Mit höchst beunruhigenden Worten warnt Prof. Ednan Aslan (64) vor der Gefahr des politischen Islam für Österreich – und ebenso vor der Ahnungslosigkeit der Politik. Das „zentrale Element des politischen Islam“ sei „die Westenfeindlichkeit“, sagt Aslan, der islamische Religionspädagogik am Institut für Islamisch-Theologische Studien an der Uni Wien lehrt: „Europa mit seinen pluralistischen und demokratischen Prinzipien ist der Erzfeind des politischen Islam“.

Doch dieser „Erzfeind“ werde mit seinen eigenen Mitteln bekämpft: „Der politische Islam konsumiert die Vorteile einer pluralen demokratischen Gesellschaft.“ Islamisten versuchten, „in Europa Fuß zu fassen, wo die Rechtsstaatlichkeit es ermöglicht, sich gegen die Demokratie zu organisieren.“

Das werde wohl spürbare Konsequenzen für das Leben in Europa haben, die Gefahr sei real: „Man sieht, was der politische Islam in islamischen Ländern bewirkt hat – und man kann sich vorstellen, was in Europa passieren könnte“, sagt Aslan gegenüber dem „Kurier“.

„Politiker denken nicht, dass der politische Islam viel klüger ist als sie selbst“

Nach Meinung von Prof. Ednan Aslan sind die europäischen Politiker, auch in Österreich, nicht in der Lage, die Gefahr zu erkennen. Einerseits falle es uns schwer, „den politischen Islam zu begreifen. Unser säkulares Denken versteht nicht den politischen Anspruch dieser Religion. Die Politisierung des Islam führt die Gesellschaft in den Abgrund.“

Andererseits hat der politische Islam mittlerweile eine hohe Professionalität erreicht. „Wir haben den politischen Islam bei uns beinahe institutionalisiert. Der politische Islam hat sich eine Infrastruktur geschaffen und agiert sehr professionell.“ Nun sei er „viel professioneller als viele politische Akteure.“ Aslan: „Manche politischen Kräfte wollen sich auch die Stimmen aus diesem Milieu sichern. Aber sie denken nicht daran, dass der politische Islam viel politischer und viel klüger ist als sie selbst.“

Alles in allem hätten wir somit „einen wichtigen Beitrag geleistet, dass der politische Islam sich hier wohl fühlt“ – ob bewusst oder unbewusst.

Ednan Aslan: „Der politische Islam fühlt sich bei uns wohl.“APA/GEORG HOCHMUTH

Regierung hat „den Kampf gegen den politischen Islam aus den Augen verloren“

Zu Beginn der Legislaturperiode wollte die österreichische Regierung durchaus den Islamismus bekämpfen. Doch mittlerweile habe sie „den Kampf gegen den politischen Islam aus den Augen verloren“. Sie gehe nur „punktuell“ gegen „die Auswirkungen des politischen Islam“ vor. Doch „die Wurzeln wurden zum Teil noch nicht einmal wahrgenommen.“ Wo die Imame, die in den Moscheen predigen, herkommen, wie sie ausgebildet werden, was überhaupt als Moschee gilt, wie die Predigten dort kontrolliert werden – all das müsste geklärt werden.

Zurzeit erfährt Aslan „immer wieder von Imamen …, die demokratiefeindliche Äußerungen von sich geben“. Fast alle kämen aus dem Ausland, wo sie auch ausgebildet würden. Gleichzeitig gebe es „keinen einzigen Imam …, der seine Ausbildung in Österreich gemacht hat – keinen!“

Theologie der Islamvertretung nicht „sehr weit von der Hamas-Theologie entfernt“

Ein Problem sind die Moscheevereine: Sie stellen die Imame an, und „bei der Einstellung spielt weniger die fachliche Qualifikation eine Rolle, sondern mehr die ideologische Nähe zur jeweiligen Moscheegemeinde“. Doch auch die offizielle Islamische Glaubensgemeinschaft IGGÖ sei problematisch: „Dass die IGGÖ qualifizierte Lehrerinnen ohne Kopftuch nicht beschäftigen möchte, hat auch mit einer bestimmten theologischen Auffassung zu tun.“ Dann folgt ein massiver Vorwurf: Die IGGÖ dringe in eine Theologie vor, die nicht „sehr weit von der Hamas-Theologie entfernt ist“.

Fast alle muslimischen Organisationen stünden unter ausländischem Einfluss. „Keine leitet ihre Werte aus unserer Gesellschaft ab. Daher wird jeder Versuch, den Islam hier zu beheimaten, als Verrat gesehen. Das ist zwar nicht die offizielle, aber die faktische Position der IGGÖ.“ Die hiesigen Einrichtungen seien abhängig von Akteuren im Ausland – ob in der Türkei, Ägypten, Katar oder Bosnien. „Die Bestellung des Präsidenten der IGGÖ ohne Zustimmung aus der Türkei und aus Bosnien wäre fast unmöglich.“

Hamas ist „nicht nur das Problem von Israel“

Die palästinensische Terrororganisation Hamas, deren Theologie sich auch die IGGÖ nähere, sei somit „nicht nur das Problem von Israel. Die Hamas ist eine Terrororganisation mit weltweit operierenden Strukturen.“ Die Hamas ist der palästinensische Flügel der international agierenden Muslimbruderschaft, die auch in Europa aktiv ist. Man kann Hamas und Muslimbruderschaft letztlich nicht trennen – das ist dieselbe Ideologie.“ In Österreich sei die Muslimbruderschaft „unter verschiedenen Namen aktiv“.

Ednan Aslan (l.) übt scharfe Kritik an den Moschee-Verbäden und der Islam-Vertretung IGGÖ.APA/HERBERT PFARRHOFER

Auch auf die „Operation Luxor“ geht Aslan ein. Dabei handelt es sich um eine Anti-Terror-Razzia im November 2020 gegen mutmaßliche Hamas-Mitglieder und Muslimbrüder. In einigen Medien wurde sie scharf attackiert bis verteufelt. Aslan verteidigt sie: „Es hat sehr viele Erkenntnisse daraus gegeben. Auch wenn Teile der Ermittlungen eingestellt wurden, heißt das nicht, dass die Gefahr, die von der Muslimbruderschaft ausgeht, nicht besteht. Die Operation Luxor war die erste, welche diese Gefahr deutlich gemacht hat.“ Teilniederlagen bei „Luxor“ sei mit ein Grund, weshalb sich die Regierung nicht mehr so sehr um den politischen Islam kümmert. Fazit: „Luxor war also ein Anfang – und ich sehe diesen Anfang trotz allem als Erfolg. Aber wir müssen auch erkennen, was wir seit 50 Jahren vernachlässigt haben.“