU-Kommissar am 18. Dezember Vertragsverletzungsverfahren gegen X verkündet. X sei nicht seinen Verpflichtungen zur Bekämpfung von Desinformation nachgekommen, heißt es.

Gescheitert ist Elon Musks X auch in Kalifornien. Die Online-Plattform hatte vergeblich versucht, ein kalifornisches Gesetz zu blockieren, demzufolge Social-Media-Unternehmen öffentlich erklären müssen, wie sie bestimmte Inhalte auf ihren Plattformen moderieren.