Der Westen befindet sich mit Russland „in einem Produktionskrieg“, berichtet ein hochrangiger NATO-Beamter gegenüber CNN – und Moskau hat die Nase vorne. Die russische Armee feuert zurzeit offiziell rund 10.000 Granaten pro Tag ab, die Ukraine kommt auf nur 2000. An einigen Stellen der Front sei das Verhältnis noch schlechter, berichtet CNN unter Berufung auf eine anonyme Geheimdienst-Quelle.

Für Kiew ist das höchst gefährlich. „Militäranalysten zufolge wird der Krieg wahrscheinlich dadurch gewonnen oder verloren, wer die meisten Artilleriegranaten abfeuert“, hält der TV-Sender in seinem ausführlichen Bericht fest.

Russland produziert 250.000 Stück Artilleriemunition im Monat

Vor dieser Überlegenheit der Russen bei der Produktion von Munition hat der eXXpress schon vor mehr als einem Jahr gewarnt. Nun ist der Ernst der Lage auf dem Schlachtfeld nicht mehr zu leugnen. Auch CNN hält nun nach umfassenden Recherchen fest: „Russland scheint auf dem besten Weg zu sein, fast dreimal so viel Artilleriemunition zu produzieren wie die USA und Europa – ein entscheidender Vorteil im Vorfeld einer weiteren russischen Offensive in der Ukraine, die noch in diesem Jahr erwartet wird.“

Russland hat die Initiative und die klare Überlegenheit bei Munition.Diego Herrera Carcedo/Anadolu Agency via Getty Images

Der Sender stützt sich auf Schätzungen des NATO-Geheimdienstes über die russische Rüstungsproduktion, und auf Quellen, die mit der westlichen militärischen Unterstützung für die Ukraine vertraut sind. Demnach produziert Russland monatlich etwa 250.000 Stück Artilleriemunition – und das entspricht etwa drei Millionen Stück im Jahr. Die USA und Europa schaffen gemeinsam nur etwa 1,2 Millionen Stück Munition für Kiew, wie ein hochrangiger europäischer Geheimdienstmitarbeiter erzählt.

Der Ukraine fehlt vor allem Munition

Die Lage ist ernst, sehr ernst: „Das Defizit kommt zum vielleicht gefährlichsten Zeitpunkt für die ukrainischen Kriegsanstrengungen, seit Russland im Februar 2022 erstmals in Kiew einmarschierte. Die US-Gelder für die Bewaffnung der Ukraine sind erschöpft, und die republikanische Opposition im Kongress hat die Bereitstellung weiterer Mittel praktisch gestoppt. In der Zwischenzeit hat Russland vor kurzem die ukrainische Stadt Awdijiwka eingenommen und gilt weithin als derjenige, der auf dem Schlachtfeld die Initiative ergreift.“

Mit Munition müssen die ukrainischen Soldaten mittlerweile sparsam umgehen.

Munition ist für die Ukraine zurzeit am wichtigsten. „Es sind diese Artilleriegranaten, denn hier hat Russland einen erheblichen Produktionsvorteil und einen erheblichen Vorteil auf dem Schlachtfeld“, sagt ein NATO-Beamter.

300.000 Artilleriegranaten aus dem Iran, Millionen von Granaten aus Nordkorea

Russland betreibt sein Artilleriefabriken „rund um die Uhr“ in rotierenden Zwölf-Stunden-Schichten – der eXXpress berichtete bereits im vergangenen Jahr. Vor dem Krieg haben noch 2 bis 2,5 Millionen Russen in der Verteidigungsindustrie gearbeitet, nun sind es etwa 3,5 Millionen, berichtet CNN. Hinzu kämen mindestens 300.000 Artilleriegranaten, die der Iran im vergangenen Jahr geliefert hat – „wahrscheinlich sogar mehr“, berichtet der Beamte. Hinzu kämen mindestens 6700 Munitionscontainer mit Millionen von Granaten aus Nordkorea. Russland hat „alles, was es hat, ins Spiel gebracht. Seine Kriegsmaschinerie läuft auf Hochtouren“.

