
Familiennachzugs-Stopp, bitte warten: Verordnung geht erst heute (!) in Begutachtung
Seit März wird ein „sofortiger Stopp“ des Familiennachzugs angekündigt – doch bis heute ist nichts geschehen. Die – voraussichtlich? – entscheidende Verordnung ging erst jetzt in die Begutachtung. Ob sie noch vor der Sommerpause wirksam wird? Völlig offen.

Seit Anfang März versprechen Bundeskanzler Christian Stocker (ÖVP) und Innenminister Gerhard Karner (ÖVP) der Bevölkerung, dass der Familiennachzug ab sofort gestoppt wird. Am 3. März erklärte Stocker im ORF, der Nachzug wird „mit sofortiger Wirkung” gestoppt. Über zwei Monate später, am 13. Mai, dann die Verlautbarung: Die Verordnung zum temporären Stopp des Familiennachzugs geht jetzt in Begutachtung!
Aber es kommt noch besser: Die Begutachtungsfrist läuft dann einmal bis 10. Juni. Ob es sich zeitlich überhaupt ausgehen wird, den Familiennachzugs-Stopp im Parlament noch vor der Sommerpause zu beschließen – das Österreichischen Parlaments begibt sich jedes Jahr von Mitte Juli bis 31. August auf Sommerpause – ist natürlich fraglich.
Chronologie des Aussetzens
Ein kurzer Blick auf die Chronologie zeigt, wie lange der Familiennachzugs-Stopp die Regierung bereits beschäftigt:
Am 3. März, dem Tag der Angelobung versprach der neue Bundeskanzler Christian Stocker den sofortigen Stopp. Mit einer Notfallklausel, für die die Unterschrift von Innenminister Karner reiche, werde der Nachzug umgehend gestoppt.
Am 11. März legte Innenminister Karner der EU-Kommission die Dringlichkeit des Aussetzen des Familiennachzugs dar. In einem Brief an die Kommission argumentierte er die angestrebte Quotenregelung mit einer Gefährdung des Bildungssystems und erklärte, die „Funktionsfähigkeit der Einrichtungen des österreichischen Staates und seiner wichtigsten öffentlichen Dienste” seien durch den Familiennachzug gefährdet.
Am 12. März wurde im Ministerrat ein „sofortiger Stopp” beschlossen, um das System zu schützen.
Mitte April wurde verlautbart, dass der Nationalrat „in der kommenden Plenarwoche den befristeten Stopp des Familiennachzugs für Flüchtlinge beschließen dürfte”.
Am 25. April war es dann endlich soweit: Die Nachricht machte die Runde, dass der Nationalrat eine Regelung, die den Familiennachzug bei Asylberechtigten und subsidiär Schutzberechtigten temporär stoppen wird, beschlossen hat.
Stopp heißt plötzlich Pause
Während die Österreicher vor allem in den Ballungszentren aufatmeten, wurde der Familiennachzug mit dem Beschluss im Nationalrat allerdings nicht ausgesetzt. Stattdessen kam am 8. Mai die nächste Jubelmeldung aus dem Parlament: Der Bundesrat habe „die Pause” beim Familiennachzug bestätigt. Das heißt: Die gesetzliche Grundlage für den Stopp existiert jetzt.
„Der Bundesrat hat mehrheitlich grünes Licht für die Änderung des Asylgesetzes gegeben, mit der es zu einer ‚Pause’ für die Familienzusammenführung von asylberechtigten Personen kommt. Die Bundesregierung kann künftig die Bearbeitung von Anträgen auf Familiennachzug per Verordnung vorübergehend aussetzen”, ist auf der Homepage des Parlaments zu lesen.
Der Stopp heißt hier nun plötzlich nur mehr Pause, und dass diese auch nicht so ganz ernst zu nehmen ist, wird auch gleich weiter ausgeführt: „Die Novelle beinhaltet Ausnahmeregelungen, die insbesondere Minderjährige oder andere Antragsteller:innen betreffen, bei denen das Recht auf Privat- und Familienleben laut Europäischer Menschenrechtskonvention (EMRK) ‚zwingend geboten’ ist. Die Regelung soll Ende September 2026 wieder außer Kraft treten.”
Ausnahmeregelung für „Härtefälle"
Kurz: Minderjährige, die unser Bildungssystem überlasten, und „andere Antragsteller”, bei denen „das Recht auf Privatleben zwingend geboten ist”, sind „Härtefälle” und werden von der Pausieren des Familiennachzugs von vornherein ausgenommen. Für welche Personen die Pause des Familiennachzugs dann eigentlich gelten soll, wird nicht klar kommuniziert.
Denn wer nun denkt, beim Familiennachzug handelt es sich um die Kernfamilie, irrt gewaltig. Nicht nur Eltern, Kinder und Ehepartner können nach Österreich nachgeholt werden, sondern auch eingetragene Partner, gleichgeschlechtliche Partner, Adoptivkinder und Stiefkinder.
Überhaupt ausgenommen sind Ukrainer – sie müssen in Österreich nicht einmal einen Asylantrag stellen. Sie erhalten einen Aufenthaltstitel als Vertriebene, die so genannte ‚Blaue Karte’. Damit können sie entweder in Österreich arbeiten oder ohne Arbeit Leistungen aus der Grundversorgung wie Mindestsicherung, Familienbeihilfe und Kinderbetreuungsgeld erhalten. Auch haben sie automatisch ab dem ersten Tag uneingeschränkten Zugang zu allen Leistungen der österreichischen Krankenversicherung.

Doch zurück zur aktuellen Jubelmeldung, dass die Verordnung zum temporären Stopp des Familiennachzugs jetzt in Begutachtung geht: Was steht nun eigentlich in dieser Verordnung? Es wurde wieder einmal zusammengefasst, was von der Regierung bereits seit ihrer Angelobung am 3. März unermüdlich kommuniziert wird: Die Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung und der Schutz der inneren Sicherheit seien gefährdet ist und daher sollten vorläufig die Verfahren zur Familienzusammenführung gehemmt werden.
Diese „vorläufige Hemmung” bezieht sich auf sechs Monate, mit der Option auf Verlängerung bis Ende September 2026. Dann ist wieder Schluss mit dem Aussetzen des Familiennachzugs.
Über all das Gerede über die geplante Aussetzung des Familiennachzugs darf allerdings nicht vergessen werden, dass die meisten Flüchtlinge ohnehin nicht als Familiennachzug nach Österreich kommen. Und: Wenn im Juni 2026 der Migrationspakt angewendet wird, zu dem sich die Dreierkoalition verpflichtet hat, ist diese Diskussion sowieso hinfällig. Der Pakt sieht nämlich neben legalen Fluchtwegen auch Erleichterungen für den Familiennachzug vor.
Kommentare