Ein neuer CNN-Bericht berichtet über die Artillerie-Überlegenheit der Russen.CNN

Auch ein europäischer Abgeordneter gibt gegenüber dem US-TV-Sender unumwunden zu: „Die russische Produktion ist rund um die Uhr verfügbar. Ich meine, riesig, immens. Wir sollten ihren Willen nicht unterschätzen, uns mit Geduld und Widerstandsfähigkeit zu übertreffen.“

Ohne US-Hilfe ist Russland langfristig im Vorteil

Der Westen hinkt hinterher. Generalleutnant Steven Basham, der stellvertretende Befehlshaber des US European Command, meint: „Der Westen fängt gerade erst an, die Infrastruktur aufzubauen, um die benötigte Munitionskapazität hinzuzufügen.“ Die NATO rechne im Ukraine-Krieg zurzeit nicht mit großen Gewinnen von einer der beiden Seiten, „aber die Rechnung geht langfristig zu Gunsten Moskaus aus – vor allem, wenn zusätzliche US-Hilfe ausbleibt.“

Langfristig ist Putin (l.) zurzeit im Vorteil, sagen Militäranalysten.APA/GETTY

Die Langstreckenwaffen der Russen nehmen überdies mittlerweile auch die ukrainische Verteidigungsproduktion ins Visier, nicht mehr primär kritische Infrastrukturen. Russland produziere 115 bis 130 Langstreckenraketen pro Monat und 300 bis 350 Einweg-Angriffsdrohnen. Das Arsenal von Tausenden von Langstreckenraketen sei aber auf 700 geschrumpft. Als Ersatz verwenden sie umso mehr Drohnen, „im Durchschnitt viermal so viele pro Monat wie im letzten Winter“.

Neue Gleitbombe belastet die Moral der ukrainischen Soldaten

Überdies setze Russland eine neue, mächtige Lenkbombe ein, die an der ukrainischen Front schwere Verwüstung anrichtet, berichtet CNN in einem anderem Report. Die Bombe dezimiere die ukrainische Verteidigung und habe „das Gleichgewicht an der Front gekippt“. Eine einfache Waffe aus der Sowjetzeit wurde dafür in eine Gleitbombe umgewandelt, die einen fünfzehn Meter breiten Krater verursachen könne. Sie heißt FAB-1500, eine 1,5 Tonnen schwere Waffe, die fast zur Hälfte aus Sprengstoff besteht.

„Die FAB-1500 ist die Hölle“, berichtet ein ukrainischer Soldat. Russisches Verteidigungsministerium via REUTERS

Kampfjets werfen sie aus einer Entfernung von etwa 60 bis 70 Kilometern ab, heißt es. Damit sei die FAB-1500 „außerhalb der Reichweite vieler ukrainischer Luftabwehrsysteme“. Jüngste Videos belegten ihre „immense Wirkung, da diese Bomben Wärmekraftwerke, Fabriken und Hochhäuser getroffen haben – Orte, von denen aus die Ukrainer ihre Verteidigung koordinieren. Die Moral der Soldaten werde von der FAB-1500 stark unter Druck gesetzt, berichtet ein ukrainischer Soldat: „Nicht alle unsere Leute können das aushalten. Die FAB-1500 ist die Hölle.”

Nur US-Patriot-Komplex kann Gleitbombe abwehren

Gemäß Justin Bronk, Senior Research Fellow am Royal United Services Institute in London, ermöglichte die Entwicklung der Gleitbomben den Russen, ihre taktischen Luftstreitkräfte (im Gegensatz zu den Langstreckenbombern) effektiver einzusetzen. „Der US-Patriot-Komplex sei so ziemlich das einzige Abwehrsystem, das über die nötige Reichweite verfüge, um die Bedrohung abzuwehren, aber die Ukrainer hätten nur eine begrenzte Anzahl.“ Mittlerweile sind die ukrainischen Streitkräfte an der Front, insbesondere in Donezk, „einer Flut von russischen Luftangriffen ausgesetzt – nach Angaben des ukrainischen Generalstabs manchmal mehr als 100 an einem Tag.“

Fazit: „Wenn keine US-Hilfe mehr kommt, ändern die Ukrainer ihre Einstellung zu Verhandlungen“, sagte eine mit westlichen Geheimdienstinformationen vertraute Quelle gegenüber CNN.